Allianz darf fondsgebundene Riester-Renten nicht nur kürzen

11.12.2025 – Das höchste deutsche Zivilgericht hat entschieden, dass die Allianz Renten bei fondsgebundenen Riester-Policen nicht einseitig kürzen darf. Die Verträge müssten auch mögliche Verbesserungen vorsehen. Andernfalls würden die Versicherten unangemessen benachteiligt. Der Versicherer verzichtet bereits seit 2007 auf die umstrittene Klausel, die in ähnlicher Form auch von der Axa und der Zurich verwendet wurde.

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in seinem Urteil vom 10. Dezember 2025 (IV ZR 34/25) eine Klausel in den AVB einer fondsgebundenen Riester-Rentenversicherung für unwirksam erklärt.

Konkret ging es dabei um diese Formulierung, die die Allianz Lebensversicherungs-AG zwischen Juni und November 2006 in ihren Verträgen verwendet hatte:

„Wenn aufgrund von Umständen, die bei Vertragsabschluss nicht vorhersehbar waren, die Lebenserwartung der Versicherten sich so stark erhöht oder die Rendite der Kapitalanlagen (siehe § 25 Abs. 1 e Satz 4) nicht nur vorübergehend so stark sinken sollte, dass die in Satz 1 genannten Rechnungsgrundlagen voraussichtlich nicht mehr ausreichen, um unsere Rentenzahlungen auf Dauer zu sichern, sind wir berechtigt, die monatliche Rente für je 10.000 Euro Policenwert so weit herabzusetzen, dass wir die Rentenzahlung bis zu Ihrem Tode garantieren können.“

Verbraucherzentrale Baden-Württemberg klagte gegen die Allianz

Erzherzögliches Palais, Sitz des BGH (Bild: Comquat, CC BY-SA 2.0)
Erzherzögliches Palais, Sitz des Bundesgerichtshofs
(Bild: Comquat, CC BY-SA 2.0)

Diese Regelung berechtigte den Versicherer also in vorhersehbaren Situationen zwar einerseits dazu, den im Versicherungsschein genannten Rentenfaktor – und damit die zu zahlende Monatsrente – zu senken. Andererseits musste er seine Zahlungen aber nicht erhöhen, wenn sich die Lage besserte.

Mit Verweis auf diese Klausel hatte die Allianz den Rentenfaktor in den betroffenen Riester-Fondspolicen mehrfach herabgesetzt. Hiergegen klagte der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg e.V. (VZBW), weil die Klausel die Kunden unangemessen benachteilige.

Die Verbraucherschützer beantragten, dem Versicherer zu untersagen, sich Verbrauchern gegenüber auf diese oder eine inhaltsgleiche Klausel zu berufen (VersicherungsJournal 24.3.2023). Das Landgericht Stuttgart hatte die Klage mit seinem Urteil vom 10. Juli 2023 (53 O 214/22) abgewiesen.

Doch die Kläger gingen in Berufung und das Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart hat die Entscheidung der Vorinstanz abgeändert. Mit seinem Urteil vom 30. Januar 2025 (2 U 143/23) hat es dem Versicherer unter Androhung von Ordnungsmitteln untersagt, die Klausel anzuwenden (31.1.2025).

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Revision gegen OLG-Urteil vor dem BGH eingelegt

Daraufhin legte die Allianz Revision gegen dieses Urteil, die der BGH nun jedoch im Wesentlichen zurückgewiesen hat. Der Versicherer darf sich demnach weiterhin nicht auf die beanstandete oder eine inhaltsgleiche Klausel berufen.

Darüber hinaus hatte das OLG dem Lebensversicherer die „Verwendung inhaltsgleicher Bestimmungen in sonstiger Weise in Allgemeinen Geschäftsbedingungen“ untersagt. Diese Vorgabe haben die Karlsruher Richter jetzt wiederum aufgehoben.

„Davon abgesehen hält das Berufungsurteil einer rechtlichen Nachprüfung stand“, heißt es in einer aktuellen BGH-Pressemitteilung. „Die beanstandete Klausel ist als Allgemeine Geschäftsbedingung wegen Verstoßes gegen § 308 BGB und § 307 BGB unwirksam.“

Herabsetzung des Rentenfaktors einseitiges Recht

Denn sie gewähre dem Versicherer durch die Herabsetzung des Rentenfaktors ein einseitiges Recht, die versprochene Leistung neu zu bestimmen. „Die Vereinbarung der Änderung ist den Versicherungsnehmern, auch unter Berücksichtigung der Interessen des beklagten Versicherers, nicht zumutbar.“

Bei fondsgebundenen Policen könne ein Versicherer zwar nicht vermeiden, dass während der oft langen Laufzeiten Störungen auftreten, so dass die versprochenen Kapitalerträge nicht zu erwirtschaften sind. Es sei aber unzumutbar, wenn der Versicherer die Leistung nur kürzen darf und nicht auch entsprechend erweitern muss, falls sich die Umstände nachträglich verbessern.

