25.11.2025 – Der demografische Wandel verändert die Rahmenbedingungen der Assekuranz grundlegend, erklären Dorthe und Björn Käding. Die Aktuare im Versicherungsteam der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft Forvis Mazars GmbH & Co. KG zeigen im VersicherungsJournal Extrablatt 4|2025, wie der Versicherungsvertrieb auf die Bedürfnisse einer älter werdenden Gesellschaft eingehen kann.
Die umlagefinanzierten Sozialversicherungen geraten zunehmend unter Druck. Immer weniger Erwerbstätige müssen die Lasten einer alternden Gesellschaft tragen.
Laut einer aktuellen Studie des WIP – Wissenschaftlichen Instituts der PKV muss der Gesamtsozialversicherungsbeitrag bis zum Jahr 2050 von 42 auf 53 Prozent steigen, um das heutige Versorgungsniveau zu halten (VersicherungsJournal 14.5.2025). Das belastet vor allem junge Menschen und gefährdet Arbeitsplätze sowie die Wettbewerbsfähigkeit.

Auch private Versicherer spüren die Folgen des demografischen Wandels. Sie müssen ihre Produkte an die Bedürfnisse einer alternden Gesellschaft anpassen. Da sich die Nachfrage verändert, müssen sie neue Lösungen entwickeln.
Gleichzeitig zeigt sich, dass sich junge Menschen immer weniger für Versicherungen interessieren. Viele von ihnen beschäftigen sich kaum mit Vorsorge oder Absicherung – oft, weil sie Versicherungen als kompliziert oder wenig relevant für ihren Alltag empfinden.
Das stellt die Branche vor eine doppelte Herausforderung. Sie muss einerseits Angebote für eine alternde Gesellschaft ausbauen und andererseits Wege finden, um die junge Generation besser zu erreichen und für Themen rund um Absicherung und Vorsorge zu sensibilisieren.
Die Gesundheitsausgaben steigen mit zunehmendem Alter deutlich. Ältere Menschen verursachen im Durchschnitt drei- bis viermal höhere Kosten als jüngere.
Chronische Erkrankungen, Mehrfacherkrankungen und altersbedingte Pflegebedarfe verstärken diesen Trend. Gleichzeitig verlängert der medizinische Fortschritt stetig die Lebenszeit.
In der Pflege ist die Lage besonders angespannt. Der Bedarf an Langzeitpflegeleistungen dürfte sich in den nächsten 25 Jahren verdoppeln. Die gesetzliche Pflegeversicherung deckt nur einen Teil der Kosten ab; der Pflege-Eigenanteil liegt heute bereits bei über 3.000 Euro im Monat (24.7.2025).
Für die privaten Kranken- und Pflegeversicherer eröffnen sich daraus klare Wachstumschancen: Mit einer alternden Bevölkerung steigt auch der Bedarf an medizinischer Betreuung und entsprechenden Absicherungs- und Vorsorgelösungen.
Auch eine Studie des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V. (GDV) bestätigt diesen Trend. Demnach wird die Nachfrage nach privaten Kranken- und Pflegeversicherungen bis zum Jahr 2040 um rund 60 Prozent zunehmen (16.10.2023).
Der demografische Wandel schafft einen nachhaltigen Wachstumsmarkt für die Branche.
Vor dem Hintergrund steigender Gesundheitsausgaben stellt sich die zentrale Frage, wie eine bezahlbare Gesundheitsvorsorge auch künftig gesichert werden kann.
Ein Blick auf bestehende Finanzierungsmechanismen zeigt einen Lösungsweg auf. Seit dem Jahr 2000 sind private Krankenversicherer gesetzlich verpflichtet, einen Teil der Beiträge zum Aufbau von Alterungsrückstellungen zu verwenden.
Diese sollen sicherstellen, dass die Beiträge auch im Alter bezahlbar bleiben und die steigenden Gesundheitskosten abgedeckt werden.
Die Folge zeigt sich im Vergleich der Beitragstrends der zwei Krankenversicherungssysteme. Zwischen 2005 und 2025 stiegen die Beitragseinnahmen in der kapitalgedeckten privaten Krankenversicherung (PKV) je Vollversicherten um durchschnittlich 3,1 Prozent pro Jahr.
Zum Vergleich: In der umlagefinanzierten gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) liegt der Wert je Versichertem bei 3,8 Prozent. Die PKV zeigt damit, dass eine nachhaltige Finanzierung gelingen kann.
