Weiterhin privat krankenversichert im Teilzeitjob

14.7.2025 – Ein Gerichtsurteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg belegt: Eine Befreiung von der gesetzlichen Krankenversicherungspflicht ist für bisher privat krankenversicherte Arbeitnehmer, die ihre Arbeitszeit reduzieren und in Teilzeit arbeiten wollen, nur unter bestimmten Voraussetzungen möglich. Unter anderem darf die neue Arbeitszeit maximal bei der Hälfte der regulären Wochenarbeitszeit eines vergleichbaren Vollzeitbeschäftigten liegen.

Eine Frau war über neun Jahre in Vollzeit tätig und privat krankenversichert, da ihr Einkommen in dieser Zeit jeweils über der Jahresarbeitsentgeltgrenze lag. Nach der Geburt ihrer beiden Kinder in den Jahren 2016 und 2018 arbeitete sie während der Elternzeit bis Mitte 2022 mit einer reduzierten Stundenzahl in Höhe von etwa 60 bis 69 Prozent eines Vollzeitbeschäftigten.

In dieser Zeit war sie weiter privat krankenversichert, nachdem sie sich als Teilzeitbeschäftigte während der Elternzeit nach § 8 Absatz 1 Nummer 2 SGB V von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) auf Antrag weiterhin hat befreien lassen. Nach Ende der Elternzeit arbeitete sie dauerhaft in Teilzeit mit circa 24 Wochenstunden, was einem Arbeitszeitumfang von etwa 69 Prozent einer Vollzeitstelle im Betrieb entsprach.

Da ihr Einkommen dadurch unter die sogenannte Jahresarbeitsentgeltgrenze fiel, wurde sie automatisch in der GKV wieder versicherungspflichtig. Die Teilzeitbeschäftigte beantragte daraufhin bei der Krankenkasse, bei der sie nach dem Ende der Elternzeit angemeldet wurde, weiterhin von der GKV-Versicherungspflicht befreit zu werden und privat versichert bleiben zu dürfen.

Teilzeit: Kriterien für eine Befreiung von der Versicherungspflicht

Die Arbeitnehmerin verwies in ihrem Antrag darauf, dass sie allein durch die Reduktion der Arbeitszeit die Versicherungspflicht ausgelöst habe, und berief sich auf § 8 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 SGB V.

Demnach gilt: Beschäftigte, die ihre Arbeitszeit auf die Hälfte oder weniger der üblichen Vollzeit im Betrieb reduzieren und deshalb eigentlich wieder in der GKV pflichtversichert wären, können sich auf Antrag von der Versicherungspflicht befreien lassen. Das gilt auch, wenn nach einer Elternzeit, Pflegezeit oder einem Arbeitgeberwechsel eine Teilzeitbeschäftigung in diesem Umfang aufgenommen wird.

Voraussetzung für diese Regelung ist jedoch, dass man mindestens in den letzten fünf Jahren vor der Arbeitsreduzierung wegen Überschreitens der Jahresarbeitsentgeltgrenze versicherungsfrei war. Elternzeiten oder Pflegezeiten oder auch Zeiten des Bezugs von Erziehungsgeld oder Elterngeld werden dabei mitgerechnet.

Die Arbeitnehmerin argumentierte zudem, dass das Gesetz so ausgelegt werden müsse, dass auch Teilzeitbeschäftigte mit mehr als 50 Prozent der regulären Wochenarbeitsstunden eines Vollzeitbeschäftigten das Recht auf Befreiung von der Versicherungspflicht hätten. Sie war der Ansicht, dass dies dem Sinn des Gesetzes und der Verfassung besser entspreche. Damit hatte sie jedoch keinen Erfolg.

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Benachteiligung …

Die Krankenkasse lehnte den Antrag mit der Begründung ab, dass eine Befreiung nach § 8 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 SGB V nur dann möglich ist, wenn eine Reduzierung der Arbeitszeit auf maximal die Hälfte einer Vollzeitstelle vorliegt. Dies sei bei der Antragsstellerin nicht erfüllt. Die Teilzeitbeschäftigte klagte gegen diese Ablehnung vor dem Sozialgericht (SG) und verwies auch auf mögliche Benachteiligungen.

Unter anderem würden ihrer Meinung nach Elternteile mit Behinderung oder chronischer Erkrankung durch die Verwehrung einer Anschlussbefreiung bei einer Beschäftigung mit einer Arbeitszeit von über 50 Prozent eines Vollzeittätigen in spezifischer Weise aufgrund ihrer Behinderung benachteiligt. Denn bei chronischer Erkrankung bleibe der Rückweg in die private Krankenversicherung (PKV) faktisch versperrt. Sie berief sich dabei auf Artikel 3 GG.

Zudem führe die Versicherungspflicht dazu, dass sie eine Anwartschaftsversicherung benötige, und daher eine finanzielle Mehrbelastung in Kauf nehmen müsse, um später wieder trotz chronischer Leiden in die PKV wechseln zu können. Denn ein erneuter Wechsel ohne durchgehende Anwartschaft in der PKV wäre dann nur mit einem Risikozuschlag oder gar nicht möglich.

