18.6.2025 – Die Behörde hat in einem Mystery-Shopping erneut Mängel beobachtet. Nur etwa die Hälfte der getesteten Vermittler habe demnach dokumentiert, ob ein empfohlenes Produkt überhaupt für die Testperson geeignet ist – positives Feedback gibt es hingegen zur Aufklärung über Risiken und zur empfohlenen Haltedauer.
Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) hat mit einem Mystery-Shopping die Beratungsqualität von Versicherungsvermittlern untersucht. Die Stichprobe war Teil einer EU-weiten Aktion, die von der European Insurance and Occupational Pensions Authority (Eiopa) koordiniert wurde.
Die Testpersonen führten zwischen März und Juni 2024 insgesamt 72 Beratungsgespräche bei sechs nicht genannten Versicherungsunternehmen und bestimmten Vertriebspartnern durch:
Dabei wurde jeweils vorgegeben, ein Versicherungsanlageprodukt abschließen zu wollen – also eine Kombination von Versicherungsschutz und Kapitalanlage.
Dabei ging es darum zu schauen, ob die Vermittelnden die Beratungs-, Informations- und Dokumentationspflichten nach VVG, DVO VersAnIP, VVG-InfoV und Offenlegungsverordnung beachten.
Zwei Testkundenprofile stellten unterschiedliche Bedürfnisse dar: Beide waren zwischen 30 und 50 Jahre alt, suchten ein sicheres Investment mit einer Anlagedauer von 10 bis 15 Jahren und hatten wenig Erfahrung mit Finanzprodukten.
Der Unterschied lag darin, dass das erste Profil einen geringen Liquiditätsbedarf hatte und nachhaltige Anlagen bevorzugte, während das zweite einen hohen Liquiditätsbedarf hatte und keine nachhaltigen Präferenzen äußerte.
Die Bafin weist selbst darauf hin, dass die Ergebnisse des Mystery-Shoppings nicht ohne Weiteres auf den gesamten deutschen Finanzsektor übertragbar seien, da die Stichprobe zu klein sei und nur eine Momentaufnahme abbilde.
Die Aufsicht stellte bereits große Mängel bei der Kundenexploration fest: Beratende fragten zu oft nicht nach den Wünschen und Bedürfnissen der Kunden oder taten dies nur oberflächlich. Wie viele Gespräche oder getestete Vermittler genau betroffen waren, nennt die Behörde jedoch nicht.
Besonders gravierend seien die fehlenden Abfragen zu wichtigen Informationen gewesen. So wurden laut Bafin häufig nicht erfasst:
Oft habe es auch eine erhebliche Diskrepanz zwischen der subjektiven Wahrnehmung der Testkunden und der Dokumentation in den Beratungsprotokollen gegeben, berichtet die Behörde weiter. So hätten sich in einigen Fällen zum Beispiel die Angaben zur Risikoneigung widersprochen.
Häufig seien die Personen zudem nicht über das Thema Nachhaltigkeit aufgeklärt wurden, obwohl dies seit August 2022 mit der EU-Offenlegungsverordnung VO (EU) 2019/2088 verpflichtend vorgeschrieben ist. Diesbezüglich berichten Vermittlerverbände, dass nur etwa jeder fünfte Kunde überhaupt Interesse an dem Thema hat – und fordern eine Aussetzung der Beratungspflicht (VersicherungsJournal 20.5.2025).
Genauer äußert sich die Bafin zur Frage, ob und in welchem Umfang in den Gesprächen die Kosten der empfohlenen Versicherungsanlageprodukte und wie diese die Renditeaussichten schmälern können thematisiert wurden
Zwar wurde laut Bafin in 94 Prozent der Fälle über die erwartbare Rendite und in 81 Prozent über das Risikoniveau informiert. Doch blieb die prognostizierte Rendite nach Abzug der Kosten vielfach unter dem angestrebten Zielwert der Testkunden von zwei Prozent jährlich – obwohl sie diesen im Gespräch geäußert hätten.
Problematisch: Nur in rund zwei Dritteln der Gespräche wurden die Kosten überhaupt angesprochen. Die Effektivkosten der empfohlenen Produkte lagen laut Erhebung zwischen 0,71 und 3,29 Prozent pro Jahr.
Ebenfalls ein grundlegender Mangel: In 25 Prozent der Fälle erhielten die Testkunden keine Beratungsdokumentation, wie die Bafin berichtet. Auch das verpflichtende Basisinformationsblatt (BIB) wurde nur in 68 Prozent der Gespräche ausgehändigt. Folglich blieb ein zentrales Dokument zur Vergleichbarkeit und informierten Produktentscheidung oft aus.
Informationen zu Nachhaltigkeitsrisiken erhielten nur 76 Prozent der Testkunden – auch diese sind verpflichtend.
Die Mängel bei der Risikoanalyse hatten laut Bafin erhebliche Auswirkungen auf die Produktempfehlungen. Nur in etwa der Hälfte der Fälle wurde demnach eine Geeignetheitsprüfung dokumentiert.
Am Ende erfüllten lediglich 19 der 72 vermittelten Verträge die Eiopa-Kriterien zu Rendite, Risiko und Nachhaltigkeit. In vielen Fällen ließ sich die Geeignetheit der Produkte mit Blick auf die gewünschte Rendite oder die Risikoklasse nicht eindeutig feststellen, berichtet die Behörde.
Die Bafin hat nach Aussage der obersten Versicherungsaufseherin, Julia Wiens, den Kundennutzen von Versicherungsanlageprodukten zu einem ihrer Aufsichtsschwerpunkte erklärt, nachdem sie hierfür verschärfte Wohlverhaltensregeln für Versicherer und Vertrieb definiert hatte (22.11.2024).
Mit den Unternehmen, bei denen Auffälligkeiten und mögliche Rechtsverstöße festgestellt wurden, will die Bafin nun in Kontakt treten. „Ziel ist es, systematische Mängel zu identifizieren und zu beheben“, schreibt die Versicherungsaufsicht.
Ariane Kay - Nach wie vor ein teilweise massiver Vertriebsdruck. mehr ...
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