Milliardendefizit bereits 2026: Kommt die verpflichtende private Pflegeversicherung?

8.7.2025 – Bundesgesundheitsministerin Nina Warken schließt im ZDF-Morgenmagazin eine erneute Beitragsanpassung in der sozialen Pflegeversicherung zum Januar nicht aus, sollten keine weiteren Haushaltsmittel bereitgestellt werden. Offen zeigt sie sich gegenüber einer verpflichtenden privaten Pflegeversicherung.

Die Bund-Länder-Kommission für eine Pflegereform ist am Montag zu ihrer ersten Sitzung zusammengekommen. Das Ziel der Beratungen ist, die soziale Pflegeversicherung (SPV) finanziell zu stabilisieren und zukunftsfest aufzustellen.

Die Kommission war von CDU/CSU und SPD in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart worden (VersicherungsJournal 9.4.2025). Sie soll dem Papier zufolge eine „große Pflege-Reform“ erarbeiten und ihre Ergebnisse noch 2025 vorlegen. Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU) hatte vor knapp zwei Wochen den Beginn der Beratungen angekündigt (VersicherungsJournal 27.6.2025).

Bundesrechnungshof erwartet im kommenden Jahr Milliardendefizit

Die Lage der sozialen Pflegeversicherung (SPV) verschärft sich weiter – trotz Beitragserhöhung zu Beginn des Jahres (20.12.2024). Diese Anpassung generiert allein Mehreinnahmen in Höhe von rund 3,7 Milliarden Euro jährlich.

Jedoch klaffte bereits im ersten Quartal eine Lücke von rund 90 Millionen Euro. Eigentlich war für das gesamte Jahr 2025 mit einem Minus von 160 Millionen Euro gerechnet worden, so der Spitzenverband Bund der Krankenkassen (GKV-Spitzenverband) (20.6.2025).

Im Haushaltsentwurf 2025 von Bundesfinanzminister Lars Klingbeil (SPD) sind Darlehen zur Stabilisierung der SPV vorgesehen. So soll der Ausgleichsfonds der SPV in diesem Jahr aus dem Bundeshaushalt ein überjähriges Darlehen in Höhe von 0,5 Milliarden Euro erhalten, weitere 1,5 Milliarden Euro im nächsten Jahr (26.6.2025).

Die Finanzspritzen werden jedoch nicht ausreichen. Für das Jahr 2026 erwartet der Bundesrechnungshof ein Defizit von 3,5 Milliarden Euro. Ohne Strukturreformen klettert das Minus dann bis 2029 auf 12,3 Milliarden Euro. Diese Zahlen wurden am Montag im ZDF-Morgenmagazin bekannt.

Wenn wir nicht weitere Mittel bekommen, ist eine Beitragssatzsteigerung zu befürchten.

Bundesgesundheitsministerin Nina Warken

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Deckelung der Eigenanteile für einen Pflegeheimplatz wird beraten

Nina Warken (Bild: Tobias Koch)
Nina Warken (Bild: Tobias Koch)

In der Sendung war Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU) zu Gast. Sie forderte „kurzfristig noch mehr Unterstützung aus dem Haushalt“, bis die Ergebnisse der Kommission, die in den nächsten Monaten erarbeitet würden, wirken könnten.

Eine erneute Beitragsanpassung schloss sie nicht aus. „Wenn wir im parlamentarischen Verfahren nicht weitere Mittel bekommen, ist eine Beitragssatzsteigerung ab Januar zu befürchten“, sagte sie. Die wolle man aber gerne abwenden.

Im Koalitionsvertrag habe man vereinbart, einen Deckel hinsichtlich der hohen Eigenanteile für einen Pflegeheimplatz in den Blick zu nehmen. Hier müsse man aber schauen. Vielleicht könne es einen Deckel beim Anteil für Pflege und Betreuung geben.

„Wir müssen insgesamt schauen, welche Leistungen können wir uns künftig noch leisten, wie bringen wir Stabilität in das System, ohne die Menschen durch Kostensteigerungen immer weiter zu belasten“, sagte sie.

Arbeitsgruppe für eine Pflegereform hat keine Denkverbote

Auf die Frage, ob mit ihr eine Bürgerversicherung für die Pflege zu machen sei, antwortete Warken: „Das ist nicht Auftrag oder Ansatz dieser Arbeitsgruppe. Und damit sind auch Probleme am Ende des Tages nicht gelöst.“ So sei auch Prävention wichtig, damit Menschen erst gar nicht pflegebedürftig werden. Man brauche zudem Fachkräfte.

„Es gibt in dem Bereich ganz viele Dinge in den Blick zu nehmen. Das soll die Arbeitsgruppe tun und hat dazu einen breiten Auftrag – und hat auch keine Denkverbote“, so die Bundesgesundheitsministerin.

Das ist ein Ansatz, der verfolgt werden soll: Anreize schaffen für private Vorsorge, vielleicht auch Verpflichtung.

Bundesgesundheitsministerin Nina Warken

Kommission teilt sich in zwei Facharbeitsgruppen auf

Offen zeigte sie sich gegenüber einer verpflichtenden privaten Pflegeversicherung, wie sie beispielsweise der Experten-Rat „Pflegefinanzen“ vorschlägt. Der Rat wurde vor drei Jahren vom Verband der Privaten Krankenversicherung e.V. (PKV-Verband) initiiert.

