Wann ein Kreuzbandriss bei einem Profisportler kein Arbeitsunfall ist

14.7.2025 – Ein Eishockeyspieler hatte sich im Urlaub beim Joggen verletzt und wollte dies als berufsbedingt anerkannt bekommen. Doch die Berufsgenossenschaft lehnte ab, da das Erhalten der Fitness im Urlaub nicht versichert sei. Dieser Sichtweise schloss sich das Sozialgericht Landshut an.

Ein in Deutschland unter Vertrag stehender professioneller Eishockeyspieler zog sich beim abendlichen Joggen auf einem Waldweg in Oberbozen in Südtirol einen Kreuzbandriss am linken Knie zu. Sein Verein teilte der Berufsgenossenschaft drei Tage später mit, dass sich der Spieler im Rahmen des Off-Ice-Trainings verletzt habe.

Der Anwalt des Profisportlers beantragte vier Monate später, das Unfallereignis als Versicherungsfall gemäß § 7 Absatz 1 SGB VII und § 8 SGB VII anzuerkennen, die Gesundheitsschäden festzustellen und für den Zeitraum der Arbeitsunfähigkeit Verletztengeld zu gewähren.

Zur Begründung gab er an, dass sein Mandant im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit als Eishockeyspieler einen Arbeitsunfall erlitten habe. Es habe zu diesem Zeitpunkt ein Beschäftigungsverhältnis bestanden. Sein Mandant sei gemäß § 7 SGB IV in die regelmäßigen Trainingseinheiten und Wettkampfspiele des Vereins weisungsabhängig eingebunden gewesen.

Fitnesszustand wird zum Trainingsauftakt per Laktattest überprüft

Der Träger der gesetzlichen Unfallversicherung fragte beim Sportdirektor des Vereins nach. Dieser gab an, dass grundsätzlich alle Spieler nach dem letzten Saisonspiel drei Wochen Urlaub bekommen würden und für diese Zeit meistens einen Trainingsplan zur Erhaltung der Fitness erhielten. Dieser werde von den Athletiktrainern erstellt.

Beim offiziellen Trainingsbeginn würde dann ein Laktattest zur Überprüfung des Fitnesszustandes durchgeführt. Es läge im eigenen Interesse des Spielers, fit aus dem Urlaub zu kommen. Dadurch erhöhten sich die Chancen auf Einsätze in der Deutschen Eishockey Liga (DEL) und die daraus resultierenden Prämien.

Der verletzte Spieler habe bis zehn Tage vor dem Unfallereignis an der Eishockey-Weltmeisterschaft teilgenommen. Deshalb habe er entgegen den anderen Spielern erst danach für drei Wochen Urlaub gehabt.

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Berufsgenossenschaft bewertet den Auslandsaufenthalt als Urlaub

Daraufhin lehnte der Träger die Anerkennung eines Arbeitsunfalls und die Gewährung von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung ab. Zur Begründung hieß es, die Tätigkeit zum Unfallzeitpunkt könne nur als private Tätigkeit eines Profisportlers gewertet werden.

Der Spieler habe sich im Urlaub befunden. Für diese Zeit habe er zwar von seinen Fitnesstrainern einen Trainingsplan bekommen, auf dem für den Unfalltag eine insgesamt 75-minütige Laufeinhalt für den Morgen vorgesehen gewesen wäre. Der Kläger habe diese Trainingseinheit jedoch gegen Abend durchgeführt.

Bei nicht Absolvierung des Trainingsplanes ergeben sich in der Regel auch keine arbeitsrechtlichen Sanktionsmöglichkeiten.

Unfallversicherungsträger

Trainingsplan diente aus Sicht der Versicherung nur der Orientierung

Grundsätzlich gehörten fitnesserhaltende Aktivitäten von Beschäftigten in der Freizeit und im Urlaub, insbesondere von Hochleistungssportlern, nicht zu den direkten betrieblichen Pflichten und somit nicht zu den versicherten Tätigkeiten, wurde argumentiert.

Bei Profisportlern läge es hauptsächlich im persönlichen Interesse, in trainingsfreien Zeiten, wie Urlaub, die eigene Fitness zu erhalten. Bei mangelnder Fitness drohten dem Spieler hauptsächlich eine Reduzierung seiner Pflichtspieleinsätze und somit ein geringerer Prämienanspruch.

