12.8.2025 – Erstreckt sich ein bestimmungswidriger Leitungswasseraustritt sowohl in die beim Vor- als auch beim Nachversicherer versicherte Zeit, muss derjenige Versicherer, der einen Ausgleichsanspruch wegen Mehrfachversicherung geltend macht, darlegen und beweisen, welche Schäden in dem Zeitraum eingetreten sind, in dem Versicherungsschutz bei dem anderen Versicherer bestand, und welche seiner regulierten Beträge gerade auf die Behebung dieser Schäden entfallen sind. Dies hat das Oberlandesgericht München klargestellt.
Ein Immobilienbesitzer wechselte seinen Gebäudeversicherer. Keine drei Monate später entdeckte er einen Feuchtigkeitsschaden im Versicherungsobjekt. Der neue Versicherer regulierte.
Ein Sachverständiger stellte dann fest, dass es sich um einen Langzeitschaden nach einem Rohrbruch handelte und das Schadensereignis bereits vor dem neuen Versicherungsbeginn eingetreten sei. Seit dem Anbieterwechsel sei keine nennenswerte Vergrößerung des Schadens eingetreten.
Daraufhin meinte der Gebäudeversicherer, sein Vorgänger hätte den Schaden regulieren müssen. Schließlich verlangte er vor Gericht von ihm, 18.884,65 Euro nebst Zinsen zu zahlen. Außerdem seien außergerichtliche Gebührenansprüche seiner Kanzlei in Höhe von 1.151 Euro von ihm zu erstatten.
Die Beklagte entgegnete, dass die Klägerin weder aus § 78 Absatz 2 VVG noch aus § 86 VVG einen Anspruch auf Ausgleich ihrer Kosten habe. Die Frage, wann der Versicherungsfall gemäß den Versicherungsbedingungen der Beklagten eingetreten sei, sei in den Versicherungsbedingungen nicht geregelt.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) (IV ZR 151/15) sei davon auszugehen, dass der Versicherungsfall in dem Moment eintrete, in dem er vom Versicherungsnehmer bemerkt werde. Im vorliegenden Fall habe er den Schaden jedoch erst bemerkt, nachdem der Versicherungsvertrag mit der Beklagten bereits beendet war.
Das Landgericht München (LG München) (12 O 17673/21) gab dem Vorversicherer Recht und wies die Klage ab. Zur Begründung heißt es, die Klägerin hätte einen Anspruch aus § 86 VVG auf Erstattung, wenn sich dieser gemäß den Bedingungen der Beklagten in einem Zeitpunkt oder Zeitraum ereignet hätte, bei dem bei der Beklagten Versicherungsschutz bestand.
Denn es gehe nicht um den Ausgleich zwischen zwei Versicherern, die beide gleichzeitig für einen Schaden aufkommen müssten. Vielmehr gehe es darum, dass die Klägerin einen Schaden reguliert habe, für den nach ihrer Meinung ausschließlich die Beklagte haften müsse.
„Das ist jedoch nicht der Fall. Die Beklagte ist nach ihren Versicherungsbedingungen für den eingetretenen Schaden nicht einstandspflichtig“, schreiben die Richter in ihrem Urteil.
Problematisch ist, dass sich der Zeitpunkt des Versicherungsfalls in diesen Fällen häufig nicht sicher feststellen lässt.
Landgericht München
Gemäß den Bedingungen der Beklagten würden versicherte Sachen entschädigt, die durch Leitungswasser zerstört oder beschädigt werden. Ebenso durch Bruchschäden an Rohren der Wasserversorgung.
Allerdings enthielten diese Bedingungen keine zeitliche Eingrenzung, wann bei diesen Schadensereignissen jeweils der Versicherungsfall eintrete. „Der Eintritt des Versicherungsfalls ist auch an keiner anderen Stelle der Versicherungsbedingungen der Beklagten geregelt“, heißt es im Urteil.
Die wörtliche Auslegung der Bestimmung lege nahe, dass der Versicherungsfall bei den bezeichneten Schadensereignissen eintrete, wenn das Rohr breche beziehungsweise Sachen durch austretendes Leitungswasser Schaden nähmen. Problematisch sei, dass sich der Zeitpunkt des Versicherungsfalls in diesen Fällen häufig nicht sicher feststellen lasse. So sei es auch hier.
Für den Zeitpunkt des Versicherungsfalls sei nicht auf den Beginn des Schädigungsvorgangs, sondern auf die Entdeckung des Schadens abzustellen.
Landgericht München
„Wenn es für den Zeitpunkt des Versicherungsfalls darauf ankommt, wann versicherte Sachen Schaden nehmen, handelt es sich um einen gedehnten Versicherungsfall. Bei einem Versicherungswechsel, wie hier, müsste für jede einzelne beschädigte Sache festgestellt werden, wann dies der Fall war“, so die Richter.
Der BGH komme zu dem Ergebnis, dass der Zeitpunkt des Versicherungsschutzes durch den Wortlaut nicht definiert sei, sondern lediglich das, was unter einem Versicherungsfall zu verstehen sei.