„Das ist ein Ansatz, der verfolgt werden soll: Anreize schaffen für private Vorsorge, vielleicht auch Verpflichtung in dem Bereich schaffen. Das ist sicherlich ein Punkt, den die Kommission beleuchten wird und der dringend nötig sein wird, um das System zukunftsfest zu gestalten“, so Warken.

Die Bund-Länder-Kommission wird den Angaben der Ministerin zufolge zwei Facharbeitsgruppen bilden, die in den nächsten Monaten wöchentlich tagen und sich mit allen Beteiligten auseinandersetzen sollen. „Wir wollen tatsächlich zu Ergebnissen kommen“, sagte sie.

Experten-Rat empfiehlt obligatorische Zusatzversicherung

Einer dieser Beteiligten könnte der Experten-Rat „Pflegefinanzen“ sein. Dieser hat am Montag zum Start der Bund-Länder-Kommission ein Update seiner bereits 2023 entworfenen „Pflege-Plus-Versicherung“ (18.4.2023) vorgelegt. In einer Pressemitteilung wird es als ein tragfähiges Konzept bezeichnet, das generationengerecht, realistisch kalkuliert und sofort umsetzbar sei.

Der aktualisierte Entwurf sieht die Einführung einer obligatorischen, kapitalgedeckt finanzierten Zusatzversicherung vor, die die pflegebedingten Eigenanteile in der stationären Versorgung absichern soll. Ferner ist geplant, dass für die Anbieter der „Pflege-Plus-Versicherung“ Annahmezwang ohne Gesundheitsprüfung und ohne Vertriebsprovisionen besteht.

Die mit Echt-Daten kalkulierten Neubeiträge für einen Starttermin im Jahr 2026 berücksichtigen eigene Angaben zufolge den in den vergangenen drei Jahren zu beobachtenden signifikanten Kostenanstieg in der stationären Pflege. Die Eckpunkte sind:

  • „Die Beiträge berücksichtigen von Anfang an die zu erwartenden Kostensteigerungen in der Pflege. Mit dem Einkalkulieren der pflegespezifischen Inflation ist ein wirksamer Schutz vor der Entwertung der Pflegeleistungen gegeben.
  • Die Beiträge sind sozialpolitisch flankiert. Kinder sind beitragsfrei versichert. Rentner*innen zahlen nur den halben Beitrag. Bei Hilfebedürftigkeit ist eine Beitragsreduktion auf bis zu null Euro möglich.
  • Die Einstiegsbeiträge zum Einführungszeitpunkt der Versicherung sind nach Altersgruppen gestaffelt. Für junge Versicherte im Alter von 20 Jahren liegt der Beitrag bei 44 Euro monatlich und steigt mit zunehmendem Einstiegsalter auf bis zu 64 Euro. Bei Arbeitnehmern wird jeweils die Hälfte des Beitrags vom Arbeitgeber übernommen. Arbeitnehmer und Arbeitgeber zahlen dann jeweils – je nach Altersgruppe – zwischen 22 Euro und 32 Euro monatlich. Mit Eintritt ins Rentenalter reduziert sich der Beitrag für alle Versicherten auf die Hälfte des zuvor gezahlten Beitrags.“
Versicherungsumfang und Beiträge der Pflege-Plus-Versicherung im Einführungsjahr; Kalkulationsgrundlagen: Leistungsdynamisierung: 3,7 Prozent; Beitragserhöhung: 2,0 Prozent; Rechnungszins: 2,5 Prozent; Quelle: Die Pflege-Plus-Versicherung (Bild: Experten-Rat „Pflegefinanzen“)
Versicherungsumfang und Beiträge der Pflege-Plus-Versicherung im Einführungsjahr; Kalkulationsgrundlagen: Leistungsdynamisierung: 3,7 Prozent; Beitragserhöhung: 2,0 Prozent; Rechnungszins: 2,5 Prozent; Quelle: Die Pflege-Plus-Versicherung (Bild: Experten-Rat „Pflegefinanzen“)

Pflegeversicherung für die Baby-Boomer-Generation vorbereiten

Jürgen Wasem (Bild: privat)
Jürgen Wasem (Bild: privat)

Denkbar sei eine versichertenindividuelle Lösung, aber auch eine Gruppenversicherung im Rahmen einer betrieblichen Pflegeversicherung, wird berichtet. In dieser Form würde der gesamten Belegschaft inklusive den Familienangehörigen Versicherungsschutz gewährt werden. Dabei ließen sich Größen- und Beitragsvorteile erzielen.

„Die Politik sollte jetzt ins Handeln kommen“, heißt es in der Pressemitteilung. Man warne vor weiterem Zögern der Politik vor generationengerechten Strukturreformen: „Uns läuft die Zeit davon, die Pflegeversicherung für die Baby-Boomer-Generation vorzubereiten“, wird Professor Dr. Jürgen Wasem von der Universität Duisburg-Essen zitiert.

Wasem ist Vorsitzender der Gruppe. Dazu gehören außerdem Professor Dr. Christine Arentz von der Technischen Hochschule Köln, Professor Dr. Thies Büttner von der Universität Erlangen-Nürnberg und Professor Dr. Christian Rolfs von der Universität zu Köln. Ebenso Constantin Papaspyratos vom Bund der Versicherten e.V. (BdV).

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