Trunkenheitsfahrt: Darf auch das Radfahren behördlich verboten werden?

6.6.2025 – Das Oberverwaltungsgericht Saarlouis bestätigt mit einem aktuellen Urteil, dass es verhältnismäßig sein kann, einem wiederholten Verkehrssünder die Tauglichkeit für die Teilnahme am Straßenverkehr abzusprechen und ihm auch das Radfahren und Nutzen von E-Scootern zu untersagen. Aber die Rechtsprechung ist nicht einheitlich.

Ein Mann war im Sommer 2019 mit einem fahrerlaubnisfreien Fahrzeug – einem kleinen Mofa – unterwegs, als er die Kontrolle verlor und schwer stürzte. Eine Blutalkoholuntersuchung ergab eine Konzentration von 1,83 Promille. Die Alkoholisierung dürfte ursächlich für den Unfall gewesen sein.

Der Mann war bereits zuvor mehrfach wegen Trunkenheitsfahrten aufgefallen und hatte seine Fahrerlaubnis deshalb verloren. Aufgrund dieser Vorgeschichte ordnete die Fahrerlaubnisbehörde eine medizinisch-psychologische Untersuchung (MPU) an, um die Fahreignung überprüfen zu lassen.

Mann klagt gegen Verbot – mit Berufung auf andere Urteile

Da der Betroffene dieser Anordnung nicht nachkam, untersagte die Behörde ihm schließlich das Führen auch fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge im öffentlichen Straßenverkehr. Rechtliche Grundlage hierfür ist die Fahrerlaubnis-Verordnung, konkret § 3 FeV. Wie das Oberverwaltungsgericht Saarlouis gegenüber der Presse mitteilt, ist dem Betroffenen damit auch das Nutzen von Fahrrädern und E-Scootern untersagt.

Der Mann wehrte sich gegen das Verbot vor dem OVG Saarlouis. Er argumentierte unter Berufung auf Urteile anderer Oberverwaltungsgerichte, dass § 3 FeV keine tragfähige Grundlage für das ausgesprochene Verbot sei. Die Vorschrift sei entweder zu unbestimmt oder in ihrer Anwendung unverhältnismäßig.

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Ähnlich gearteter Fall

Unter anderem hatte das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz mit Urteil vom 20. März 2024 (10 A 10971) entschieden, dass einer Frau, die mehrfach mit Betäubungsmitteln Rad fuhr, die Nutzung des Fahrrades nicht untersagt werden könne.

Demnach biete § 3 FeV keine klaren Maßstäbe für die Eignung zum Führen fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge und verletze damit das Bestimmtheitsgebot und den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz.

Gesetze müssten so klar und präzise gefasst sein, dass Bürger vorhersehen können, was erlaubt und was verboten ist. Dies erfülle der entsprechende Paragraf nicht. Eine Revision wurde jedoch zugelassen – auch, weil die Rechtssache von grundsätzlicher Bedeutung sei.

Das OVG Saarlouis hält an Verbot fest

Anders entschied jedoch das OVG Saarlouis im vorliegenden Rechtsstreit. Mit Urteil vom 23. Mai 2025 (1 A 176/23) bestätigte der zuständige 1. Senat, dass § 3 FeV im vorliegenden Fall eine hinreichend bestimmte und verhältnismäßige Regelung darstelle, um dem Mann das Radfahren zu untersagen. Eine detaillierte Urteilsbegründung liegt aktuell noch nicht vor, lediglich ein Pressetext.

Da der Kläger es unterlassen habe, sich begutachten zu lassen, habe die Fahrerlaubnisbehörde darauf schließen dürfen, dass ihm die Eignung zur Teilnahme am Straßenverkehr mit erlaubnisfreien Fahrzeugen fehle, führt das Gericht mit Verweis auf § 11 Absatz 8 FeV aus.

Gefahr für andere Verkehrsteilnehmer rechtfertige schwerwiegenden Eingriff

Demnach stelle die Untersagungsverfügung zwar einen schwerwiegenden Eingriff in die grundrechtlich geschützte Individualmobilität dar. Zudem sei angesichts der geringeren Masse und Höchstgeschwindigkeit erlaubnisfreier Fahrzeuge nicht von der Hand zu weisen, dass solche Fahrzeuge eine geringere Gefahrenquelle darstellten als erlaubnispflichtige Kraftfahrzeuge.

Die Gefahr, die von ungeeigneten Führern erlaubnisfreier Fahrzeuge ausgehe, sei aber erheblich genug, um die Anordnung, sich medizinisch-psychologisch begutachten zu lassen, zu rechtfertigen.

Denn andere Verkehrsteilnehmer könnten sich und Dritte erheblich gefährden, wenn sie wegen der unvorhersehbaren Fahrweise eines unter erheblichem Alkoholeinfluss fahrenden Mofa- oder Radfahrers zu riskanten und folgenschweren Ausweichmanövern verleitet würden, begründet das Gericht das Verbot.

Auch in diesem Fall ist das letzte Wort noch nicht gesprochen. Der Kläger kann gegen das Urteil innerhalb eines Monats ab Zustellung der Entscheidung Revision zum Bundesverwaltungsgericht einlegen.

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