15.12.2025 – Wirkt eine Krankheit – etwa über die notwendige Einnahme von Medikamenten – an den Folgen eines Unfalls mit, darf der private Unfallversicherer die Leistung anteilig kürzen. Das hat der Bundesgerichtshof mit einem Urteil bestätigt.
Ein Mann hatte eine private Unfallversicherung abgeschlossen. Der Vertrag sah eine Todesfallleistung von knapp 25.570 Euro vor. Als bezugsberechtigte Personen wurden im Vertrag seine Ehefrau und seine Tochter genannt.
In § 8 AUB war unter „Einschränkungen der Leistungen“ folgende Klausel vereinbart: „Haben Krankheiten oder Gebrechen bei der durch ein Unfallereignis hervorgerufenen Gesundheitsschädigung oder deren Folgen mitgewirkt, so wird die Leistung entsprechend dem Anteil der Krankheit oder des Gebrechens gekürzt, wenn dieser Anteil mindestens 25 Prozent beträgt.“
Der Mann litt unter einer Gerinnungsstörung des Blutes, der sogenannten Faktor-V-Leiden-Mutation. Sie begünstigt die Bildung von Blutgerinnseln, weshalb er dauerhaft Gerinnungshemmer einnehmen musste.
Im Januar 2022 stürzte der Versicherte und zog sich äußerlich leichte Kopfverletzungen zu. Am nächsten Tag wurde er zu Hause nicht ansprechbar aufgefunden. Er wurde mit dem Rettungsdienst in eine Klinik gebracht, wo er kurze Zeit später an einer Gehirnblutung verstarb.
Nachdem die Frau und die Tochter des Mannes die Todesfallleistung beim Versicherer geltend gemacht hatten, teilte dieser im Juli 2022 nach Durchsicht der Unterlagen mit, dass er die vereinbarte Summe um rund 7.670 Euro kürzen werde.
Der Versicherer argumentierte, die Gerinnungsstörung und die Einnahme der Medikamente hätten das Unfallereignis beeinflusst. Er setzte daher gemäß § 8 AUB einen Mitwirkungsanteil von 30 Prozent an.
Daraufhin klagten die Hinterbliebenen gegen den Versicherer und forderten auch die restliche Summe samt Zinsen und Rechtsanwaltskosten. Nachdem sowohl das Landgericht als auch das Oberlandesgericht die Klage abgewiesen hatten, landete der Rechtsstreit schließlich beim Bundesgerichtshof.
Doch auch der Bundesgerichtshof (BGH) entschied mit Urteil vom 3. Dezember 2025 (IV ZR 185/24), dass der Versicherer die Todesfallleistung kürzen durfte, und wies die Revision der Klägerinnen ab. Nach Auffassung des Gerichts hatte der Versicherer nachgewiesen, dass die Vorerkrankung des Mannes mindestens zu 30 Prozent zum Tod beigetragen habe – damit waren die Voraussetzungen des § 8 AUB 94 erfüllt.
Der BGH schloss sich dabei der Einschätzung der Vorinstanz an. Mit Bezug auf ein Sachverständigengutachten hatte das Oberlandesgericht Oldenburg am 21. November 2024 (1 U 48/24) bestätigt, dass bereits die Erbkrankheit der Verstorbenen als Krankheit im Sinne der AUB zu werten sei.
Dass der Mann den Blutverdünner einnahm, habe dazu geführt, dass die Folgen der Hirnblutung erheblich verstärkt worden seien. Demnach habe das Medikament zu einem „nicht angestrebten medizinischen Zustand, praktisch zu einer medikamentös induzierten Ungerinnbarkeit des Blutes“ geführt, die ein ärztliches Eingreifen notwendig gemacht hätte.
Selbst für den Fall, dass die Ungerinnbarkeit des Blutes zur Behandlung der Grunderkrankung gewollt gewesen wäre, liege bereits mit der Faktor-V-Leiden-Mutation eine Krankheit im Sinne der Mitwirkungsklausel vor. Für die Frage, ob eine Krankheit oder ein Gebrechen an der Unfallfolge mitgewirkt habe, sei auf diese Grundkrankheit abzustellen.
Die Hinterbliebenen hatten unter anderem argumentiert, dass die gestörte Blutgerinnung des Versicherten durch die Medikamenteneinnahme nicht unmittelbar zu dem Unfallereignis – dem vorausgehenden Schlaganfall – beigetragen habe. Erst bei der Behandlung des Ereignisses habe sich das Medikament negativ ausgewirkt.
Eine solche Begrenzung auf unmittelbare Ursachen sei § 8 AUB nicht zu entnehmen, führte der BGH aus. Die Klausel nehme gerade keine Einschränkung dahin vor, dass nur eine unmittelbare Mitwirkung ausgeschlossen sei.
Ein durchschnittlicher und um Verständnis bemühter Versicherungsnehmer ohne fachliche Vorkenntnisse müsse die Klausel gerade so verstehen, dass unfallfremde Krankheiten und Gebrechen grundsätzlich zu seinen Lasten gehen. Weiter entnehme er der Klausel, dass es für die Anspruchskürzung genüge, dass Krankheiten und Gebrechen an der Gesundheitsschädigung oder – wie im Streitfall – an ihren Folgen mitgewirkt haben.
Eine solche Mitwirkung sei anzunehmen, wenn sie zusammen mit dem Unfallereignis die Gesundheitsbeeinträchtigung oder deren Folgen ausgelöst und beeinflusst haben – und keine der beiden Ursachen das eingetretene Ergebnis allein herbeigeführt habe.
Bei der Interpretation der Klausel hob der BGH auch auf den Sinn und Zweck ab, der sich dem Versicherungsnehmer offenbaren müsse. So wolle der Unfallversicherer Schutz für Unfälle und deren Folgen bieten, nicht jedoch für unfallfremde Ursachen von Gesundheitsschädigungen und Krankheiten.
Der Sinn und Zweck zeige sich bereits in der Definition des Unfallbegriffs nach AUB, so erläutert der zuständige Vierte Zivilsenat weiter. Unfall werde als Kausalkette definiert, die mit einem plötzlich von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis beginne und zur Gesundheitsschädigung führe. Für bereits bestehende Schäden könne ein Unfallereignis nicht kausal sein – es könne sie allenfalls verschlimmern.
Nach den Ausführungen des Sachverständigen führte das Medikament zu einem nahezu vollständigen Ausfall der Blutgerinnung – einem regelwidrigen Körperzustand, der als Krankheit im Sinne der Mitwirkungsklausel auszulegen sei.
Weil bereits die Grunderkrankung und deren Folgen die Kürzung der Leistung rechtfertigen, spiele es auch keine Rolle, dass der verstorbene Patient sein Medikament ordnungsgemäß und nach Anweisung des Arztes eingenommen habe.
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