17.7.2025 – Das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen entschied, dass ein Fahrzeughalter 18 Monate lang ein Fahrtenbuch führen muss, weil er bei der Aufklärung zweier erheblicher Verkehrsverstöße nicht mitgeholfen hat. Entscheidend war, dass der Halter trotz mehrfacher Nachfrage nicht zur Feststellung des verantwortlichen Fahrers beitrug.
Innerhalb von zwei Tagen wurde ein Auto zweimal in Düsseldorf geblitzt. Zunächst wurde das Fahrzeug innerorts mit neun Kilometer pro Stunde über dem erlaubten Tempolimit gemessen, während der Fahrer gleichzeitig mit dem Handy in der Hand telefonierte. Am darauffolgenden Abend wurde derselbe Pkw erneut geblitzt, als er an einer anderen Stelle in der Stadt die dort zulässige Geschwindigkeit um 21 km/h überschritt.
Jeder Fall wäre eigentlich mit einem Punkt im Flensburger Fahreignungsregister (FAER) sowie mit Bußgeld zu ahnden.
Nachdem der Kfz-Halter den von der Bußgeldstelle zugestellten Anhörungsbogen nicht beantwortete, erließ die Behörde Bußgeldbescheide. Gegen diese legte der Betroffene Einspruch ein. Er verwies dabei auf ein als Ausdruck beigelegtes E-Mail.
Mit dieser E-Mail teilte er der Behörde zwar mit, dass er zur Tatzeit nicht der Fahrer des Fahrzeugs war. Allerdings bezog sich diese Nachricht auf einen früheren Verkehrsverstoß, der sich einige Tage vor dem ersten neuen Vorfall ereignet hatte.
Auf erneute Nachfragen, wer tatsächlich gefahren sei, reagierte er wiederum nicht. Die Behörde konnte den Fahrer nicht feststellen und stellte die Bußgeldverfahren ein. Allerdings blieb der Vorgang nicht ohne Folgen für den Kfz-Halter.
Da die Verkehrsverstöße nicht aufgeklärt werden konnten, ordnete die zuständige Behörde an, dass für das betreffende Fahrzeug 18 Monate lang ein Fahrtenbuch zu führen sei. Der Fahrzeughalter klagte dagegen und argumentierte, er habe durch die E-Mail bereits seine Nichtbeteiligung mitgeteilt und damit zur Aufklärung beigetragen.
Die Behörde hielt dem entgegen, dass die E-Mail sich auf einen anderen Verstoß bezog und bereits drei Tage vor dem ersten der beiden relevanten Verkehrsverstöße bei der Ermittlungsbehörde eingegangen war. Nach Angaben der Behörde ist es ungewöhnlich, dass sich ein Fahrzeughalter bereits vor einer Ordnungswidrigkeit gegenüber der Bußgeldstelle als möglicher Fahrer ausschließt.
Das Verwaltungsgericht (VG) Gelsenkirchen bestätigte mit dem Urteil (14 K 6335/24) vom 10. Juli 2025 die Entscheidung der Behörde: Die Fahrtenbuchauflage für 18 Monate sei rechtmäßig. Nach Ansicht des Gerichts habe der Kläger erkennbar die ihm mögliche und zumutbare Mitwirkung verweigert, indem er weder den tatsächlichen Fahrer benannt noch Hinweise zur Eingrenzung des Täterkreises gegeben habe.
Das VG betonte, dass die Behörde nicht verpflichtet sei, „ins Blaue hinein“ umfangreiche Ermittlungen, die kaum Aussicht auf Erfolg haben, durchzuführen. Entgegen der Ansicht des Klägers muss die Behörde daher auch nicht in der Nachbarschaft nach dem möglichen Fahrer suchen.
Die Fahrtenbuchauflage dient nach den Ausführungen des VG dem Schutz der Allgemeinheit, indem bei künftigen Verstößen leichter festgestellt werden kann, wer das Fahrzeug geführt hat.
Die Dauer der Auflage richtet sich nach der Schwere der Verstöße. Im verhandelten Fall hielt das Gericht 18 Monate für angemessen. Das VG verwies dabei auf § 31a StVZO, der es der Behörde erlaubt, eine Fahrtenbuchauflage anzuordnen, wenn der Fahrer bei einem erheblichen Verkehrsverstoß nicht ermittelt werden kann. Als erheblich gilt ein Verstoß, der neben einem Bußgeld auch einen Punkt im FAER nach sich ziehen würde.
Der Fahrzeughalter ist laut VG bei einem mit seinem Kfz begangenen Verkehrsverstoß verpflichtet, im Rahmen des Zumutbaren zur Aufklärung beizutragen. Das bedeutet, er muss beispielsweise den auf dem Blitzerfoto erkannten Fahrer benennen oder – falls ihm dies nicht möglich ist – zumindest den Kreis der Fahrzeugnutzer eingrenzen.
Kommt der Halter dieser Mitwirkungsverpflichtung nicht nach und liegen keine anderen Hinweise auf den Fahrer vor, ist es auch der Behörde nicht zuzumuten, dass sie aufwendige und wenig erfolgversprechende Nachforschungen, etwa im Bekannten- oder Nachbarschaftskreis, betreibt.
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Der Kläger kann die Zulassung der Berufung beim Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen beantragen. Der Urteilstext ist noch nicht veröffentlicht.
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