3.4.2024 – Die Verbraucherzentrale Hamburg warnt Studierende vor Vertriebsmaschen von Finanzberatern. Insbesondere MLP steht in der Kritik. In Online- und Social-Media-Beiträgen raten die Verbraucherschützer, Verträge nicht voreilig abzuschließen.
Unflexibel, intransparent, wenig Rendite sowie unverhältnismäßig hohe Abschluss- und Verwaltungsgebühren: Aus Sicht des Verbraucherzentrale Hamburg e.V. (VZHH) gehen Geldanlage- und Versicherungsprodukte, die auf dem Campus von Universitäten angeboten werden, in der Regel am Bedarf der Studierenden vorbei. Deshalb raten die Verbraucherschützer von einem Abschluss ab.
Gerade zu Semesterbeginn, aber auch während der gesamten Vorlesungszeit seien Promotionsstände oder Seminarangebote von Finanzdienstleistern allgegenwärtig, heißt es in einer Pressemitteilung. Ziel der Unternehmen sei es, Studierende so früh wie möglich als potenzielle Kundengruppe zu erschließen.
Anfangs würden in der Regel nur Bewerbungstrainings, Seminare zu Steuererklärungen für Studierende oder Schulungen für gängige Software angeboten. Für die ganz frisch Eingeschriebenen gebe es kleine Geschenke in der berühmten „Ersti-Tüte“. Mitunter werde man auch mal von den Kumpeltypen zum Segeln oder Golfen eingeladen.
„Ist der Kontakt dann einmal hergestellt und das Vertrauen gewonnen, versuchen die Vertriebler, ihre Altersvorsorge- und Versicherungsprodukte an die Studierenden zu verkaufen“, sagt Sandra Klug, Abteilungsleiterin Geldanlage, Altersvorsorge und Versicherungen bei der VZHH.
Das Standardprodukt, das Studierenden am häufigsten auf dem Campus angeboten werde, sei die Basisrente, gerne in Kombination mit einer Risikoabsicherung wie einer Berufsunfähigkeits- (BU-) Versicherung.
Derartige Kombiprodukte maximieren nur die Provision der Vermittler.
Sandra Klug, Verbraucherzentrale Hamburg
„Derartige Kombiprodukte maximieren aber nur die Provision der Vermittler. Für Verbraucherinnen und Verbraucher ist es dagegen wichtig, die Risikoabsicherung und den Kapitalaufbau voneinander zu trennen. Das Leben und die Erwerbsverläufe sind nicht planbar, schon gar nicht über Jahre und Jahrzehnte“, so Klug.
Ein Rürup-Vertrag sei nicht kündbar und binde Vermögen jahrelang auch in Situationen, in denen vielleicht ein flexiblerer Umgang gewünscht sei, beispielsweise für die Immobilienfinanzierung, eine berufliche Umorientierung oder eigene Kinder. Sparer müssten oft 95 Jahre und älter werden, bis sie ihre Einzahlungen in Form von Renten zurückerhalten hätten.
Das zentrale Vertriebsargument der Steuervorteile wiege aus Sicht der Verbraucherschützer die mit dem Produkt verbundenen Nachteile nicht auf, zumal die Rente versteuert werden müsse.
Auch die Praxis, „Ratsuchenden in den Versicherungsverträgen häufig eine viel zu hohe Dynamisierung der Beitragszahlungen unterzuschieben“, wird kritisiert. Die jährliche Beitragserhöhung löse automatisch auch in Zukunft neue, stattliche Provisionszahlungen der Versicherer an die Finanzvertriebe aus, heißt es bei der VZHH.
Die dadurch verursachten Abschlusskosten bewirkten, dass derartige Verträge sogar auf Sicht von über zehn Jahren noch Minusrenditen verursachen könnten.
Um ihren Warnungen mehr Nachdruck zu verleihen, haben alle Verbraucherzentralen jetzt eine bundesweite Informationskampagne gestartet. Entwickelt wurde die Kampagne im Rahmen des Projektes „Wirtschaftlicher Verbraucherschutz“, das vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV) gefördert wurde.
Neben Beiträgen auf den Webseiten der Verbraucherschützer, die „wichtige Informationen zu den Maschen der Finanzdienstleister“ enthalten, umfasst die Kampagne unter anderem auch Videos und einen Podcast.
Thematisiert wird unter anderem eine nach eigenen Angaben wahre Geschichte. Darin trifft ein Informatikstudent auf seinem Uni-Campus zufällig auf einen Info-Stand der MLP SE.
Eine Vertriebsmitarbeiterin weist ihn auf seine Versorgungslücken hin und rät ihm zum Abschluss einer BU-Versicherung. Damit diese auch Ertrag und steuerliche Vorteile bringt, schlägt sie eine Kombination mit einer Rentenversicherung vor.
Die Beiträge sind mit knapp 28 Euro pro Monat anfangs günstig und steigen ab dem dritten Jahr auf 93 Euro monatlich. Außerdem wird eine jährliche Erhöhung von zehn Prozent vereinbart. Zum Ende der Vertragslaufzeit wären mehr als 1.540 Euro monatlich zu zahlen gewesen. Die Abschlusskosten des Vertrages liegen bei über 8.000 Euro, plus Verwaltungskosten, rechnet die VZHH vor.
Die Praxis von MLP, den Campus für Kundenwerbung zu nutzen, steht seit Langem in der Kritik. So forderte Britta Langenberg, Expertin für Vorsorge und Versicherung beim Bürgerbewegung Finanzwende e.V. bereits vor vier Jahren in einem Interview mit dem VersicherungsJournal: „Öffentliche Universitäten sollten nicht das Wohnzimmer von MLP sein“ (VersicherungsJournal 9.4.2020).
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