„Insoweit gilt das sogenannte Symmetriegebot“, erklärt der BGH. „Es verpflichtet den Versicherer, der den Rentenfaktor aufgrund von Verschlechterungen der Umstände herabgesetzt hat, spätere Verbesserungen der Umstände in vergleichbarer Weise an die Versicherungsnehmer weiterzugeben.“

Dies widerspreche auch nicht den speziellen Regeln des § 163 VVG. Denn dieser Vorschrift sei kein Maßstab für die Inhaltskontrolle eines Rechts zur Herabsetzung eines Fondspolicen-Rentenfaktors zu entnehmen, das in den Versicherungsbedingungen enthalten ist.

Überschussbeteiligung steht nicht fest

Die Interessen der Kunden würden laut BGH „auch nicht auf andere Weise in einem Umfang gewahrt, dass ein Recht auf Wiederheraufsetzung des Rentenfaktors in den Versicherungsbedingungen entbehrlich wäre“.

Wenn sich die Kapitalanlagen gut entwickeln, erzielt der Versicherer zwar Überschüsse, an denen die Sparer beteiligt werden. „Es steht aber nicht fest, dass diese Überschussbeteiligung einen ausreichenden Umfang erreicht“, gibt der BGH zu bedenken.

„Denn die Überschüsse hängen von Unternehmenskennzahlen des beklagten Versicherers ab und dürfen erst nach Abzug eines auf ihn entfallenden Anteils an die Versicherungsnehmer verteilt werden.“

Kein Ausgleich für den fehlenden Anspruch

Ebenso schaffe die Möglichkeit der Kunden, einmalige Zuzahlungen zu leisten oder dauerhaft mehr Prämie zu zahlen, keinen entsprechenden Ausgleich. „Die Höhe dieser Zahlungen ist nach den Versicherungsbedingungen mit Blick auf die steuerliche Förderung der Versicherung beschränkt.“

Die Karlsruher lassen auch nicht gelten, dass die Allianz ihren Kunden in der Vergangenheit zugesichert hat, den Rentenfaktor bei verbesserten Umständen nach oben anzupassen. Dies gleiche die vertraglich vereinbarte Benachteiligung bei schlechter Marktlage nicht aus.

„Die beanstandete Klausel sieht keine Verpflichtung des beklagten Versicherers zur Abgabe einer solchen Erklärung vor“, begründet der BGH. Somit sei „nicht sichergestellt, dass er sich auch bei zukünftigen Herabsetzungen des Rentenfaktors entsprechend erklären wird“.

Allianz garantiert seit 2007 auch Rentenerhöhungen

Die Allianz betont in einer Pressemitteilung zu dem BGH-Urteil, dass bereits seit 2007 alle ihrer Rentenversicherungsverträge eine geänderte Regel zur Anpassung von Rentenfaktoren enthalten. Damit besteht in den Versicherungsbedingungen auch eine Pflicht, die Renten wieder zu erhöhen.

„Eine Anpassung des Rentenfaktors zur Berechnung der Rente greift nicht in Garantiezusagen von Allianz Leben ein“, heißt es von dem Unternehmen weiter. „Allianz Leben steht zu allen vertraglichen Zusagen und Garantien.“ Ebenso bleibe der Vertragswert der Kunden, der „Policenwert“, unverändert.

Wichtig ist dem Lebensversicherer auch, zu betonen, dass der Rentenfaktor zwar auf einen Teil der zukünftigen Rentenleistung Einfluss hat. Entscheidend sei aber die Gesamtrente, die in der Regel über dem garantierten Anteil liegt.

Auch Axa und Zurich verwendeten kritisierte Klauseln

Britta Langenberg (Bild: Finanzwende)
Britta Langenberg (Bild: Finanzwende)

„Bundesweit dürfte das Urteil auf zigtausend Verträge mit Rentenkürzungen ausstrahlen“, ordnet Britta Langenberg, Leiterin Verbraucherschutz beim Bürgerbewegung Finanzwende e.V., die rechtskräftige Entscheidung des höchsten deutschen Zivilgerichts ein.

Neben der Allianz habe beispielsweise die Axa Versicherungsgruppe „ähnliche Klauseln verwendet, um Riester-Renten ihrer Kunden nachträglich zu kappen“, erklärt Langenberg. „Der Bundesgerichtshof gibt im langjährigen Streit um Rentenkürzungen eine klare Richtung vor.“

Gemeinsam mit dem Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen e.V. geht Finanzwende derzeit mit einer Unterlassungsklage auch gegen Rentenkürzungen der Zurich Deutscher Herold Lebensversicherung AG vor. Dieses Verfahren vor dem Oberlandesgericht Köln (20 UKl 2/24) ist noch anhängig.

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