Streit um Unabhängigkeit: Verbände und Makler reagieren auf umstrittenes OLG-Urteil

20.11.2025 – Versicherungsmakler dürfen nach einem Urteil des OLG Dresden nicht mehr mit ihrer Unabhängigkeit werben. Die Entscheidung sorgt für Diskussionen in der Branche: Während Vermittlerverbände und viele Makler ihr Unverständnis äußern, gibt es zugleich Stimmen, die das Urteil nachvollziehbar finden und auf mögliche Interessenkonflikte hinweisen.

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Das Oberlandesgericht Dresden hat es einem Versicherungsmakler mit Urteil vom 28. Oktober 2025 (14 U 1740/24) untersagt, auf seiner Webseite mit seiner Unabhängigkeit zu werben. Formulierungen wie „unabhängiger Versicherungsmakler“ und „unabhängige Beratung“ sind demnach abmahnfähig (VersicherungsJournal 18.11.2025).

Bei Vermittlerverbänden und Versicherungsmaklern sorgte das Urteil teils für Unverständnis.

Der BVK ist nach wie vor der Ansicht, dass Versicherungsmakler […] unabhängig von den Produktgebern sind.

BVK

BVK: Versicherungsmakler sind den Interessen ihrer Kunden verpflichtet

Der Bundesverband Deutscher Versicherungskaufleute e.V. (BVK) bewertet die Entscheidung kritisch. Wenn es nun auch wettbewerbsrechtlich bedenklich sei, dass Versicherungsmakler mit ihrer Unabhängigkeit werben, müsse diese Aussage vertriebs- und gewerberechtlich nicht falsch sein.

In einer Pressemitteilung heißt weiter: „Der BVK ist nach wie vor der Ansicht, dass Versicherungsmakler als Sachwalter der Kunden unabhängig von den Produktgebern sind. Dies hat auch der BGH schon vor Jahrzehnten konstatiert. Nach dem sogenannten ‚Sachwalterurteil‘ […] ist der Versicherungsmakler der ‚Bundesgenosse‘ des Versicherungsnehmers beziehungsweise dessen ‚Treuhänder ähnlicher Sachwalter‘.“.

Nach Ansicht des Vermittlerverbands sind Versicherungsmakler klar darauf verpflichtet, die Interessen ihrer Kunden zu vertreten – und nicht jene des Versicherers. „Diese Rechtsstellung des Versicherungsmaklers gegenüber seinen Kunden bleibt durch das aktuelle Urteil zu Werbeauftritten mit Unabhängigkeit unberührt und unverändert“, so der BVK.

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AfW hebt ebenfalls auf Funktion als Sachverwalter des Kunden ab

Norman Wirth (Bild: AfW)
Norman Wirth (Bild: Andreas Klingberg)

Ähnlich äußert sich der AfW – Bundesverband Finanzdienstleistung e.V. in einem Pressetext.

Man erkenne zwar die Bedeutung des ersten Eindrucks im Werbekontext an, kritisiere aber, „dass die Entscheidung wesentliche berufsrechtliche Grundlagen des Versicherungsmaklerberufs außer Acht lässt“, heißt es von Seiten des Verbandes.

„Versicherungsmaklerinnen und -makler sind gesetzlich ausdrücklich als Sachwalter ihrer Kundinnen und Kunden definiert – sie stehen rechtlich auf der Seite der Verbraucher, nicht der Produktgeber“, positioniert sich Norman Wirth, Geschäftsführender Vorstand des AfW.

„Dass diese gesetzlich verankerte Stellung durch eine rein auf eine vermeintliche Verbrauchererwartung bezogene, wettbewerbsrechtliche Betrachtung unterlaufen wird, ist aus unserer Sicht nicht nachvollziehbar“, so Wirth weiter.

Das Urteil [bleibt] politisch und berufspraktisch hochproblematisch.

Norman Wirth, AfW

„Das Urteil mag juristisch argumentierbar sein – politisch und berufspraktisch bleibt es hochproblematisch, weil es genau jene schwächt, die für unabhängige Finanz- und Versicherungsberatung und eine bedarfsgerechte Versorgung der Menschen stehen“, sagt der Fachanwalt.

