20.11.2025 – Ein Steinmetz braucht für sein Handwerk Kraft und Geschicklichkeit. Als Betriebsleiter muss er zudem mental stets auf der Höhe sein. Weil das bei einem Mann aus Hessen nicht mehr gegeben war, erhielt er zu Recht eine BU-Rente. Die vertraglich vereinbarte Leistungspflicht gilt laut einem aktuellen Urteil so lange weiter, bis der Anbieter einen verbesserten Gesundheitszustand zweifelsfrei beweisen kann.
Eine einmal anerkannte Rente wegen Berufsunfähigkeit (BU) darf nicht ohne eindeutigen medizinischen Nachweis einer erheblichen gesundheitlichen Verbesserung eingestellt werden. Denn die Beweislast liegt in solchen Streitfällen vollständig beim Versicherer – nicht beim Versicherten.
Das hat das Oberlandesgericht Frankfurt am Main in einem Urteil vom 10. September 2025 betont. Damit folgten die Frankfurter Richter der Einschätzung des Landgerichts Darmstadt, das bereits in erster Instanz die Ansprüche des Versicherten vollständig anerkannt hatte.
Die beklagte Versicherungsgesellschaft wurde demnach dazu verurteilt, weiterhin die vertraglich vereinbarte Berufsunfähigkeitsrente zu leisten. Doch damit gab sich das Unternehmen nicht zufrieden und ging gegen das Urteil des Landgerichts in Berufung, das nun aber rechtskräftig wurde.
In dem Rechtsstreit ging es um einen Steinmetzmeister. Der Mann leidet an einer chronischen depressiven Störung und einer schwer einstellbaren Diabeteserkrankung. Daneben bestehen weitere gesundheitliche Einschränkungen seiner körperlich anspruchsvollen Tätigkeit.
Als selbstständiger Handwerksmeister war der Versicherte für sämtliche Arbeitsbereiche seines Familienbetriebs verantwortlich. Diese umfassten neben der handwerklichen Arbeit auch Kundengespräche und die Büroorganisation, was ein hohes Maß an Konzentration erfordert.
Folglich erkannte sein Versicherer die Berufsunfähigkeit an und zahlte die vereinbarte Rente. Drei Jahre später stieß er jedoch ein Nachprüfungsverfahren an. Dieser in § 174 VVG geregelte Mechanismus soll verhindern, dass Leistungen trotz verbesserter Gesundheit fortgeführt werden.
Die Versicherungsgesellschaft beauftragte hierfür neue medizinische Gutachten. Diese kamen zu dem Ergebnis, dass der Mann inzwischen fit genug sei, um seine Tätigkeit wieder aufzunehmen. Deshalb stoppte der Versicherer sämtliche Zahlungen und verlangte die regulären Versicherungsbeiträge.
Die von dem Steinmetz beauftragten Rechtsanwälte prüften das Vorgehen des BU-Versicherers eingehend. Demnach wiesen die Gutachten methodische Mängel auf, waren teilweise widersprüchlich und beruhten nicht auf belastbaren Fakten. Die Leistung einzustellen, sei damit rechtlich nicht haltbar.
Im Rahmen des anschließenden Gerichtsverfahrens vor dem Landgericht Darmstadt wurde der Mann erneut durch Sachverständige untersucht. Deren Diagnose zufolge bestanden die psychischen und physischen Einschränkungen in einem Ausmaß weiter, das eine Berufsausübung unmöglich machte.
Dem medizinisch-psychiatrischen Gutachten der unabhängigen Experten zufolge lassen sich die Symptome weder durch Therapie noch durch Medikamente entscheidend verbessern. Die Richter beider Instanzen sahen keinen Anlass, an der Glaubwürdigkeit der Einschätzungen zu zweifeln.
Das erste Leistungsanerkenntnis des Versicherers bleibe somit bindend. Das Berufungsgericht verpflichtete ihn daher dazu, die Rente weiterzuzahlen, rückständige Zahlungen zu erstatten, den Versicherten von Beiträgen zu befreien und die vertraglichen Überschüsse auszukehren.
Denn die Versicherungsgesellschaft trage die volle Beweislast dafür, dass es ihrem Kunden gesundheitlich besser geht, und muss dies durch objektive medizinische Fakten belegen. Bestehen Zweifel oder liegen keine eindeutigen Beweise vor, bleiben die Ansprüche des Versicherten bestehen.

„Viele Versicherte geraten in Nachprüfungsverfahren in eine enorme Beweis- und Drucksituation“, sagt Oliver Ostheim. Der Fachanwalt für Versicherungsrecht ist Partner der auf solche Fälle spezialisierten Kanzlei Rechtsanwälte für Berufsunfähigkeit Ostheim & Klaus PartmbB in Darmstadt.
„Dieses Urteil zeigt klar, dass Versicherer ihre einst gegebene Leistungszusage nicht ohne handfesten Nachweis zurücknehmen dürfen“, ordnet Ostheim die Entscheidung aus Hessen ein, die er für den Handwerksmeister erstritten hat.
Besonders bedeutsam sei die Entscheidung für Versicherte mit psychischen Erkrankungen. Depressionen und andere seelische Leiden haben zwar rein rechtlich denselben Stellenwert wie körperliche. Doch viele BU-Versicherer stuften Erstere zu Unrecht als nur vorübergehend ein.
Mit einer Anzeige im Extrablatt erreichen Sie mehr als 12.500 Menschen im Versicherungsvertrieb, überwiegend ungebundene Vermittler. Über die Konditionen informieren die Mediadaten.
Ihre Leserbriefe können für andere Leser eine wesentliche Ergänzung zu unserer Berichterstattung sein. Bitte schreiben Sie Ihre Kommentare unter den Artikel in das dafür vorgesehene Eingabefeld.
Die Redaktion freut sich auch über Hintergrund- und Insiderinformationen, wenn sie nicht zur Veröffentlichung unter dem Namen des Informanten bestimmt ist. Wir sichern unseren Lesern absolute Vertraulichkeit zu. Schreiben Sie bitte an redaktion@versicherungsjournal.de.
Allgemeine Pressemitteilungen erbitten wir an meldungen@versicherungsjournal.de.
Geraten Sie in Verkaufssituationen immer wieder an Grenzen?
Wie Sie unterschiedliche Persönlichkeitstypen zielgerichtet ansprechen, erfahren Sie im Praktikerhandbuch „Vertriebsgötter“.
Interessiert? Dann können Sie das Buch ab sofort zum vergünstigten Schnäppchenpreis unter diesem Link bestellen.












