Kaskoschaden: Wie verbindlich ist die Zusage eines Agenten?

20.5.2025 – Das Oberlandesgericht Saarbrücken hat entschieden, dass die Mitteilung eines Versicherungsvertreters, der Versicherer werde für einen Unfallschaden aufkommen, nicht automatisch als verbindliche Deckungszusage gilt. Damit eine solche Aussage rechtlich bindend ist, müssen strenge Voraussetzungen erfüllt sein.

Ein Mann war mit einem geleasten BMW M2 im Juni 2019 auf dem Nürburgring unterwegs – im Rahmen einer sogenannten Touristenfahrt. Dabei handelt es sich um Zeiten, in denen die Strecke gegen Gebühr für Privatpersonen geöffnet ist und wie eine öffentliche Straße genutzt werden darf. Es gilt die StVO: Rennen sind verboten und Tempolimits müssen eingehalten werden.

Gegen Mittag kam der Mann auf der anspruchsvollen und kurvenreichen Nordschleife – auch bekannt als „Grüne Hölle“ – von der Fahrbahn ab. Der BMW überschlug sich, es entstand ein Totalschaden. Versichert war das Fahrzeug über die Vollkaskoversicherung des Unternehmens seines Vaters.

Versicherungsvertreter gibt Deckungszusage, Versicherer widerspricht

Wenige Stunden nach dem Unfall – noch bevor der Schaden offiziell gemeldet wurde – wandte sich der Vater per E-Mail an seinen betreuenden Versicherungsvertreter. Er erkundigte sich, ob eine Touristenfahrt auf dem Nürburgring vom Vollkaskoschutz umfasst sei. Die Antwort fiel knapp aus: „Ja, ist versichert.“

Nach Eingang der Schadensmeldung schrieb der Vertreter dem Mann erneut: Die Bearbeitung sei bereits angestoßen, seine Kollegin werde sich noch am selben Tag darum kümmern. „Wenn alle Unterlagen da sind, dann auch abrechnen“, hieß es in der E-Mail. Zudem habe der Versicherer bereits einen Gutachter beauftragt, um den Schaden zu beziffern.

Trotz der vorherigen Zusagen des Vertreters wollte der Versicherer den Schaden schließlich doch nicht zahlen. Er verwies auf einen Leistungsausschluss in den AVB, wonach kein Schutz „für Fahrten auf Motor-Rennstrecken“ besteht – „auch wenn es nicht auf Erzielung einer Höchstgeschwindigkeit ankommt“.

Gilt Zusage des Vertreters als „deklaratorisches Schuldanerkenntnis“?

Vor Gericht ging es darum, ob die schriftliche Zusage des Versicherungsvertreters als sogenanntes deklaratorisches Schuldanerkenntnis gilt, also als verbindliche Bestätigung, dass der Versicherungsschutz trotz anders lautenden Vertragsbedingungen besteht. Das Landgericht Saarbrücken hatte dies mit Urteil vom 24. November 2023 (14 O 17/23) bejaht.

Doch das Oberlandesgericht Saarbrücken korrigierte diese Einschätzung mit Urteil vom 12. Februar 2025 (5 U 119/23). Auskünfte eines Versicherungsvertreters zum Inhalt des Versicherungsschutzes und zum Stand der Schadensbearbeitung seien „im Regelfall – so auch hier – keine bindenden Erklärungen über die Eintrittspflicht des Versicherers“, betonte der 5. Zivilsenat.

Schuldanerkenntnis dient Beilegung eines Streits

Voraussetzung für ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis ist laut Gericht, dass zwischen den Beteiligten bereits Streit oder Unklarheit über den Anspruch bestand – und die Erklärung erkennbar dem Zweck diene, diesen Streit zwischen beiden Parteien zu beenden.

Doch als sich der Geschäftsführer bei dem Agenten über den Versicherungsschutz erkundigte, habe es einen solchen Streit noch gar nicht gegeben. Der Vertreter wusste zu diesem Zeitpunkt nachweislich noch nichts vom Unfall. Entsprechend sei seine Antwort per Mail nur als allgemeine Auskunft zu werten – und nicht als rechtlich bindende Erklärung.

Selbst wenn der Vertreter bereits vom Unfall gewusst hätte, würde das laut Gericht nichts ändern: Auch dann hätte seine Antwort keine rechtlich bindende Wirkung gehabt, weil es zu diesem Zeitpunkt noch keinen Konflikt zwischen den Parteien gab, der durch ein Anerkenntnis hätte beigelegt werden sollen.

Auch Information über Bearbeitungsstand ist kein Schuldanerkenntnis

Ebenso wenig könne die zweite Mail des Vermittlers als Schuldanerkenntnis gewertet werden, wie das Gericht weiter hervorhob. Hierbei habe es sich um eine bloße Unterrichtung über den Stand der Bearbeitung gehandelt, die erkennbar keine rechtsgeschäftliche Erklärung darstelle.

Zudem habe der Vertreter durch den Verweis auf die Bearbeitung durch eine Kollegin zum Ausdruck gebracht, nicht er selbst werde über die Regulierung entscheiden, sondern eine andere Mitarbeiterin des beklagten Versicherers.

Geweckte Hoffnungen dürfen enttäuscht werden

Nach Einschätzung des Gerichts konnte die Mitteilung – wie auch frühere Aussagen des Agenten – zwar durchaus bei der Gegenseite den Eindruck erwecken, es würden keine Einwände gegen den Versicherungsschutz erhoben. Allein eine solche Erwartung genüge jedoch nicht, um darin zugleich ein rechtsgeschäftliches Schuldanerkenntnis zu sehen.

Denn auch aus Sicht des Versicherungsnehmers – so betonte der Senat – habe es zu diesem Zeitpunkt keinen Anlass gegeben, mit einer verbindlichen Erklärung zur Leistungspflicht zu rechnen. Es habe weder Streit noch Unklarheit über Grund oder Höhe des Anspruchs bestanden – eine notwendige Voraussetzung für eine rechtsverbindliche Zusage.

Die Klage des Mannes wurde abgewiesen, der Versicherer muss den Schaden also nicht ersetzen. Eine Revision wurde nicht zugelassen, da das Gericht keinen grundsätzlichen Klärungsbedarf sah.

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AVB · Kfz-Versicherung · Regulierung · Versicherungsvertreter
 
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