14.10.2025 – Im Jahr 2024 wurden im Rahmen der Verschonungsbedarfsprüfung rund 3,4 Milliarden Euro an Steuern erlassen, wie aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Grünen hervorgeht. Die Erben und Beschenkten profitierten damit von einem effektiv durchschnittlichen Steuersatz von lediglich 1,6 Prozent des übertragenen Vermögens.
Die Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen wollte in einer Kleinen Anfrage an die Bundesregierung wissen, wie viele Schenkungen und Erbschaften 2024 von der Verschonungsbedarfsprüfung gemäß § 28a ErbStG profitiert haben – und in welchem Umfang.
Die Verschonungsbedarfsprüfung ermöglicht es Erben großer Unternehmensvermögen, eine teilweise oder vollständige Steuerbefreiung zu beantragen. Voraussetzung ist, dass die Zahlung der Erbschaftsteuer den Fortbestand des Betriebs gefährden würde.
Die Regelung wurde eingeführt, um Arbeitsplätze in Familienunternehmen zu sichern. In der Praxis profitieren davon jedoch auch sehr vermögende Erben, wenn sie eine solche Gefährdung glaubhaft machen können.
In ihrer Anfrage verweisen die Grünen auf die zunehmende Vermögensungleichheit in Deutschland. Laut Auswertungen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung e.V. (DIW Berlin) besitzt das reichste Prozent der Bevölkerung, etwa 700.000 Personen, rund ein Drittel des gesamten Nettovermögens. Währenddessen habe fast die Hälfte der Bevölkerung keine Rücklagen von 2.000 Euro (VersicherungsJournal Medienspiegel 24.6.2025).
Nach Ansicht der Grünen verschärfen Erbschaften und Schenkungen diese Ungleichheit weiter – auch, weil große Vermögen in Deutschland steuerlich stark begünstigt seien. Unternehmen mit einem Vermögen ab 26 Millionen Euro könnten dank sogenannter Verschonungsregeln praktisch steuerfrei vererbt werden, ab 300 geerbten Wohnungen entfalle die Steuer ebenfalls.
Durch diese Regelungen habe der effektive Steuersatz auf Milliardenvermögen im letzten Jahr bei gerade einmal 1,5 Prozent gelegen, argumentieren die Grünen weiter, während auf Erwerbsarbeit bei einem durchschnittlichen Haushalt Steuern und Sozialabgaben von rund 40 Prozent entfallen würden.
Die Partei fordert deshalb eine Reform der Erbschaftsteuer, die laut OECD-Empfehlung „die Ansammlung von Riesenvermögen in den Händen weniger“ verhindern sollte.
In ihrer Antwort (Drucksache 21/1969, PDF 439 KB) muss die Bundesregierung einräumen, dass für viele der insgesamt 29 gestellten Fragen keine statistischen Daten vorliegen. So kann sie beispielsweise nicht beantworten,
Auch über die Gesamtheit der Vermögensübertragungen durch Erbschaften und Schenkungen sowie das damit verbundene Volumen liegen keine statistischen Daten vor.
Dies resultiere daraus, dass „Erwerbe von Todes wegen und Schenkungen innerhalb der steuerlichen Freibeträge regelmäßig nicht veranlagt werden und daher auch nicht statistisch erfasst werden können“, heißt es in der Antwort. So tauchen speziell kleinere Erbschaften und Schenkungen aufgrund der geltenden steuerlichen Freibeträge nicht in der Statistik auf.
Nach Angaben des Statistischen Bundesamts wurden im Jahr 2024 Vermögen in Höhe von 113,2 Milliarden Euro vererbt oder verschenkt und steuerlich erfasst – nach 120 Milliarden Euro im Vorjahr.
Darauf entfielen zunächst 13,3 Milliarden Euro an festgesetzter Erbschaft- und Schenkungsteuer, tatsächlich gezahlt wurden jedoch nur rund zehn Milliarden Euro (Vorjahr: 9,3 Milliarden). Rein rechnerisch ergibt sich daraus ein durchschnittlicher Steuersatz von 8,8 Prozent.
Der Verein zur Förderung der Steuergerechtigkeit e.V. weist jedoch darauf hin, dass die Verschonungsbedarfsprüfung zu einer statistischen Verzerrung führe. Weil die Finanzbehörden zunächst alle Vermögen vollständig bewerten müssen, bevor eine mögliche Steuerbefreiung gewährt wird, erscheinen demnach die festgesetzten Steuersätze in der Statistik höher, als sie tatsächlich sind.
Ein erheblicher Teil dieser Beträge werde anschließend wieder erlassen – die offiziellen Zahlen spiegelten somit nicht die real gezahlte Steuerlast wider.
Darüber hinaus wurden im Jahr 2024 insgesamt 45 Steuererlasse nach der Verschonungsbedarfsprüfung gemäß § 28a gewährt, wie die Bundesregierung berichtet: vier bei Erbschaften und 41 bei Schenkungen.
Nach Regierungsangaben summierten sich die übertragenen Vermögen auf insgesamt 11,1 Milliarden Euro. Davon wurden rund 3,4 Milliarden Euro an eigentlich fälligen Steuern erlassen – übrig blieb eine tatsächlich gezahlte Steuerlast von 182 Millionen Euro. Damit wurden rund 1,6 Prozent des übertragenen Vermögens tatsächlich als Steuer gezahlt. Zum Vergleich:
Die Bundesregierung wurde auch gefragt, welchen Anteil sie der Übertragung von Erbschaften und Schenkungen am Vermögensaufbau, an der Vermögenskonzentration und an der Vermögensungleichheit in Deutschland beimisst.
Zur Beantwortung dieser Frage verweist sie auf Zahlen des DIW Berlin. Demnach hat in Deutschland rund jeder Zehnte zwischen 2002 und 2017 eine Erbschaft oder größere Schenkung erhalten. Im Durchschnitt lag der Wert bei rund 85.000 Euro für Erbschaften und 89.000 Euro für Schenkungen.
Die Verteilung sei jedoch sehr ungleich: Die reichsten zehn Prozent der Begünstigten erhielten fast die Hälfte aller übertragenen Vermögen, während die untere Hälfte der Bevölkerung nur etwa sieben Prozent bekam.
„Erbschaften und Schenkungen erhöhen somit die absolute Vermögensungleichheit. Die Bedeutung von kleineren Transfers ist aber am unteren Ende der Vermögensverteilung vergleichsweise groß, was insgesamt die relative Ungleichheit, wie sie der Gini-Koeffizient widerspiegelt, sinken lässt“, schreibt die Bundesregierung.
Die Verschonungsregelungen für die Übertragung von Betriebsvermögen im ErbStG zielen laut Bundesregierung darauf ab, „Unternehmensnachfolgen unter Berücksichtigung der Anforderung an Unternehmensfortführung und Arbeitsplatzerhalt erbschafts- und schenkungsteuerrechtlich zu begünstigen“. Maßgeblich für die steuerliche Beurteilung seien „die Verhältnisse am Besteuerungsstichtag“.
Es bleibe den Steuerpflichtigen unbenommen, von den vom Gesetzgeber vorgesehenen Begünstigungen Gebrauch zu machen.
„Sofern Steuergestaltungsmodelle, die eine gezielte Umgehung der Steuerpflicht bezwecken, bekannt werden sollten, prüft die Bundesregierung in enger Abstimmung mit den Ländern, denen die Ertrags- und Verwaltungskompetenz bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer zusteht, inwieweit die Besteuerung von Erbschafts- und Schenkungsvorgängen durch die geltende Rechtslage sichergestellt wird“, heißt es weiter.
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