Trotz Todesfall: BGH fordert milderes Urteil für Porsche-Cayenne-Raser

9.9.2025 – Deutschlands oberstes Gericht im Bereich des Zivil- und Strafrechts hat aktuell ein vorinstanzliches Urteil aufgehoben, weil es die Begründung für die insgesamt fünfjährige Haftstrafe kritisiert. Ein Teil des Schuldspruchs betraf einen Geschwindigkeitsverstoß, infolgedessen der Beifahrer des Angeklagten verstarb. Der Raser war von der Fahrbahn abgekommen und gegen einen Baum am Straßenrand gekracht.

WERBUNG

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit einem Beschluss vom 18. Juni 2025 (4 StR 8/25) ein Urteil des Landgerichts Hildesheim (LG) vom 10. September 2024 (26 KLs 5/23) aufgehoben.

Konkret hatten die Hildesheimer Richter den Mann wegen eines verbotenen Autorennens mit Todesfolge sowie des Handels mit Cannabis zu einer Haftstrafe von insgesamt fünf Jahren verurteilt. Außerdem wurde sein Führerschein eingezogen. Die zuständigen Behörden wurden angewiesen, dem Täter binnen fünf Jahren keine neue Fahrerlaubnis zu erteilen.

Verurteilung wegen verbotenen Kraftfahrzeugrennens mit Todesfolge

Doch nun heißt es aktuell vom BGH: „Die Verurteilung wegen verbotenen Kraftfahrzeugrennens mit Todesfolge hält revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand“. Dabei bezieht sich das Revisionsgericht auf die Vorgaben zu den Strafen für „verbotene Kraftfahrzeugrennen“ im Strafgesetzbuch.

Hierzu heißt es in § 315d StGB einerseits, dass ein Raser mit einer Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren bestraft werden kann. Das gilt dann, wenn er sich „mit nicht angepasster Geschwindigkeit und grob verkehrswidrig und rücksichtslos fortbewegt, um eine höchstmögliche Geschwindigkeit zu erreichen“ (Absatz 1, Nummer 3).

Andererseits ist von einer „Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren“ die Rede. Das gilt dann, wenn der Täter „den Tod oder eine schwere Gesundheitsschädigung eines anderen Menschen oder eine Gesundheitsschädigung einer großen Zahl von Menschen“ verursacht (Absatz 5).

Porsche-Fahrer hat das Tempolimit deutlich überschritten

Ersteres ist in dem Hildesheimer Prozess der Fall gewesen, als der Angeklagte und ein Beifahrer vor vier Jahren mit seinem Porsche Cayenne Turbo auf einer zweispurigen Landstraße unterwegs waren. Dabei hatte der Angeklagte den späteren Zeugen am Steuer des Autos vor ihm zunächst mehrfach durch dichtes Auffahren bedrängt.

Irgendwann gab der Angeklagte schließlich Vollgas und überholte das mit 80 bis 90 Kilometer pro Stunde fahrende Auto mit einer viel höheren Geschwindigkeit. Deutlich schneller als mit der örtlich geltenden Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h schoss der Porsche dann nach Zeugenaussagen in eine Rechtskurve.

„Auf diese Weise wollte der Angeklagte sein zuvor frustriertes Geschwindigkeitsbedürfnis befriedigen sowie seine Fähigkeit demonstrieren, mit dem Fahrzeug auch gefährliche Situationen trotz hoher Geschwindigkeit zu meistern“, heißt es vom BGH. „Andere Verkehrsteilnehmer und auch sein Mitfahrer waren ihm dabei völlig gleichgültig.“

Schwerverletzter Beifahrer verstirbt noch am Unfallort

Laut dem Urteil beschleunigte der Angeklagte auf mindestens 165 km/h. Doch die langgezogene Rechtskurve konnte demnach mit höchstens 130 km/h befahren werden. Das erkannte auch der Angeklagte und zog deshalb mit seinem Sport Utility Vehicle (SUV) „leicht nach links“ auf die Gegenfahrbahn.

Dem Raser war zu diesem Zeitpunkt klar, dass dies „mit letztlich unkalkulierbarer Wahrscheinlichkeit zu der Gefahr führte“, mit einem entgegenkommenden Fahrzeug oder einem Baum am Straßenrand zusammenzustoßen. Als Folge eines solchen Crashs habe der Mann im Ernstfall auch den Tod eines Unfallbeteiligten für möglich halten müssen.

