Geschwindigkeitsübertretungen: Was Rasern blüht

16.9.2025 – Diverse aktuelle Urteile verdeutlichen die Konsequenzen eines Geschwindigkeitsverstoßes und setzen dabei teils richtungsweisende Maßstäbe. Sie unterstreichen zudem die Ernsthaftigkeit, mit der Gerichte solche Verstöße behandeln, und zeigen auch mögliche strafrechtliche Konsequenzen auf.

Generelle Tempolimits auf Straßen innerhalb und außerhalb geschlossener Ortschaften sowie für verschiedene Fahrzeugklassen sind unter anderem in § 3 StVO geregelt. Beispielsweise gilt innerorts für Pkws und Motorräder in der Regel eine Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h und außerorts, mit Ausnahme von Autobahnen und Schnellstraßen, sind es 100 km/h. Zudem gibt es Geschwindigkeitsbegrenzungen, die durch Verkehrszeichen geregelt werden.

Wer die festgelegten Geschwindigkeitsbegrenzungen überschreitet, muss mit Sanktionen rechnen. Diese reichen von Bußgeldern, Punkten im FAER und Fahrverboten bis hin zur strafrechtlichen Verfolgung, etwa wenn durch überhöhte Geschwindigkeit eine konkrete Gefährdung oder ein Unfall mit Verletzten oder Toten verursacht wird.

Teilschuld wegen hoher Geschwindigkeit trotz fehlendem Tempolimit

Das OLG Koblenz (12 U 313/13) entschied am 14. Dezember 2013, dass ein Fahrer, der die Richtgeschwindigkeit von 130 km/h auf der Autobahn deutlich überschreitet, bei einem Unfall eine Teilschuld tragen kann, selbst wenn kein Tempolimit besteht und der andere Unfallbeteiligte einen schweren Fahrfehler begangen hat.

Ein Pkw-Fahrer war von der rechten auf die linke Fahrspur gewechselt, um einen vorausfahrenden langsameren Wagen zu überholen. Dabei übersah er ein bereits auf der linken Spur fahrendes Auto, das mit einer Geschwindigkeit von 200 km/h näherkam. Der Autofahrer, der bereits auf der linken Spur war, konnte einen Zusammenstoß nicht vermeiden.

Das Gericht wies dem Aufgefahrenen eine Mithaftung von 40 Prozent zu, da er die Richtgeschwindigkeit deutlich überschritten hatte. Laut Gericht ist „von einer deutlich erhöhten Betriebsgefahr auszugehen, die daraus resultiert, dass das Fahrzeug die Richtgeschwindigkeit um rund 60 Prozent überschritten und dadurch ein erhebliches Gefahrenpotential geschaffen hat“ (VersicherungsJournal 29.11.2023).

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Alleinhaftung eines Rasers

Ein anderer Gerichtsentscheid (22 U 33/18) vom 22. August 2019 des KG Berlin zeigt, dass eine Geschwindigkeitsübertretung um mehr als das Doppelte der vorgegebenen Geschwindigkeit als besonders schwerer Verkehrsverstoß gewertet werden kann, der bei einem Unfall zur Alleinhaftung des Rasers führen kann, selbst wenn der Unfallgegner einen maßgeblichen Fahrfehler begangen hat.

Ein Fahrer war innerorts mit über 100 km/h statt der zulässigen 50 km/h unterwegs gewesen, als er mit einem anderen Pkw, der ihm in einer Kreuzung die Vorfahrt nahm, kollidierte. Das Gericht entschied, dass eine derart erhebliche Geschwindigkeitsüberschreitung einen besonders schweren Verkehrsverstoß darstellt, der in der Regel zu einer Alleinhaftung des Rasers führt, selbst wenn er eigentlich Vorfahrt gehabt hatte.

„In Innenstadtlagen mit dem dort typischen komplexen Verkehrsgeschehen ist bei einer Geschwindigkeit von mehr als 100 Stundenkilometern davon auszugehen, dass sich der Kraftfahrer bewusst außerstande setzt, unfallverhütend zu reagieren, und damit entgegen Paragraf 1 Absatz 1 StVO für ihn keine hinreichende Möglichkeit mehr besteht, bei entsprechendem Anlass auf das Fehlverhalten Dritter zu reagieren“, heißt es dazu in der Urteilsbegründung (8.10.2019).

