Pferdepension muss nicht für Behandlungskosten eines verletzten Tieres aufkommen

25.9.2025 – Nach einem Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt muss ein Reitverein mit angeschlossener Pferdepension nicht für die Verletzung eines Pferdes haften, das sich auf dem Vereinsgelände einen Nagel in den Huf eingetreten hat. Entscheidend war, dass der Verein regelmäßig die zumutbaren Sicherheitsmaßnahmen eingehalten hatte und es zudem keinen Beweis dafür gab, dass die Verletzung allein im Verantwortungsbereich des Vereins entstanden ist.

Eine Frau hatte ihr Pferd auf dem Gelände eines Reit- und Fahrvereins in einer sogenannten Paddock-Box untergebracht. Grundlage war ein Pferdeeinstellvertrag, in dem sich der Verein unter anderem gegen Entgelt verpflichtete, das Tier zu füttern, den Stall zu reinigen und besondere Vorkommnisse zu melden.

Im Dezember 2021 stellte die Frau fest, dass sich ihr Pferd am Hinterhuf verletzt hatte – es war offenbar in einen rostigen Nagel getreten. Die Wunde musste in einer Tierklinik mittels einer Operation behandelt werden. Infolgedessen erlitt das Tier eine schwere Kolik und musste eingeschläfert werden. Die Eigentümerin des Pferdes forderte daraufhin vom Reitverein Schadensersatz für die Behandlungskosten.

Keine Haftung des Reitvereins

Das Landgericht Limburg hatte mit einem Urteil (2 O 311/22) die Klage abgewiesen, weil keine Pflichtverletzung des Stallbetreibers festgestellt werden konnte. Die Klägerin legte dagegen Berufung ein. Ihrer Meinung nach hätte der Reitverein beweisen müssen, dass die Verletzung des Pferdes nicht in der Box entstanden ist.

Der Fall landete schließlich vor dem Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt. Dieses wies die Berufung mit dem Urteil (26 U 24/23) vom 12. November 2024 zurück. Nach Aussagen des OLG liegt die Beweislast, „in wessen Gefahrenkreis die Beschädigung erfolgt ist“, bei der Klägerin. Die Pferdeeigentümerin konnte jedoch nicht überzeugend darlegen, dass sich die Verletzung ausschließlich im Einflussbereich des Reitvereins ereignet hatte.

Die Beweisaufnahme ergab zwar, dass ein Nagel im Hinterhuf des Pferdes steckte. Ein Zeuge, konkret ein ausgebildeter Pferdewirtschaftsmeister, der der Klägerin regelmäßig Reitunterricht erteilte, wurde von ihr am Montagmorgen, dem 6. Dezember 2021, telefonisch darüber informiert, dass das Tier die Box nicht verlassen wollte. Daraufhin sah er sich unter anderem den Pferdehuf an und stellte den Nageleintritt fest.

Voraussetzungen für eine Beweislastumkehr nicht erfüllt

Allerdings konnte die Klägerin nicht beweisen, dass das Pferd am Vortag beschwerdefrei in die Box verbracht wurde und es sich deshalb die Verletzung nur dort hätte zuziehen können. Ferner konnte laut OLG nicht zweifelsfrei festgestellt werden, ob die Klägerin selbst oder eine weitere Zeugin, die eine Reitbeteiligung an dem Pferd hatte und sich regelmäßig darum kümmerte, das Pferd zuletzt versorgte.

Nicht geklärt werden konnte zudem, ob das Pferd an den beiden Tagen vor der Feststellung der Verletzung geritten wurde und inwieweit an diesen Tagen schon Beschwerden bestanden haben.

Selbst wenn die Hufe vor dem Einstallen gereinigt wurden, wie von der Zeugin beschrieben, schließt dies einen Nageltritt auf dem Weg vom Putzplatz zur Box nicht aus, wie das Gericht ausführt. In dem Fall wäre jedoch die Verletzung in der unmittelbaren Obhut der Klägerin beziehungsweise ihrer Hilfsperson, der Zeugin, entstanden.

„Da die Klägerin den Beweis dafür, dass die Verletzung sich im alleinigen Gefahren- und Verantwortungsbereich der Beklagten ereignet hat, nicht erbracht hat, ist für eine Beweislastumkehr hinsichtlich der behaupteten Pflichtverletzung und des Verschuldens der Beklagten kein Raum“, wie das OLG betont. Eine Beweislastumkehr – also die Pflicht des Reitvereins, seine Unschuld zu beweisen – greift also nur, wenn sich der Vorfall klar in dessen Verantwortungsbereich ereignet hätte.

Die Pflichten einer Pferdepension

Der Pferdeeinstellvertrag wurde vom Gericht als sogenannter entgeltlicher Verwahrungsvertrag gewertet – eine Vertragsform, bei der der Reitverein für vertragliche Obhutspflichten und deliktische Verkehrssicherungspflichten haftet. „Die der Beklagten insoweit obliegenden Pflichten beschränken sich allerdings auf die Maßnahmen, die mit einem vernünftigen personellen Aufwand realisierbar und zumutbar sind“, wie das OLG im Urteil hervorhebt.

Ergänzend heißt es: „Die Beklagte war insoweit sicher verpflichtet, durch organisatorische Maßnahmen Sorge dafür zu tragen, dass das Gelände grundsätzlich ohne größere Gefahren von Pferden betreten werden kann, indem sie organisatorisch sicherstellt, dass beispielsweise regelmäßig die Flächen auf dem Gelände und die Boxengasse gereinigt werden oder für besonders gefahrträchtige Arbeiten, wie dem Beschlagen der Pferde, besondere Flächen genutzt werden.“

„Dass die Beklagte diesen allgemeinen Verpflichtungen nicht nachgekommen wäre, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich“, so das OLG.

Ein einzelner Nagel – ein allgemeines Lebensrisiko

Das Gericht stellte jedoch klar: Wenn sich ein Pferd auf dem Vereinsgelände einen einzelnen Nagel in den Huf tritt, während es sich unter der Obhut des Eigentümers oder einer von ihm beauftragten Person befindet, liegt die Verantwortung nicht automatisch beim Reitverein. Solange dieser regelmäßig zumutbare Sicherheitsvorkehrungen trifft, handelt es sich bei einem solchen Vorfall um ein allgemeines Lebensrisiko – nicht um eine Pflichtverletzung des Vereins.

Konkret steht im Urteil: „Tritt ein Pferd sich auf einem von einem Reitverein bewirtschafteten Gelände einen einzelnen Nagel ein, während es sich in der Obhut des Eigentümers oder dessen Hilfsperson befindet, obwohl der Reitverein regelmäßig zumutbare Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der allgemeinen Sicherheit vorgenommen hat, ereignet sich die Verletzung in der Regel nicht dem alleinigen Gefahren- und Verantwortungsbereich des Betreibers der Reitanlage.“

Weiter heißt es: „Vielmehr verwirklicht sich infolge schicksalhaften Verlaufs ein allgemeines Lebensrisiko, für das der Reitverein regelmäßig nicht einzustehen hat.“ Der Reitverein muss somit nicht für die Behandlungskosten des verletzten Tieres aufkommen. Das Urteil ist rechtskräftig – eine Revision wurde nicht zugelassen.

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