BVK und AfW raten davon ab, mit Unabhängigkeit zu werben

Sowohl der BVK als auch der AfW raten Versicherungsmaklern dazu, ihre Außenkommunikation an das Urteil anzupassen. Dazu gehören unter anderem folgende Hinweise:

  • Auf den Begriff „unabhängig“ in Werbung, Online-Präsenz, Broschüren und Anzeigen zu verzichten, sofern eine Courtagevergütung erfolgt. Stattdessen sollten Makler konkret ihre Leistungen hervorheben – etwa die Vermittlung aus einem breiten Marktangebot oder das Fehlen vertraglicher Bindungen an Produktgeber.
  • Die gesamte Außenkommunikation sorgfältig zu überprüfen, insbesondere Websites, Social-Media-Auftritte, Google Ads und Printmaterialien.
  • Sicherzustellen, dass die Kundenerstinformation aktuell ist und leicht gefunden wird.

Wir bleiben bei unserer mit einem Gutachten untermauerten Rechtsauffassung und halten das Urteil daher für unrichtig.

Dr. Bernhard Gause, BDVM

BDVM hält an Auffassung des beauftragten Rechtsgutachtens fest

Bernhard Gause (Bild: BDVM)
Bernhard Gause (Bild: BDVM)

Der Bundesverband Deutscher Versicherungsmakler e.V. (BDVM) hatte ein Rechtsgutachten bei Professor Dr. Robert Koch (PDF, 787 KB), Lehrstuhlinhaber für Bürgerliches Recht und Versicherungsrecht an der Universität Hamburg, in Auftrag gegeben, das die Unabhängigkeit des Maklerberufs bestätigte. Darauf stützte sich zum Teil auch die Verteidigung des verklagten Maklers.

„Wir bleiben bei unserer mit einem Gutachten untermauerten Rechtsauffassung und halten das Urteil daher für unrichtig“, teilt Dr. Bernhard Gause, Geschäftsführender Vorstand des BDVM, dem VersicherungsJournal mit.

„Wir raten unseren Mitgliedern nicht dazu, auf den Begriff ‚unabhängig‘ zu verzichten“, so Gause weiter. „Maklerunternehmen, die auch den 34f GewO in ihrem Impressum ausgewiesen haben, empfehlen wir, das ‚unabhängig‘ in Zusammenhang mit der Beratung nicht in einen Kontext zu stellen.“

Makler schon rechtlich zur Unabhängigkeit verpflichtet?

In dem Gutachten für den BDVM werden unter anderem folgende Argumente dafür angeführt, warum Versicherungsmakler wettbewerbsrechtlich als „unabhängig“ bezeichnet werden dürfen:

  • Die gesetzlichen Vorgaben aus VVG, VersVermV und GewO verpflichten Makler, im Interesse ihrer Kunden zu handeln, deren Bedarf zu ermitteln und ein geeignetes Produkt zu empfehlen. Dazu gehört auch, eigene finanzielle Interessen nicht über die des Kunden zu stellen. Verstößt ein Makler gegen diese Pflichten, handelt er unlauter.
  • Versicherungsmakler müssen einen weitgehend umfassenden Marktüberblick bieten – oder ihren Kunden offenlegen, wenn dies im Einzelfall nicht möglich ist. Der angesprochene Verkehrskreis versteht unter „Unabhängigkeit“ daher nicht eine Vergütungsfreiheit gegenüber Versicherern, sondern dass der Makler wirtschaftlich nicht von einzelnen oder wenigen Produktgebern abhängig ist.
  • Eine Abhängigkeit würde der durchschnittliche Verbraucher erst dann annehmen, wenn die Courtageeinnahmen eines Maklers ganz überwiegend von einem Versicherer – oder einer sehr kleinen Gruppe von Versicherern – stammen und seine wirtschaftliche Existenz davon abhinge. Dies sei bei Versicherungsmaklern jedoch typischerweise nicht der Fall.

Stimmen in den sozialen Medien

Auch in den sozialen Medien wurde das Urteil von Versicherungsmaklern und Branchenbeobachtern diskutiert. Viele Makler äußerten ihr Unverständnis über die Entscheidung.

