13.6.2025 – Vertrauensverlust in Institutionen samt Versicherer, Sterblichkeitsrisiken, digitale Technologien: Hier lauert ein Gefahrenpotenzial, das große Auswirkungen auf Gesellschaft, Wirtschaft und Versicherungsbranche entfalten könnte, stellt das Swiss Re Institute fest. Vielfältige Folgen sieht es aber vor allem durch extreme Hitzewellen drohen: für Gesundheit, Infrastruktur, Landwirtschaft und nicht zuletzt in Bezug auf Haftungsfragen.
Fünf „strukturelle“ Risiken, dazu fünf kurzfristige und drei mittelfristige „neuartige“ Risiken identifiziert das Swiss Re Institute (SRI) in seinem am Donnerstag veröffentlichten „Sonar“-Bericht.
In dieser Reihe beleuchtet der Rückversicherer jährlich Risiken, die sich neu entwickeln oder verändern, schwer zu quantifizieren sind und größere Auswirkungen auf Gesellschaft, Wirtschaft und Versicherungen haben könnten (VersicherungsJournal Archiv).
Die möglichen Auswirkungen der 13 Risiken im aktuellen Bericht werden in fünf Fällen als hoch, in sechs als „mittel“ und in zwei Bereichen als niedrig eingeschätzt.
Eines der strukturellen Risiken mit potenziell großem Effekt ist nach Einschätzung des SRI das schwindende Vertrauen der Verbraucher in Institutionen, einschließlich der Versicherungswirtschaft. Mögliche Folgen: der Verzicht auf Versicherungen und Reputationsrisiken für Versicherer.
Unsicherheiten sieht das SRI auch für die Lebens- und Krankenversicherung. Hintergrund dafür sind Sterblichkeitsrisiken im Zusammenhang etwa mit Pandemien, dem Klimawandel oder den Folgen von Naturkatastrophen.
Risiken, die aus der fortschreitenden Digitalisierung entstehen, stuft das SRI ebenfalls als hoch ein. Besonders die Haftpflichtversicherung stehe dabei im Scheinwerferlicht. Mit dem Vormarsch der künstlichen Intelligenz (KI) seien auch die damit verbundenen Risiken gestiegen.
„Die Versicherungsbranche steht am Anfang des Produktentwicklungszyklus für KI-spezifische Risiken, und ein besseres Verständnis der zugrunde liegenden Risiken wird ihr helfen, Deckungen klar zu beschreiben, Ausschlüsse festzulegen und Wortlaute zu standardisieren“, merkt das SRI an.
Unter den „neuartigen Risiken“, die bereits kurzfristig relevant sind, sortiert das SRI extreme Hitze ein. Sie habe früher als „unsichtbare Gefahr“ gegolten, weil die Folgen nicht so offensichtlich seien wie bei anderen Naturgefahren, sagt Jérôme Haegeli, Group Chief Economist von Swiss Re.
„Angesichts des eindeutigen Trends zu längeren und heißeren Hitzewellen ist es wichtig, dass wir aufzeigen, wie groß die Auswirkungen auf Menschenleben, Wirtschaft, Infrastruktur, Landwirtschaft und Gesundheitswesen tatsächlich sind“, fügt Haegeli hinzu.
Aktuellen Daten zufolge seien rund 480.000 Todesfälle pro Jahr auf extreme Hitzewellen zurückführen – mehr als durch Überschwemmungen, Erdbeben und Hurrikane zusammengenommen. Hitzestress könne zu Erschöpfung, Hitzschlag und Organversagen führen und Herz-Kreislauf- und Atemwegserkrankungen verschlimmern.
Extreme Hitze könne außerdem andere neuartige Risiken verschärfen, etwa die Gefahr durch giftige Pilze, die bei höheren Temperaturen gedeihen und den menschlichen Körper befallen können. Aber auch Risiken wie Ernteausfälle und Schäden in der Arbeiterunfallversicherung könnten zunehmen.
In Verbindung mit Wind können Hitzewellen zudem die Waldbrandgefahr erhöhen, betont das SRI. Von 2015 bis 2024 verursachten Waldbrände den Angaben zufolge weltweit 78,5 Milliarden US-Dollar an versicherten Schäden.
Extreme Hitzewellen seien auch für einzelne Branchen eine Gefahr. „So bestehen etwa im Telekommunikationssektor erhebliche Risiken in Bezug auf das Versagen von Kühlungen in Rechenzentren oder Schäden an Erdkabeln.“
Hinzu komme, dass sich Haftungsrisiken abzeichnen, wenn Unternehmen und Institutionen keine Maßnahmen zur Minderung hitzebedingter Schäden ergreifen. Extremhitze könnte also zu mehr Rechtsstreitigkeiten und bei Versicherern zu mehr Haftpflichtschäden führen.
Das SRI verweist auch auf eine 2021 in den USA erhobene Klage gegen Energieunternehmen, in der Milliarden an Schadenersatz für Folgen des Klimawandels gefordert werden.
Das fünfte Risiko mit potenziell großen Effekten betrifft aus Sicht des SRI den Themenkreis „Deepfakes“ und Desinformation. Hier bestehe das Potenzial, Vertrauen in Institutionen inklusive der Versicherungsindustrie zu untergraben.
Weitere acht Risiken, denen das SRI potenzielle Auswirkungen mittleren oder niedrigen Grades beimisst, sind in der Tabelle unten überblicksartig dargestellt.
Möglicher Grad der Auswirkungen | Strukturelle Risiken | Neuartige Risiken (kurzfristig) | Neuartige Risiken (mittelfristig) |
---|---|---|---|
Auf Basis des „Sonar“-Reports „New emerging risk insights“ vom Juni 2025 (Swiss Re Institute) | |||
hoch
| Schwindendes Vertrauen der Verbraucher in Institutionen, auch in Versicherer Sterblichkeitsrisiken (etwa durch Pandemien, Klimawandel, Folgen von Naturkatastrophen) – Unsicherheit für Schäden und Rückstellungen in der Lebens- und Krankenversicherung Digitale Technologien: zunehmende Digitalisierung, mehr Rechtsstreitigkeiten; Datenschutz- und Urheberrechtsverletzungen – ein Thema vor allem für die Haftpflichtversicherung | Extreme Hitze: multiple Auswirkungen auf Versicherer Deepfakes und Desinformation erleichtern Versicherungsbetrug | – |
mittel
| „Soziale Inflation“ (etwa durch steigende Schadenersatzforderungen, steigende Prozesskosten und so weiter) kann zu höheren Haftpflichtschäden führen Alterung der Bevölkerung dämpft Nachfrage nach Risikolebensversicherungen | Neue Dimensionen beim Schadenpotenzial durch Pilze Haftungsrisiken durch den Einsatz neuer Technologien in der Gesundheitsversorgung | „Neue Prozesswelle“ im Zusammenhang mit Kunststoffen? (Umweltschäden, mögliche gesundheitliche Schäden durch Mikro- oder Nanoplastik) Aufkommende Personallücken und Qualifikationsdefizite |
niedrig
| – | Erweiterter Einsatz von Drohnen: Risiken für Luftraum, kritische Infrastruktur, Lieferketten, Datenschutz | Gesundheits- und Haftungsrisiken infolge hohen Konsums hochverarbeiteter Lebensmittel |
Das „Swiss Re Sonar – New emerging risk insights“ kann als PDF-Dokument von der Website des Swiss Re Institute heruntergeladen werden.
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