„Der Angeklagte war jedoch davon überzeugt, sein Fahrzeug auch bei der gefahrenen hohen Geschwindigkeit sicher beherrschen zu können“, begründet der BGH weiter. Doch der Porsche verlor die Bodenhaftung, geriet ins Schleudern und prallte gegen einen Straßenbaum. Der Beifahrer wurde dadurch so schwer verletzt, dass er noch am Unfallort verstarb.

Angeklagter hat nicht mit bedingtem Vorsatz gehandelt

Aus dem Unfallhergang schlossen die Karlsruher Richter, dass „der Angeklagte die objektiv vorhersehbare Gefährdung des Mitfahrers und anderer Verkehrsteilnehmer für Leib und Leben erkannte und billigte“. Hierfür spräche, dass der Angeklagte die Kurve mit massiv überhöhter Geschwindigkeit geschnitten hatte.

Doch die Urteilsgründe des Landgerichts belegen nicht, dass der Angeklagte „mit bedingtem Vorsatz gehandelt hat“, begründen sie ihren Beschluss, das vorinstanzliche Urteil zu kassieren. Dieser Vorsatz sei aber „Voraussetzung für eine Strafbarkeit nach § 315d Absatz 5 StGB.“ Nur dieser Absatz sieht Freiheitsstrafen von mehr als zwei Jahren vor.

Wer wie der Angeklagte eine nicht abgesperrte Straße für „ein Rennen gegen sich selbst“ missbraucht, gefährde zwar unzweifelhaft sich selbst, seine Mitinsassen und andere Verkehrsteilnehmer. Aber der Porsche-Fahrer war nach eigener Aussage davon ausgegangen, einen Unfall vermeiden zu können, erklären die BGH-Richter.

Schuldspruch und die verhängte Strafe werden aufgehoben

Das Landgericht habe somit keinen bedingten Gefährdungsvorsatz nachweisen können; der Angeklagte rechnete ja nicht mit dem Unglück. Dem BGH zufolge war er nämlich „in völliger Überschätzung seiner Möglichkeiten und Fähigkeiten“ davon überzeugt, sein Fahrzeug bei der hohen Geschwindigkeit sicher beherrschen zu können.

Somit habe der Raser nicht den späteren Kontrollverlust in Kauf genommen, bei dem er nur noch auf glückliche Umstände haben vertrauen können. Außerdem müsse man berücksichtigen, dass die eingetretene „Gefährdung von Leib und Leben des Mitfahrers“ mit einer ähnlich hohen Eigengefährdung einhergegangen sei, argumentieren die BGH-Richter.

Im Ergebnis könne der Hildesheimer Schuldspruch nicht bestehen bleiben und die verhängte Strafe müsse aufgehoben werden. Auch die entzogene Fahrerlaubnis plus fünfjähriger Sperrfrist verlieren dadurch ihre Grundlage. Der Fall wurde daher zu einer neuen Verhandlung an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Lesetipp: „Unfälle und Regelverstöße: Wie Richter über Verkehrssünder urteilen“
Cover Dossier (Bild: VersicherungsJournal)

Wer haftet nach einem Unfall? Wie werden dabei Fahrfehler, Technikprobleme am Fahrzeug oder Drogenkonsum des Fahrers gewertet? Welche Parksünden können als Straftat gewertet werden? Wann können Richter von einem Fahrverbot absehen – und wann ist eine solche Ermessensentscheidung rechtlich ausgeschlossen?

Diese und andere Fragen beantwortet das neueste Dossier des VersicherungsJournals. Es gibt unter anderem einen fundierten Überblick über relevante Urteile im Verkehrsrecht – von Tempoverstößen bis Fahrerassistenzsystemen.

Anhand zahlreicher Praxisfälle zeigt die 54-seitige Publikation, wie Gerichte komplexe Unfallhergänge bewerten, welche Rechtsfolgen drohen und inwieweit Regelverstöße eine negative Auswirkung auf den Kfz-Versicherungsschutz haben können. Diverse weitere Themen rund um das Verkehrsrecht wie das Fahreignungsregister, häufige Verkehrsverstöße oder rechtliche Entwicklungen hinsichtlich von Fahrerassistenzsystemen werden verständlich aufbereitet.

Weitere Informationen und eine Bestellmöglichkeit finden sich unter diesem Link. Die Publikation steht Premium-Abonnenten des VersicherungsJournals zur persönlichen Nutzung kostenlos zur Verfügung.