Ein Marktbeobachter schrieb auf Linkedin: „Unfassbar – wenn Versicherungsmaklerinnen und -makler nach dieser Definition des OLG Dresden nicht unabhängig sind, dann gibt es gar keine unabhängigen Berufe. Vielleicht sollte mal geprüft werden, inwiefern die Verbraucherzentralen unabhängig von politischen Vorgaben und Ideologien agieren.“

In einem Leserbrief an das VersicherungsJournal kommentiert Versicherungsmakler Reinhard Durchholz, dass sich Makler in keiner Weise in einem Doppelrechtsverhältnis befänden, wie das OLG argumentiert. Sie seien nicht allein deshalb abhängig, weil sie bei Vertragsabschlüssen eine Courtage erhalten.

„Denn die Entscheidung über die Zahlung der Courtage liegt allein beim Versicherer. Makler schließen einen Maklervertrag mit dem zukünftigen Kunden – nur diesem gegenüber haben sie vertragliche und gesetzliche Pflichten“, schreibt Durchholz.

Unabhängigkeit entsteht durch Diversifikation und breiten Marktzugang

Stephan von Heymann, der unter anderem Versicherungsmakler berät, zitiert auf seinem „Sachthemen.Blog“ einen weiteren Branchenbeobachter, der das Urteil kritisch bewertet. Aus Sicht des Zitierten blendet das Gericht zentrale Marktmechanismen aus:

Die Courtage sei keine „Schenkung“ des Versicherers, sondern Teil der Kundenprämie – der Versicherer fungiere lediglich als Zahlstelle. Die tatsächliche Unabhängigkeit eines Maklers entstehe daher nicht durch die formale Auszahlung, sondern durch breite Marktzugänge und eine diversifizierte Geschäftsbasis. Genau diese Zusammenhänge fänden im Urteil zu wenig Beachtung.

Teils Verständnis für das Urteil

Es gibt allerdings auch Stimmen, die Verständnis für die Entscheidung zeigen. So weist von Heymann selbst darauf hin, dass das Interesse an einer möglichst hohen Courtage durchaus einen potenziellen Interessenkonflikt auf Maklerseite schafft. Anstatt das Urteil grundsätzlich infrage zu stellen, solle man es daher zur Kenntnis nehmen:

„‚Unabhängig‘ ist in unserer Branche ohnehin ein schwieriges Wort, denn Versicherer beeinflussen uns bewusst oder unbewusst durch Geld, Events oder persönliche Nähe. Wer als Makler gute Arbeit leistet, braucht dieses Wort nicht zwingend in der Werbung – dessen Qualität spricht für sich“, schreibt von Heymann.

„Irgendwo lauert immer ein Abmahnanwalt“

Peter Schmidt (Bild: privat)
Peter Schmidt (Bild: privat)

Ähnlich äußert sich Unternehmensberater Dr. Peter Schmidt in einem Facebook-Kommentar. So sei das eben manchmal mit „Recht bekommen“ und „Recht haben“, gibt Schmidt zu bedenken; zudem habe sich die Branche schon oft kontrovers mit der Frage der Unabhängigkeit beschäftigt. Weiter schreibt er:

„Man kann trefflich darüber streiten, ob sich das Thema wirklich an der Vergütung festmachen lässt oder nicht – und ob für den Kunden nicht vielmehr die unabhängige Auswahl der Produktgeber entscheidend ist. Aber so what.“

Zugleich rät Schmidt, dass Kollegen, die „unabhängig“ oder ähnliche Formulierungen im Firmennamen oder auf ihrer Homepage führen, dies besser ändern sollten: „Denn irgendwo lauert immer eine Verbraucherzentrale oder ein Abmahnanwalt.“

Das Urteil des OLG Dresden ist nicht der erste Fall, in dem einem Makler die Werbung mit seiner Unabhängigkeit untersagt wurde. Bereits vor dem Oberlandesgericht Köln (Urteil vom 7. Februar 2024, 6 U 103/23) und dem Landgericht Bremen (Urteil vom 11. Juli 2023, 9 O 1081/22) mussten Makler entsprechende Niederlagen hinnehmen.

 
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