„Unter Berücksichtigung des Umstands, dass der Versicherungsnehmer [...] gehalten ist, den Versicherungsfall ‚bei Eintritt‘ unverzüglich anzuzeigen, und dies schwerlich möglich ist, wenn der Schaden noch gar nicht entdeckt wurde, kommt der BGH [...] zu dem Ergebnis, dass für den Zeitpunkt des Versicherungsfalls nicht auf den Beginn des Schädigungsvorgangs, sondern auf die Entdeckung des Schadens abzustellen sei“, wird berichtet.
Die Situation sei auch bei einem Rohrbruchschaden häufig nicht anders. Nur dann, wenn dadurch eine deutliche Menge Wasser austrete, sei davon auszugehen, dass der Schaden alsbald nach seiner Entstehung entdeckt werde.
„Dies ist jedoch nicht immer der Fall, wie der vorliegende Sachverhalt zeigt. Damit ist auch die Interessenlage eines Versicherungsnehmers bei einem Rohrbruchschaden nicht anders zu beurteilen“, führt das Gericht aus.
Würden sich Vertragsparteien bei Abschluss eines solchen Versicherungsvertrags darüber Gedanken machen, welcher Zeitpunkt für den Eintritt des Versicherungsfalls maßgeblich sein soll, würden sie sich auf den Zeitpunkt einigen, an dem der Schaden entdeckt werde. Denn jede andere Regelung sei deutlich schwerer praktikabel.
Außerdem würden an den Eintritt des Versicherungsfalls Obliegenheiten des Versicherungsnehmers geknüpft, die dieser naturgemäß erst mit Kenntnis wahrnehmen könne. Das bedeute, dass auch nach den üblichen Regeln der ergänzenden Vertragsauslegung das Ergebnis so aussehe, dass von einem Eintritt des Versicherungsfalls erst zum Zeitpunkt der Kenntnis auszugehen sei.
Damit sei der verhandelte Versicherungsfall nicht in versicherter Zeit eingetreten und die Klagepartei habe keinen Regressanspruch gemäß § 86 VVG gegen die Beklagte.
Auch ein Anspruch nach § 78 Absatz 2 VVG steht der Klägerin nicht zu, da nicht hinreichend substantiiert dargelegt ist, in Bezug auf welchen konkreten Teil des Schadens vorliegend eine Mehrfachversicherung gegeben ist.
Oberlandesgericht München
Der Nachversicherer ging zwar in Revision, doch das Oberlandesgericht München (OLG München) (25 U 2826/23 e) sah keine Aussicht auf Erfolg. Im Ergebnis zu Recht habe das LG München die Klage abgewiesen, heißt es im Beschluss. Zutreffend habe es entschieden, dass die Klägerin nicht nach § 86 VVG einen Anspruch auf Erstattung der von ihr erbrachten Versicherungsleistungen habe.
Auch ein Anspruch nach § 78 Absatz 2 VVG stehe dem Nachversicherer nicht zu, da nicht hinreichend substantiiert dargelegt sei, in Bezug auf welchen konkreten Teil des Schadens vorliegend eine Mehrfachversicherung gegeben sei.
Die Klägerin habe aber zu Recht geltend gemacht, dass die Beklagte jedenfalls teilweise ebenfalls eintrittspflichtig wäre, wenn man unterstelle, dass sich die Haarrisse in dem Wasserrohr bereits mehrere Monate vor Entdeckung des Schadenfalls und damit noch vor dem Versicherungswechsel gebildet hätten.
Es hätte daher dem Nachversicherer oblegen, im Einzelnen darzulegen und zu beweisen, welche Schäden bereits während des noch bei der Beklagten versicherten Zeitraums eingetreten seien. Ferner, welche der regulierten Beträge auf die Behebung gerade dieser Schäden entfielen, da nur insoweit eine Mehrfachversicherung gegeben und ein Ausgleichsanspruch in Betracht gekommen wäre.
Die Erneuerung des zerstörten Holzbalkens wurde bei der Regulierung durch die Klägerin nicht berücksichtigt.
Oberlandesgericht München
Vorliegend ergebe sich aus dem Sachverständigengutachten, dass aller Wahrscheinlichkeit nach über einen längeren Zeitraum Leitungswasser aus den haarrissförmigen Leckagestellen in geringen Mengen ausgetreten sei und der erste Eintritt des Schadens bereits Monate zurückgelegen habe.
„Allerdings fehlt eine genaue Darlegung dazu, welche Gebäudeteile zu welchem Zeitpunkt durchfeuchtet wurden und welche der regulierten Kosten auf welchen Teil des Schadens entfielen“, heißt es.
Die sichtbare Durchfeuchtung der Wand- und Deckenbeplankung sowie des Fußbodenaufbaus sei erst in der bei der Klägerin versicherten Zeit erfolgt. Die Erneuerung des zerstörten Holzbalkens sei bei der Regulierung durch die Klägerin nicht berücksichtigt worden.
Das OLG München schlägt laut dem Beschluss eine gütliche Einigung vor. Demnach zahlt die Vorversicherung an die Nachversicherung einen Betrag von 2.835 Euro. Damit sind sämtliche streitgegenständlichen Ansprüche abgegolten und erledigt. Von den Kosten des Rechtsstreits in erster und zweiter Instanz tragen die Klagepartei 85 Prozent und die Beklagte 15 Prozent.
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