… zu Unrecht moniert

Doch das SG Stuttgart gab der Krankenkasse recht und wies die Klage der Beschäftigten ab. Es sah die gesetzliche Regelung als eindeutig an: Nur wer seine Arbeitszeit auf maximal die Hälfte reduziert, kann sich von der GKV-Versicherungspflicht befreien lassen, sofern die sonstigen Voraussetzungen erfüllt sind.

Auch ein Verstoß gegen das Grundgesetz, insbesondere das Gleichbehandlungsgebot, liege nicht vor, da keine mittelbare Benachteiligung etwa von Menschen mit Behinderung gegeben sei. Die von der Teilzeitbeschäftigten eingereichte Berufung blieb ebenfalls erfolglos.

Mit dem Urteil vom 25. Juni 2025 (L 5 KR 2893/24) hat das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Das LSG bestätigte die Rechtsauffassung der Vorinstanz und betonte, dass der Gesetzgeber mit der Begrenzung der Arbeitszeit auf maximal 50 Prozent eines Vollzeittätigen einen zulässigen Gestaltungsspielraum nutze.

Das Gericht führte aus, dass § 8 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 SGB V ausdrücklich fordert, dass die Arbeitszeit auf die Hälfte oder weniger der regelmäßigen Arbeitszeit vergleichbarer Vollbeschäftigter reduziert wird. Eine Erweiterung auf Beschäftigungen mit höherem Teilzeitumfang sei wegen des klaren Gesetzeswortlauts nicht möglich. Auch ein Analogieschluss komme nicht in Betracht, da es keine Regelungslücke gebe.

Zweck der 50-Prozent-Regelung

Zudem wurde der Vorwurf einer Benachteiligung vom LSG verneint. Der Gleichbehandlungsgrundsatz aus Artikel 3 GG sei nicht verletzt, da die Regelung auf sachlichen Erwägungen beruhe – in dem Fall insbesondere der gezielten Förderung eines bestimmten Arbeitszeitmodells zur Entlastung des Arbeitsmarkts: „Der Gesetzgeber bezweckte mit der Befreiungsmöglichkeit eine Förderung der Aufnahme von Teilzeitbeschäftigungen zur Entlastung des Arbeitsmarkts.“

Der Urteilstext verdeutlicht weiter: „Es wurde befürchtet, dass langjährig Privatversicherte davon abgehalten werden könnten, in eine Teilzeitbeschäftigung zu wechseln, wenn mit der Reduzierung der Arbeitszeit wieder Versicherungspflicht eintritt, weil deshalb die Jahresarbeitsentgeltgrenze nicht mehr überschritten wird. Durch Ausübung ihres Befreiungsrechts können Arbeitnehmer ihren bisherigen Status als versicherungsfreie und privat krankenversicherte Arbeitnehmer beibehalten.“

Die Begrenzung auf maximal die Hälfte der regulären Arbeitszeit ist gemäß LSG durch den Zweck der Regelung gedeckt. Das Gericht ergänzt: Bei Teilzeitbeschäftigungen mit mehr als der Hälfte der regelmäßigen Wochenarbeitszeit eines Vollbeschäftigten sei davon auszugehen, dass der Verdienst in der Regel der Sicherung des Lebensunterhalts dient.

„Es bedarf insoweit nicht wie bei Teilzeitbeschäftigungen in einem Umfang von der Hälfte und weniger als der Hälfte eines Anreizes, um überhaupt eine Beschäftigung aufzunehmen. Diese Differenzierung hält sich im Rahmen des dem Gesetzgeber zustehenden Gestaltungsspielraums und ist nicht zu beanstanden“, wie das LSG ausführt.

Klare gesetzliche Grenze für privat krankenversicherte Arbeitnehmer

Das Gericht stellte klar: Das Gesetz sei neutral formuliert und typisiere zulässigerweise nur eine bestimmte Gruppe von Teilzeitbeschäftigten. Die besondere Situation von Eltern oder chronisch kranken Beschäftigten rechtfertigte keine andere Entscheidung.

Auch den von der Klägerin monierten Nachteil, durch eine chronische Erkrankung oder das Risiko eines später eintretenden Leidens ohne Anwartschaftsversicherung nicht mehr in die private Krankenversicherung aufgenommen zu werden, bewertet das LSG als „allgemeines Lebensrisiko“. Das sei für die Entscheidung jedoch unerheblich. Das LSG ließ wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtsfrage jedoch die Revision zum Bundessozialgericht zu.

Das Urteil des LSG Baden-Württemberg verdeutlicht, dass der Gesetzgeber mit § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB V eine klare Grenze bei der Arbeitszeitreduzierung gesetzt hat: Eine Befreiung von der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherungspflicht ist für bisher PKV-versicherte Arbeitnehmer nach einer Arbeitszeitreduzierung nur dann möglich, wenn die Arbeitszeit auf maximal 50 Prozent oder weniger eines Vollzeitbeschäftigten abgesenkt wird.

Eine weitere Voraussetzung ist, dass der Beschäftigte bis zu seiner Teilzeitbeschäftigung seit mindestens fünf Jahren wegen Überschreitens der Jahresarbeitsentgeltgrenze versicherungsfrei war. Die Entscheidung hat Bedeutung für alle Arbeitnehmer, die ihre Arbeitszeit reduzieren und auf einen Verbleib in der privaten Krankenversicherung hoffen. Das letzte Wort in dieser grundsätzlichen Frage könnte nun das Bundessozialgericht haben.

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