24.4.2025 – Immer wieder versuchen Kfz-Fahrer, denen ein Verkehrsverstoß vorgeworfen wird, mit Ausreden, aber auch mit wahrheitsgemäßen Schilderungen, wie es zu dem Vorfall gekommen ist, einer möglichen Strafe zu entgehen.
Eine besonders kuriose Behauptung stellte ein Autofahrer auf, bei dem bei einer Polizeikontrolle 1,32 Promille Blutalkohol-Konzentration (BAK) festgestellt wurden und der deshalb vom Amtsgericht Frankfurt wegen vorsätzlicher Trunkenheit im Straßenverkehr zu einer hohen Geldstrafe und einem mindestens elfmonatigen Führerscheinentzug verurteilt wurde.
Der Mann gab an, nur versehentlich alkoholisiert gefahren zu sein, nachdem er von Fremden zwölf Pralinen erhalten und diese gegessen hätte, ohne zu wissen, dass sie mit Alkohol gefüllt gewesen waren.
Dies widerlegte ein vom Gericht angeforderter Gutachter. Um bei seiner Statur einen solchen BAK zu erreichen, hätte der Betroffene mindestens 132 handelsübliche alkoholhaltige Pralinen essen müssen. Selbst bei eigens hergestellten Pralinen mit hoher Alkoholkonzentration wäre es unrealistisch, diese Menge innerhalb kurzer Zeit zu konsumieren, wie dem Urteil (907 Cs 515 Js 19563/24) vom 29. August 2024 zu entnehmen ist (VersicherungsJournal 19.11.2024).
Auch zahlreiche andere Rechtfertigungen sind oftmals unerheblich für das Strafmaß. Manche Verkehrssünder wollen zum Beispiel ein Fahrverbot oder ein Bußgeld mit dem Argument abwenden, dass ihr regelwidriges Verhalten zum Zeitpunkt des Vergehens keine Gefahr dargestellt habe. Für die Bestrafung zählt laut Rechtsprechung jedoch bereits die abstrakte Gefährlichkeit.
Das Kammergericht Berlin hat beispielsweise in einem Beschluss vom 14. April 2020 (3 Ws (B) 46/20 – 122 Ss 18/20) entschieden, dass es unzulässig ist, die vom Gesetzgeber festgelegte abstrakte Gefährlichkeit eines Verstoßes durch richterliche Würdigung zu unterminieren.
Verhandelt wurde hier ein Rotlichtverstoß, den ein Autofahrer 1,1 Sekunden, nachdem die Ampel an einer Kreuzung rot zeigte, begangen hatte. Der Querverkehr an der Kreuzung war zu diesem Zeitpunkt jedoch vorübergehend gesperrt. Dennoch blieb es beim bereits verhängten Strafmaß von 250 Euro Bußgeld und einem Monat Fahrverbot aufgrund der abstrakten Gefährlichkeit.
Ist ein Verkehrsverstoß darauf zurückzuführen, dass eine Notlage vorlag, bei der eine Ordnungswidrigkeit begangen wurde, um möglichst schnell einer anderen Person Erste Hilfe zu leisten, kann unter anderem gemäß § 16 OWiG ebenfalls die Strafe entfallen oder reduziert werden.
Dies zeigt beispielsweise ein Beschluss vom 22. November 1999 des Bayerischen Oberlandesgerichts (OLG) (2 ObOWi 518/99). Ein Arzt war innerorts mit 35 km/h zu viel geblitzt worden, als er aufgrund eines Notfalles mit seinem Auto zu einem Patienten fuhr. Das Gericht hob das zunächst auferlegte Fahrverbot auf, ohne die verhängte Geldbuße zu verändern.
Allerdings kommt es auf den jeweiligen Umstand eines Notfalles an. Eine rechtfertigende Notlage liegt laut Rechtsprechung in der Regel nur vor, wenn der Kfz-Fahrer erfolglos nach einer alternativen Lösung gesucht hat, zum Beispiel vergeblich einen Notarzt angerufen hat, und besondere Umstände wie eine nicht mögliche oder nicht rechtzeitige Rettung in einem abgelegenen Gebiet herrschten.
Zudem darf die Geschwindigkeitsüberschreitung nur erfolgen, wenn sie einen wesentlichen Vorteil für die in Not befindliche Person bringt, ohne dass sich das Sicherheitsrisiko für andere Verkehrsteilnehmer unverhältnismäßig erhöht.
So entschied das OLG Düsseldorf mit einem Urteil (2 RBs 13/21) vom 8. März 2021, dass es nicht automatisch strafmildernd ist, wenn man eine in den Wehen liegende Frau oder einen Verletzten ins Krankenhaus bringen will und deshalb zu schnell fährt. Eine Urteilsbegründung des Gerichts: Der Betroffene hätte vorab versuchen müssen, rettungsdienstliche Hilfe anzufordern.
Von einer Bestrafung kann auch abgesehen werden, wenn ein Verkehrsschild nicht erkennbar war. Allerdings: Zugeschneite Verkehrszeichen, die aufgrund ihrer äußeren Form eindeutig zu identifizieren sind, wie das achteckige Stopp- oder das auf der Spitze stehende, dreieckige Vorfahrt-achten-Verkehrszeichen, behalten weiter ihre Gültigkeit, so das Urteil des OLG Hamm (III-3RBs 336/09).
Nur Verkehrszeichen, die aufgrund ihrer Form mehrere Bedeutungen haben können, verlieren ihre Verbindlichkeit, wenn sie von Schnee vollständig bedeckt sind, so ein Urteil des Bayerischen OLG (1 ObOWi 127/84). Dazu gehören dreieckige Gefahren- sowie runde Verbots- oder Beschränkungszeichen wie Schilder zur Geschwindigkeitsbeschränkung.
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