Der vorliegende Trainingsplan sei üblich im Profisport und diene der Orientierung und sei somit lediglich Vorschlag und Hinweis der Verantwortlichen des Arbeitgebers. Bei nicht Absolvierung oder Abänderung des Trainingsplanes ergäben sich in der Regel auch keine arbeitsrechtlichen Sanktionsmöglichkeiten.

Der Kläger habe die Freiheit, vom Trainingsplan in der Bestimmung von Ort, Zeit und Inhalt zu variieren. Entscheidend und wichtig für seinen Arbeitgeber und insbesondere für ihn selbst sei sein Fitnesszustand nach seiner Urlaubszeit bei Aufnahme des Mannschaftstrainings.

Eishockeyspieler fürchtete Abmahnung oder keine Vertragsverlängerung

Vier Jahre später stellte der verunglückte Eishockeyspieler bezüglich des Unfallereignisses auf dem Waldweg in Südtirol einen Überprüfungsantrag nach § 44 SGB X. Das Laktatergebnis zum offiziellen Trainingsbeginn hätte nicht nur über DEL-Einsätze und daraus resultierende Prämien entschieden, sagte er. Es hätten auch eine Abmahnung beziehungsweise keine Vertragsverlängerung gedroht.

Grundlage der Entscheidung der Berufsgenossenschaft sei eine falsche Sachverhaltsauslegung und irrige Annahme gewesen, der Spieler habe einen Urlaubsantrag gestellt oder habe sich im Urlaub freiwillig privat sportlich betätigen wollen. Der Trainingsplan und dessen Ausführung hätten im Interesse des Arbeitgebers gelegen.

Rein rechtlich würde es, hilfsweise angenommen, der Kläger hätte tatsächlich Urlaub gehabt, keinen Unterschied machen, wo und wann er für seinen Arbeitgeber betrieblich tätig geworden sei oder das „Sommertraining“ absolvierte. Bei den Feststellungen des Bescheides sei sowohl von einem Rechtsirrtum als auch ein einem Sachverhaltsirrtum auszugehen.

Die Aussage, der Spieler hat keinen Urlaub gemacht, widerspricht der Tatsache, dass der Kläger an seinem Heimatort gewesen ist.

Unfallversicherungsträger

Trainingsverpflichtung nur bei Anwesenheit auf dem Gelände des Vereins

Der Träger der gesetzlichen Unfallversicherung lehnte nach nochmaliger Überprüfung erneut ab. Und auch ein zweiter Widerspruch blieb erfolglos. Die Aussage, der Spieler hätte am Unfallort keinen Urlaub gemacht, widerspräche einer lebensnahen Betrachtung der Tatsache, dass der Kläger nach anstrengender Saison und WM-Teilnahme an seinem Heimatort gewesen sei, hieß es.

Unabhängig von ausdrücklichen Urlaubsanträgen gehe man weiterhin von einem privat motivierten Aufenthalt im Ausland aus. Der Kläger habe zwar grundsätzlich eine arbeitsvertragliche Verpflichtung, am Sommertraining teilzunehmen. Diese habe sich aber nach Auskunft des Arbeitgebers auf die Anwesenheit auf dem Trainingsgelände des Vereins bezogen.

Dem Kläger sei zwar ein individueller Trainingsplan in den Urlaub mitgegeben worden, jedoch belege die Tatsache, dass der Kläger sich hinsichtlich der Zeitvorgaben nicht danach gerichtet habe, die Unverbindlichkeit dieses Planes. Eine Entsendung durch seinen Arbeitgeber, wie zum Beispiel bei einem Trainingslager oder einer Turnierteilnahme in Italien, sei auszuschließen.

Sozialgericht weist Klage des Profi-Eishockeyspielers ab

Schließlich landete der Fall vor Gericht. Das Sozialgericht Landshut entschied schließlich, dass kein Anspruch auf Korrektur des bestandskräftigen Ablehnungsbescheides nach § 44 SGB X bestehe. Der Bescheid habe im Ergebnis zutreffend die Feststellung eines entschädigungspflichtigen Arbeitsunfalls im Sinne des § 8 SGB VII abgelehnt, heißt es zur Urteilsbegründung.

Im vorliegenden Fall habe zwar unstreitig eine Versicherung als Beschäftigter nach § 2 Absatz 1 Nr. 1 SGB VII vorgelegen. Der Sportler habe nach Überzeugung des Gerichts allerdings zum Zeitpunkt des angeschuldigten Ereignisses nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung gestanden.

