Kaskoversicherung: Ab wann gilt ein Diebstahl als versichert?

27.11.2025 – Kann ein Versicherungsnehmer nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit nachweisen, dass zum Zeitpunkt der Entwendung bereits Versicherungsschutz bestand und das äußere Bild eines Diebstahls vorliegt, muss die Kaskoversicherung den Schaden nicht ersetzen. Das hat das Landgericht Frankfurt mit einem Urteil bestätigt.

Ein inzwischen verstorbener Mann erwarb am 10. März 2022 in Frankreich einen Wohnwagen zum Kaufpreis von 30.000 Euro. Am selben Tag fuhr er ihn zu seinem französischen Wochenendgrundstück und stellte ihn dort ab. Gegen 18:00 Uhr verließ er das Grundstück.

Möglicher Diebstahl zeitlich nur bedingt eingrenzbar

Am nächsten Tag rief der Mann seine Versicherungsagentur an, ließ sich eine eVB-Nummer geben und meldete das Fahrzeug am 15. März – also vier Tage später – um. Er schloss eine Kaskoversicherung ab. Doch bereits am 16. März informierte ihn sein Bruder per Telefon, dass der Wohnwagen verschwunden sei.

Daraufhin meldete der Mann den mutmaßlichen Diebstahl seiner Kaskoversicherung. Er argumentierte, der Versicherer müsse den Schaden ersetzen, auch wenn er den genauen Entwendungszeitpunkt nicht bestimmen könne – also ob der Diebstahl noch vor oder erst nach Beginn des Versicherungsschutzes passiert sei.

Dabei berief sich der Mann darauf, dass im vorliegenden Fall § 830 Absatz 1 BGB sowie § 78 VVG zur Annahme bestehenden Versicherungsschutzes anzuwenden seien. Er argumentierte, diese Vorschriften führten dazu, dass Unklarheiten über den genauen Entwendungszeitpunkt beziehungsweise den Beginn des Versicherungsschutzes zu seinen Gunsten auszulegen seien.

Äußerer Anschein eines Diebstahls nicht nachweisbar

Nachdem sich der Kaskoversicherer geweigert hatte, den vermeintlichen Diebstahl zu ersetzen, kam auch das Landgericht Frankfurt mit Urteil vom 5. Juli 2025 (2-08 O 54/23) zu dem Ergebnis, dass der Mann keinen Anspruch auf die Versicherungsleistung hat. Auf das Urteil macht aktuell Jens Reichow, Partner der Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte in Partnerschaft mbB, auf dem Kanzleiblog aufmerksam.

Der Kläger könne bereits den Nachweis eines Versicherungsfalles nicht führen, so führt die zuständige 8. Zivilkammer aus. Demnach zweifelte der Versicherer an, ob überhaupt ein Diebstahl – wie geschildert – stattgefunden habe. Hierfür führt das Gericht folgende Gründe an:

  • Der Versicherungsnehmer ist beweispflichtig, dass tatsächlich ein Diebstahl erfolgte. Den Vollbeweis einer Entwendung des versicherten Wohnwagens könne der Kläger nicht erbringen, weil weder der Entwendungsfall polizeilich aufgeklärt wurde noch es Zeugen gibt, die unmittelbar die Entwendung selbst beobachtet haben.
  • Allerdings gelten in Entwendungsfällen für den Versicherungsnehmer Darlegungs- und Beweiserleichterungen. Hintergrund ist, dass er den eigentlichen Diebstahl in der Regel nicht mit Zeugen belegen kann. Deshalb genügt es, wenn ein sogenanntes „äußeres Bild“ feststeht – also ein plausibler äußerer Sachverhalt, der nach der Lebenserfahrung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf eine Entwendung im Sinne der Versicherungsbedingungen schließen lässt.
  • Im vorliegenden Fall konnte der Mann nur zwei Zeugen benennen: Eine Person hatte gesehen, wie er den Wohnwagen am mutmaßlichen Tatort abstellte. Sein Bruder berichtete später telefonisch, der Wohnwagen sei verschwunden. Der Bruder hatte das Mobil jedoch zuvor nie selbst dort gesehen. Damit blieb offen, ob der Wohnwagen nach dem Abstellen überhaupt noch bis zum Zeitpunkt des Verschwindens auf dem Grundstück stand.
  • Die Darlegungslast, ob zum Zeitpunkt eines Diebstahls bereits Versicherungsschutz bestand, liegt beim Versicherungsnehmer. Der Zeitraum vor Bestehen des Versicherungsschutzes war mit 102 Stunden aber deutlich länger als jener, in dem Schutz bestand – nämlich 33 Stunden.
  • Hier könne angenommen werden, dass sich der Diebstahl bereits vor Inkrafttreten des Versicherungsvertrages ereignet hatte. Unklarheiten gehen zulasten des Versicherungsnehmers, wie das Landgericht mit Bezug auf einen Beschluss des OLG Dresden vom 17. Dezember 2018 hervorhob (4 U 1759/18) (VersicherungsJournal 30.10.2019).

Äußeres Bild eines Diebstahls muss hinreichend bewiesen werden

„Das Urteil des LG Frankfurt zeigt, dass den Versicherungsnehmern zwar bereits eine Beweiserleichterung eingeräumt wird, ein hinreichendes äußeres Bild eines Diebstahls aber dennoch ausreichend bewiesen werden muss“, erläutert Fachanwalt Jens Reichow.

Besonders wenn sich der Diebstahl vor Bestehen des Versicherungsschutzes oder innerhalb eines großen Zeitraums ereignet haben kann, könne dieser Beweis problematisch werden, so Reichow weiter.

Problematisch kann ein solcher Nachweis zum Beispiel werden, wenn Diebe das Funksignal eines Autoschlüssels abfangen und sich so Zugang zum Fahrzeug verschaffen. In solchen Fällen fehlen oft typische Einbruchspuren. Auch das in manchen Kaskotarifen geforderte „Aufbrechen“ ist dann unter Umständen nicht erfüllt, wie ein Urteil des Amtsgerichts München zeigt (19.10.2020).

Schlagwörter zu diesem Artikel
AVB · Diebstahl · Versicherungsvertragsgesetz
 
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