Gleichzeitig setzen Versicherer verstärkt auf Prävention und digitale Innovation: Gesundheits-Apps, Telemedizin und personalisiertes Coaching helfen, Krankheiten früh zu erkennen und Kosten zu senken. Die Versicherer positionieren sich zunehmend als Gesundheitspartner – ein Ansatz, der nicht nur die Versorgung verbessert, sondern auch die Kundenbindung stärkt.
Das Umlageverfahren der gesetzlichen Rentenversicherung stößt durch den demografischen Wandel an seine Grenzen. Immer weniger Erwerbstätige stehen immer mehr Rentnern gegenüber, gleichzeitig verlängert sich die Rentenbezugsdauer.
Die steigende Lebenserwartung verschärft das Problem zusätzlich. Die Politik muss eine solidarische und generationengerechte Finanzierung der gesetzlichen Rente gestalten (24.10.2025).
Mögliche Lösungen sind höhere Beiträge, eine Absenkung des Rentenniveaus oder eine Erhöhung des Rentenalters. Eine abschließende und gesellschaftlich akzeptierte Lösung steht bislang aus – die politische Debatte hierzu bleibt weiterhin offen.
Laut der Deutschen Rentenversicherung (DRV) wird sich das Rentenniveau von heute rund 50 Prozent in den nächsten zehn Jahren auf etwa 45 Prozent vermindern. Das Rentenniveau beschreibt das Verhältnis zwischen der Standardrente und dem durchschnittlichen Jahresarbeitsentgelt.
Noch Ende der 1970er Jahre lag es bei knapp 60 Prozent. Bereits absehbar ist, dass die gesetzliche Rente allein zukünftig nicht ausreichen wird, um den Lebensstandard im Alter zu sichern.
Daraus ergibt sich ein wachsender Handlungsbedarf für Lebensversicherer: Sie sind gefordert, ihre Rolle als verlässlicher Partner in der ergänzenden Altersvorsorge weiter auszubauen und mit innovativen Produkten die zunehmenden Versorgungslücken gezielt zu schließen.
Neben den Chancen, die sich aus der Entwicklung der gesetzlichen Rente ergeben, bringt der demografische Wandel auch Herausforderungen für die Lebensversicherer mit sich.
Laut einer Studie des GDV wird der Bereich der Lebensversicherungen bis zum Jahr 2040 einen Rückgang der Beiträge von fünf Prozent verzeichnen (16.10.2023). Berücksichtigt wurden private Rentenversicherungen, kapitalbildende Lebensversicherungen und Risikolebensversicherungen.
Ursache hierfür ist vor allem der Rückgang der erwerbstätigen Bevölkerung.
Während klassische kapitalbildende Lebensversicherungen an Bedeutung verlieren, wird die Nachfrage nach privaten Rentenversicherungen voraussichtlich um 40 Prozent steigen.
Lebensversicherer haben die Möglichkeit, ihr Produktportfolio zu modernisieren und stärker auf flexible, lebensphasenorientierte Vorsorgelösungen auszurichten. Gefragt sind flexible Rentenprodukte, die etwa dynamische Auszahlungsmodelle oder eine Koppelung an die Pflegebedürftigkeit ermöglichen.
Zudem rücken hybride Modelle in den Fokus, die klassische kapitalbildende Lebensversicherungen mit Rentenkomponenten verbinden. Gleichzeitig gilt es, über längere Zeiträume hinweg verlässliche Leistungen sicherzustellen – das stellt hohe Anforderungen an Kapitalanlage und Risikomanagement.
Die Versicherungswirtschaft befindet sich auch auf Ebene der Unternehmen in einem tiefgreifenden Wandel. Digitale Technologien verändern Prozesse, Produkte und Kundenbeziehungen.
KI-gestützte Risikobewertungen, automatisierte Schadensregulierung und personalisierte Services sind längst gelebte Praxis. Wer heute effizient und kundenorientiert arbeiten will, kommt an digitalen Lösungen nicht vorbei.
Auch Nachhaltigkeit spielt eine immer größere Rolle. Kunden erwarten ethische Investments und transparente Produkte. ESG-konforme Versicherungen, die ökologische und soziale Kriterien berücksichtigen, bieten Differenzierungspotenzial – besonders bei jüngeren Zielgruppen.