Teilung der Haftung zwischen den Unfallbeteiligten

Allerdings: „Die Rechtsprechung des Kammergerichts zur regelmäßig vollen Haftung desjenigen, der im innerörtlichen Verkehr die zulässige Geschwindigkeit um mindestens 100 % bei einer Geschwindigkeit von absolut über 100 km/h überschreitet, lässt sich nicht auf Fälle des außerörtlichen Verkehrs übertragen“, wie im Urteil (7 U 91/23) vom 16. April 2024 des Schleswig-Holsteinischen OLG zu lesen ist.

Hier geschah ein Unfall, als ein linksabbiegender Pkw-Fahrer einem Motorradfahrer die Vorfahrt nahm. Allerdings war der Kradfahrer deutlich zu schnell unterwegs. Das Gericht entschied, dass eine Teilung der Haftung zwischen den Unfallbeteiligten, also eine je 50-prozentige Haftung, den Unfallumständen angemessen ist.

dieser es zugelassen hat, dass jemand seinen Pkw ohne Fahrerlaubnis fährt. Zudem stellte die Polizei das Fahrzeug zur Verhinderung weiterer Straftaten sicher (27.5.2024).

Verurteilung wegen Mordes nach illegalem Straßenrennen

Ein prägendes Urteil betrifft den sogenannten „Ku’damm-Raser-Fall“. Hier lieferten sich zwei Fahrer ein illegales Straßenrennen in Berlin. Sie überfuhren mit deutlich überhöhter Geschwindigkeit mehrere rote Ampeln. Einer der Raser kollidierte mit circa 160 km/h mit einem bei Grün in eine Kreuzung einfahrenden Geländewagen. Der Fahrer des Geländewagens starb bei dem Unfall.

Der Unfallverursacher wurde vom Landgericht (LG) Berlin wegen Mordes zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt ((532 Ks) 251 Js 52/16), was mit einem Urteil (4 StR 482/19) vom Bundesgerichtshof (BGH) am 18. Juni 2020 bestätigt wurde.

Der zweite Raser wurde ebenfalls vom LG Berlin mit einer Entscheidung vom 2. März 2021 (529 Ks 6/20) wegen versuchten Mordes mit 13 Jahren Freiheitsentzug bestraft. Laut BGH-Beschluss (4 StR 319/21) vom 26. Januar 2022 ist dies ebenfalls rechtskräftig.

Lesetipp: „Unfälle und Regelverstöße: Wie Richter über Verkehrssünder urteilen“
Cover Dossier (Bild: VersicherungsJournal)

Der obige Text ist ein Auszug aus einem Dossier des VersicherungsJournals.

Wer haftet nach einem Unfall? Wie werden dabei Fahrfehler, Technikprobleme am Fahrzeug oder Drogenkonsum des Fahrers gewertet? Welche Parksünden können als Straftat gewertet werden? Wann können Richter von einem Fahrverbot absehen – und wann ist eine solche Ermessensentscheidung rechtlich ausgeschlossen?

Diese und andere Fragen beantwortet das neueste Dossier des VersicherungsJournals. Es gibt unter anderem einen fundierten Überblick über relevante Urteile im Verkehrsrecht – von Tempoverstößen bis Fahrerassistenzsystemen.

Anhand zahlreicher Praxisfälle zeigt die 54-seitige Publikation, wie Gerichte komplexe Unfallhergänge bewerten, welche Rechtsfolgen drohen und inwieweit Regelverstöße eine negative Auswirkung auf den Kfz-Versicherungsschutz haben können. Diverse weitere Themen rund um das Verkehrsrecht wie das Fahreignungsregister, häufige Verkehrsverstöße oder rechtliche Entwicklungen hinsichtlich von Fahrerassistenzsystemen werden verständlich aufbereitet.

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Bundesgerichtshof · Kfz-Versicherung · Pkw
 
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