Schlagwörter zu diesem Artikel
Bundesgerichtshof · Gesundheitsreform · Technik
 
WERBUNG
Werben im Extrablatt

Mit einer Anzeige im Extrablatt erreichen Sie mehr als 12.500 Menschen im Versicherungsvertrieb, überwiegend ungebundene Vermittler. Über die Konditionen informieren die Mediadaten.

Ihr Wissen und Ihre Meinung sind gefragt

Ihre Leserbriefe können für andere Leser eine wesentliche Ergänzung zu unserer Berichterstattung sein. Bitte schreiben Sie Ihre Kommentare unter den Artikel in das dafür vorgesehene Eingabefeld.

Die Redaktion freut sich auch über Hintergrund- und Insiderinformationen, wenn sie nicht zur Veröffentlichung unter dem Namen des Informanten bestimmt ist. Wir sichern unseren Lesern absolute Vertraulichkeit zu. Schreiben Sie bitte an redaktion@versicherungsjournal.de.

Allgemeine Pressemitteilungen erbitten wir an meldungen@versicherungsjournal.de.

WERBUNG
Noch erfolgreicher Kundengespräche führen

Geraten Sie in Verkaufssituationen immer wieder an Grenzen?
Wie Sie unterschiedliche Persönlichkeitstypen zielgerichtet ansprechen, erfahren Sie im Praktikerhandbuch „Vertriebsgötter“.

Interessiert? Dann können Sie das Buch ab sofort zum vergünstigten Schnäppchenpreis unter diesem Link bestellen.

Diese Artikel könnten Sie noch interessieren
30.6.2025 – Mit VEO 3 lassen sich spektakuläre Videos erstellen, denen man nicht ansieht, dass sie KI-generiert sind. Digitalexperte Robin Kiera hat die neue Technik ausprobiert. Im Interview berichtet er, wo die Chancen liegen und wie sich das Tool bei Versicherern und im Vertrieb einsetzen lässt. (Bild: Digitalscouting) mehr ...
 
23.5.2025 – Wie entscheidend der richtige Ablauf bei einem Notruf ist, zeigt ein tragischer Fall: Nach einer missglückten Geburt musste ein Gericht klären, ob die involvierten Rettungsleitstellen falsch reagiert haben und inwieweit die zuständigen kommunalen Träger dafür haften müssen. (Bild: Oberau-online, CC BY 2.0) mehr ...
 
7.4.2025 – Das Straßenverkehrsrecht verändert sich rasant – und mit ihm die Rechtsprechung. Wer beruflich damit zu tun hat, egal ob bei der Schadenregulierung oder im Kundengespräch, sollte auf dem neuesten Stand sein. Ein neues Dossier liefert praxisnah das nötige Wissen. (Bild: VersicherungsJournal) mehr ...
 
26.3.2025 – Für eine Operation standen zwei Methoden zur Verfügung. Im Nachhinein war strittig, ob mit der älteren Methode die falsche gewählt worden war oder ob der verantwortliche Arzt richtig gehandelt hatte. Die Sache ging zum Bundesgerichtshof. (Bild: Pixabay CC0) mehr ...
 
31.10.2024 – Ein Arbeitnehmer war nach einem Unfall vom Arzt länger krankgeschrieben, als die Arbeitsunfähigkeit objektiv andauerte. Er verließ sich auf die Krankschreibung und forderte für deren gesamte Dauer Verdienstausfallersatz. Ob zu Recht, mussten die Gerichte entscheiden. (Bild: Pixabay CC0) mehr ...
 
12.6.2024 – Schon seit Jahren ist umstritten, ob die von der Dialog Lebensversicherung verwendeten Klauseln des konzerneigenen Belohnungssystems ausreichend transparent sind. Nun hat in letzter Instanz der Bundesgerichtshof im Sinne von Verbraucherschützern entschieden. (Bild: ComQuat, CC BY-SA 2.0) mehr ...
 
10.11.2023 – Wegen einer Berufsunfähigkeit war die private Krankentagegeld-Versicherung eines Mannes umgewandelt worden. Weil sich sein Gesundheitszustand gebessert hatte, wandte er sich an seinen Krankenversicherer. Doch der war nicht willig. (Bild: Pixabay CC0) mehr ...
 
10.5.2023 – Ein Mann ließ sich vier neuartige Zahnimplantate (BSC) einsetzen. Das sah sein Versicherer als nicht medizinisch notwendig an und verweigerte die Kostenerstattung. Ob zu Recht, hat das Kölner Amtsgericht entschieden. (Bild: Pixabay, CC0) mehr ...
WERBUNG