Auch die Nachfrage nach integrierten Vorsorgelösungen wächst spürbar. Gefragt sind Kombiprodukte, die Altersvorsorge, Pflegeabsicherung und Erbplanung intelligent miteinander vereinen.
Dazu gehören Rentenversicherungen mit Pflegebausteinen, Reiseversicherungen für Senioren oder Sachversicherungen für barrierefreie Umbauten.
Versicherer erweitern ihr Portfolio auch in neue Bereiche – etwa Lösungen für altersgerechte Wohnprojekte, Erbpachtmodelle oder robotergestützte Pflegedienstleistungen.
Parallel dazu wächst die Notwendigkeit, die unterschiedlichen Generationen mit ihren jeweiligen Wertvorstellungen, Lebensentwürfen und Erfahrungen differenziert anzusprechen. Diese Faktoren prägen nicht nur Konsumverhalten, Mediennutzung und Freizeitgestaltung, sondern auch den Umgang mit Versicherungen – von der Produktwahl bis zur Kommunikationspräferenz. Versicherer sind gefordert, ihre Geschäfts- und Vertriebsstrategien stärker nach Altersgruppen zu segmentieren.
„Internationale Ansätze liefern wichtige Impulse für die Weiterentwicklung des deutschen Systems und zeigen: Demografie verlangt kreative Antworten.“
Denn die Generation Z stellt die Versicherungsbranche vor besondere Herausforderungen (5.5.2025). Laut aktuellen Umfragen beschäftigt sich diese Zielgruppe nur ungern mit klassischen Versicherungsthemen. Während früher der persönliche Kontakt im Vordergrund stand, sind heute digitale Vertriebskanäle und Kooperationen mit Insurtech-Anbietern Standard (3.11.2025).
Gleichzeitig gewinnen integrierte Versicherungsprodukte an Bedeutung (5.6.2025). Hierbei wird die Versicherung nicht mehr als Hauptprodukt, sondern als sinnvoller Zusatzservice angeboten, wie etwa die Reiserücktrittsversicherung bei der Flugbuchung oder die Zahnzusatzversicherung beim Kauf einer elektrischen Zahnbürste.
Ein Blick ins Ausland zeigt weitere Lösungsansätze. Länder wie Japan oder Italien haben eigene Strategien entwickelt, um mit dem demografischen Wandel umzugehen, etwa generationenübergreifende Vorsorgemodelle oder innovative Pflegekonzepte. Solche internationalen Ansätze liefern wichtige Impulse für die Weiterentwicklung des deutschen Systems und zeigen: Demografie verlangt kreative Antworten.
Nicht zuletzt ist die finanzielle Bildung ein entscheidender Faktor für nachhaltige Vorsorge. Viele Menschen wissen wenig über ihre Vorsorgesituation. Versicherer können hier mit verständlicher Kommunikation und gezielten Kampagnen Vertrauen schaffen und die Eigenverantwortung stärken.
Die Herausforderungen sind groß: vom Fachkräftemangel über Kostendruck bis hin zu regulatorischen Anforderungen und einem sich wandelnden Konsumverhalten. Doch sie bieten auch Chancen – für Innovation, Wachstum und gesellschaftliche Verantwortung. Die Versicherungswirtschaft kann und muss eine aktive Rolle in der Gestaltung einer zukunftsfähigen Vorsorge übernehmen.
Die Autoren sind Aktuare im Versicherungsteam der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft Forvis Mazars GmbH & Co. KG.
| Dieser Artikel ist ein Auszug aus dem VersicherungsJournal-Extrablatt 4|2025. Darin wird berichtet, wie Versicherungsvermittler den Babyboomern der Geburtsjahrgänge 1957 bis 1968 dabei helfen können, Vermögen zu übertragen, für den Pflegefall vorzusorgen und Hinterbliebene abzusichern. Konkret geht es beispielsweise ums clevere Vererben mit Generationenversicherungen und darum, wie ein Supervermächtnis vermeidbare Steuern spart. Das Heft „Zielgruppe Senioren – Wachstumschancen mit reifen Kunden“ steht seit dem 27. Oktober im Internet zum Herunterladen (PDF; 3,5 MB) bereit. Die zukünftigen Druckausgaben können über dieses Formular bestellt werden. Das Heft ist – im Inlandsbezug – kostenfrei. Premium-Abonnenten des VersicherungsJournals werden bevorzugt bedient und können rund eine Woche früher auf die neue Ausgabe im PDF-Format zugreifen. |
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