Es bestehe erhebliche Zweifel daran, dass das Joggen als Konkretisierung der arbeitsvertraglichen Pflichten im Rahmen des Beschäftigungsverhältnisses zwingend auszuführen war, so das Sozialgericht Landshut. Eine Beschäftigung im Sinne des § 2 Absatz 1 Nr. 1 SGB VII werde verrichtet, wenn der Verletzte zumindest dazu ansetze, eine ihm gegenüber dem Unternehmen treffende Haupt- oder Nebenpflicht aus dem Beschäftigungsverhältnis tatsächlich zu erfüllen, heißt es im Urteil.

Ebenso, wenn er eine objektiv nicht geschuldete Handlung vornehme, um eine vermeintliche Pflicht aus dem Beschäftigungsverhältnis zu erfüllen, sofern er nach den besonderen Umständen seiner Beschäftigung zur Zeit der Verrichtung annehmen durfte, ihn treffe eine solche Pflicht.

Aus der arbeitsvertraglichen Vereinbarung erwuchs für den Kläger objektiv keine Verpflichtung zum abendlichen Joggen.

Sozialgericht Landshut

Gericht sieht keine Verpflichtung zum abendlichen Joggen

Sein Arbeitsvertrag habe die Pflichten aus dem Beschäftigungsverhältnis konkretisiert. Danach sei der Eishockeyspieler allgemein verpflichtet gewesen, seine sportliche Leistungsfähigkeit uneingeschränkt für den Club einzusetzen, alles zu tun, um sie zu erhalten und zu steigern.

Es habe die Verpflichtung bestanden, am Training – sei es allgemein vorgesehen oder sei es besonders angeordnet – und sonstigen der Spiel- und Wettkampfvorbereitung dienenden Veranstaltungen des Clubs teilzunehmen sowie sich auf alle sportlichen Veranstaltungen des Clubs gewissenhaft vorzubereiten.

Er sei ferner dazu verpflichtet gewesen, den Anweisungen des Trainers bezüglich der Lebensführung Folge zu leisten. Ebenso den Weisungen der vom Club eingesetzten Personen hinsichtlich der Teilnahme an Spielen, Trainingseinheiten, Spielvorbereitungen, medizinischen und sonstigen Behandlungen sowie aller sonstigen Veranstaltungen des Clubs Folge zu leisten.

„Aus dieser arbeitsvertraglichen Vereinbarung erwuchs für den Kläger zum Zeitpunkt des angeschuldigten Ereignisses objektiv keine Verpflichtung zum abendlichen ‚Joggen‘ und der Kläger durfte eine solche Pflicht nach den Umständen seiner Beschäftigung auch nicht vertretbar annehmen“, schreibt das Gericht.

Dass Joggen im weiteren Sinn als betriebsdienlich eingeschätzt werden kann, ist unerheblich.

Sozialgericht Landshut

Unverbindlichkeit des Trainingsplans spricht gegen versicherte Tätigkeit

Nach den arbeitsvertraglichen Regelungen sei der Beginn des Sommertrainings zwar auf acht Tage vor dem Unfallereignis festgelegt gewesen. Übliche Gestaltungspraxis sei aber, dass die Spieler erst drei Wochen nach dem letzten Wettbewerbsspiel das Sommertraining starten würden.

Vor dem Hintergrund seiner Teilnahme an der Weltmeisterschaft 2016 habe daher für den Kläger nach Überzeugung des Gerichts keine Verpflichtung bestanden, mit dem Sommertraining im Rahmen von Heimtrainingswochen zu beginnen.

Zwar habe der Arbeitgeber mit dem vorgelegten Trainingsplan auf die allgemeine Verpflichtung, die sportliche Leistungsfähigkeit und Fitness zu erhalten, hingewiesen. Gegen eine seiner versicherten Tätigkeit zuzurechnende Verrichtung spreche jedoch, dass der Spieler frei gewesen sei, den Ort, die Zeit und die Sportart zu bestimmen.

Für das Gericht handelte es sich beim Joggen nicht um einen versicherten Betriebssport. „Denn es ging hierbei nicht um den vom Unternehmen getragenen Ausgleich von betrieblichen Belastungen durch sportliche Betätigung, sondern um die Erhaltung der Fitness bei der Ausübung des Profisports. Dass dieser im weiteren Sinn als betriebsdienlich eingeschätzt werden kann, ist unerheblich, da ‚Betriebsdienlichkeit‘ keine Voraussetzung der Beschäftigtenversicherung ist“, so das Gericht.

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