4.9.2025 – Die Bundesregierung hat einen Gesetzentwurf verabschiedet, der bei Lebensversicherungen künftig nur noch eine befristete Widerrufsmöglichkeit vorsieht. Damit soll verhindert werden, dass Kunden kleine Beratungsfehler ausnutzen, um auch nach Jahren noch vom Vertrag zurückzutreten. Kritiker sehen jedoch ein Schlupfloch, das neue Rechtsunsicherheit schaffen könnte.
Die Bundesregierung hat am Mittwoch das sogenannte Gesetz zur Änderung des Verbrauchervertrags- und des Versicherungsvertragsrechts (PDF, 510 KB) beschlossen. Federführend ist hierbei das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz. Damit setzt die Bundesregierung zwei EU-Richtlinien um, die ein hohes Verbraucherschutzniveau sichern sollen:
Die geplanten Neuregelungen betreffen auch die Tätigkeit von Vermittlern. Vorgesehen sind neue Pflichten bei der Vermittlung im Direktgeschäft und zusätzliche Informationspflichten im Fernabsatz.
Der Entwurf geht nun in den Bundestag, danach befasst sich der Bundesrat damit. Da es sich um ein Einspruchsgesetz handelt, müssen die Länder nicht zustimmen. Sie könnten lediglich Einspruch erheben – den der Bundestag aber mit Mehrheit zurückweisen kann.
Bei Fernabsatzverträgen, die über eine Online-Benutzeroberfläche geschlossen werden, sollen Unternehmer zukünftig verpflichtet werden, einen elektronischen Widerrufsbutton bereitzustellen. Dies sieht der geänderte § 356a BGB vor. Die Widerrufsfunktion muss gut lesbar mit „Vertrag widerrufen“ oder einer anderen gleichbedeutenden und eindeutigen Formulierung gekennzeichnet sein.
Die Widerrufsfunktion muss während der 14-tägigen Widerrufsfrist auf der Online-Benutzeroberfläche ständig verfügbar, hervorgehoben platziert und für den Verbraucher leicht zugänglich sein. Sie muss es zudem ermöglichen, eine wirksame Widerrufserklärung an den Unternehmer zu übermitteln.
Laut Ministerium soll die Pflicht für den Widerrufsbutton für den Verkauf von Waren, Dienstleistungen und Finanzdienstleistungen gelten.
„Der Widerrufsbutton macht für Verbraucherinnen und Verbraucher das Leben einfacher. Kein kompliziertes Suchen – keine mühsamen Verfahren: Mit dem Button ist der Widerruf eine Sache weniger Klicks. Höchste Zeit, dass wir diese unbürokratische Lösung zum Standard machen“, sagt Bundesjustizministerin Dr. Stefanie Hubig.
Die Bundesregierung will mit dem Gesetzentwurf das sogenannte „ewige Widerrufsrecht“ einschränken.
Zum jetzigen Zeitpunkt kann ein Vertrag unter bestimmten Voraussetzungen ohne Frist widerrufen werden, wenn ein Unternehmen vor Vertragsschluss seine Informationspflichten nicht erfüllt hat. Das gilt vor allem bei einer fehlerhaften Widerrufsbelehrung:
Wenn Verbraucher bei bestimmten Verträgen (zum Beispiel Kreditverträgen, Lebensversicherungen, Bausparverträgen) nicht ordnungsgemäß über ihr Widerrufsrecht belehrt wurden, dann beginnt die übliche Widerrufsfrist gar nicht erst zu laufen.
Das will die Bundesregierung ändern. Zukünftig soll ein Vertrag über Finanzdienstleistungen höchstens zwölf Monate und 14 Tage nach Vertragsschluss widerrufen werden dürfen. Bei Lebensversicherungen soll eine Ausschlussfrist von 24 Monaten und 30 Tagen gelten.
Das zuständige Bundesjustizministerium spricht im Pressetext davon, dass der ewige Widerruf zu „unbilligen Ergebnissen“ geführt habe, wenn ein Belehrungsfehler nebensächlich war.
Verbraucher konnten demnach schon kleine formale Fehler ausnutzen, um einen Vertrag auch Jahre später rückabwickeln zu lassen – auch wenn sie im Kern korrekt und umfassend belehrt wurden.
Nun soll § 8 VVG in Verbindung mit weiteren Rechtsnormen derart angepasst werden, dass dies zukünftig nicht mehr möglich ist. Eine fehlerhafte Widerrufsbelehrung führt demnach nicht mehr in jedem Fall zu einem unbegrenzten Widerrufsrecht.
Doch es gibt einen Haken: In den Erläuterungen zum Gesetzentwurf wird ausgeführt, dass eine Information über das Rücktrittsrecht nicht so fehlerhaft sein dürfe, „dass dem Versicherungsnehmer die Möglichkeit genommen wird, sein Rücktrittsrecht im Wesentlichen unter denselben Bedingungen wie bei zutreffender Belehrung auszuüben.“ Dies schreibe die EU-Gesetzgebung vor.
Demgemäß greift die vorgesehene Widerrufsfrist für Lebensversicherungen nur dann, wenn der Versicherungsnehmer „nach dem neu gefassten § 8 Absatz 2 Satz 2 Nummer 2 VVG ordnungsgemäß über sein Widerrufsrecht belehrt wurde.“
Der AfW – Bundesverband Finanzdienstleistung e.V. warnt, dass die Forderung nach einer „ordnungsgemäßen“ Belehrung ein Einfallstor sei, durch das der ewige Widerruf faktisch bestehen bleibt – entgegen dem erklärten Willen des Gesetzgebers (VersicherungsJournal 16.7.2025). Das resultiere auch daraus, dass der Begriff unpräzise sei.
Der Verband fordert daher, dass nur das vollständige Fehlen einer Widerrufsbelehrung den Fristbeginn verhindern darf. Das könnte jedoch in Konflikt mit Urteilen des Europäischen Gerichtshofs stehen.
Der Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. sieht im Wegfall des ewigen Widerrufs hingegen einen Eingriff in Verbraucherrechte. „Damit wird ohne zwingenden Grund eine zentrale Errungenschaft der Reform des Versicherungsvertragsgesetzes abgeschafft“, heißt es in einem am Mittwoch versendeten Newsletter.
Darüber hinaus können Verbraucher laut Gesetzentwurf zukünftig nicht mehr verlangen, dass der Unternehmer ihnen die Vertragsbedingungen in Papierform übermittelt. Es reicht, wenn diese in digitaler Form dauerhaft zur Verfügung gestellt werden.
Das gilt auch für Versicherungen: So soll § 7 VVG entsprechend abgeändert werden. „Der Wegfall trägt der zunehmenden Digitalisierung Rechnung und führt gleichzeitig auch zu einer Entlastung bei Unternehmern“, heißt es hierzu im Gesetzentwurf. Weitere geplante Neuregelungen sind:
Dennis Wolfram - Der „ewige Widerruf” bleibt doch bestehen. mehr ...
Peter Schramm - Materiell ändert sich zur ohnehin bestehenden Rechtslage gar nichts. mehr ...
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