Krankentagegeld trotz verletzter Untersuchungsobliegenheit

21.5.2025 – Björn Thorben M. Jöhnke von der Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte berichtet in einem Blog-Beitrag über ein aktuelles Urteil zu einer Krankentagegeldpolice. Demnach hat eine Kundin nach einer Operation zwar ihre Obliegenheit zur Nachuntersuchung verletzt. Doch das berechtigt den Versicherer nicht in jedem Fall dazu, seine vereinbarte Versicherungsleistung zukünftig zurückzuhalten.

Wann verletzt ein Versicherter seine Obliegenheit zur Nachuntersuchung in der Krankentagegeldversicherung? Über diese Frage hat das Landgericht (LG) Kaiserslautern in seinem Urteil vom 13. Juni 2024 (3 O 833/21) entschieden.

Darüber berichtet Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke von der Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte in Partnerschaft mbB in einem Blog-Beitrag.

In dem Rechtsstreit ging es um den Fall einer Sportlehrerin, die 2018 aufgrund von Schmerzen im Bereich der Lendenwirbelsäule vollständig arbeitsunfähig war. Nach Ablauf der vereinbarten Karenzzeit von sechs Wochen erhielt sie täglich 100 Euro von ihrer Krankentagegeldversicherung.

Obliegenheit zur Nachuntersuchung verletzt

Björn Thorben M. Jöhnke (Bild: Jöhnke & Reichow)
Björn Thorben M. Jöhnke (Bild: Jöhnke & Reichow)

Nach einem Vierteljahr ließ der Versicherer die Frau ärztlich untersuchen, um die weitere Leistungspflicht zu prüfen. Demnach war sie weiterhin arbeitsunfähig. Es wurden Tarlov-Zysten diagnostiziert, die die Nervenschmerzen verursachten.

Nachdem die Frau 2019 operiert worden war, bat der Versicherer sie 2020 erneut, sich ärztlich untersuchen zu lassen. Als die Versicherte das ablehnte, berief sich der Versicherer auf eine Verletzung der Nachuntersuchungsobliegenheit. 2021 stellte er die Leistungen ein.

Der Versicherer bezweifelte, dass die Patientin weiterhin vollständig arbeitsunfähig war, da die Tarlov-Zysten bereits zwei Jahre zuvor operiert worden waren. Außerdem argumentierte die Gesellschaft, ihre Kundin habe ihre Obliegenheit zur Nachuntersuchung vorsätzlich verletzt.

Die Sportlehrerin hingegen beharrte darauf, dass sie knapp drei Jahre lang vollständig arbeitsunfähig war. Ihr sei auch nicht vorzuwerfen, die Obliegenheit zur Nachuntersuchung verletzt zu haben. Sie habe sich immer um Termine bemüht und nur eine psychiatrische Begutachtung abgelehnt.

Offenes Krankentagegeld geltend gemacht

Um das noch offene Krankentagegeld für drei Monate geltend zu machen, verklagte die Frau ihren Versicherer vor dem LG Kaiserslautern. Die Richter entschieden, dass das Versicherungsverhältnis weiterhin bestand und der Versicherer der Frau das Krankentagegeld schuldete.

Den nach Ansicht des Gerichts konnte die Frau ihre Arbeitsunfähigkeit bis Mitte 2021 ausreichend nachweisen. In dieser Zeit war es ihr nicht möglich, als Sportlehrerin zu arbeiten. Der Versicherer bewies auch nicht, dass sie in der Zeit eine andere berufliche Tätigkeit ausübte.

Die Frau habe ihre Obliegenheit zur Nachuntersuchung zwar durchaus verletzt. Das konnte sie auch nicht rechtfertigen, weil der Versicherer sein Untersuchungsrecht nicht extensiv oder schikanös nutzte. Doch das befreie den Versicherer nicht von seiner Leistungspflicht.

Arbeitsunfähigkeit oder Berufsunfähigkeit?

„Dies wäre nur der Fall, wenn die Obliegenheitsverpflichtung geeignet gewesen wäre, die Interessen des Versicherers ernsthaft zu gefährden“, erklärt Jöhnke. Der Rechtsanwalt verweist dazu auf ein BGH-Urteil vom 24. Juni 1981 (IVa ZR 133/80).

Es sei auch nicht möglich gewesen, eine eventuelle Berufsunfähigkeit der Frau hervorzusehen, die zur Leistungsfreiheit des Krankentagegeldversicherers geführt hätte. Denn die Beschwerden waren teilweise gelindert und eine zukünftige weitere Besserung wahrscheinlich.

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Schlagwörter zu diesem Artikel
Arbeitsunfähigkeit · Berufsunfähigkeit · Krankentagegeld-Versicherung
 
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