13.6.2025 – Nach dem Scheitern der dritten Tarifrunde sondieren derzeit der Arbeitgeberverband der Versicherer und die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi in Gesprächen, wann zu einer neuen Verhandlungsrunde angesetzt werden kann. Beide Seiten bekunden Bereitschaft, vor der Sommerpause einen neuen Tarifvertrag für den Versicherungsinnendienst anzustreben.
Rund 183.000 Beschäftigte des Versicherungsinnendiensts stehen derzeit ohne gültigen Tarifvertrag da. Das bisherige Dokument lief bereits Anfang März aus – seither scheiterten alle Verhandlungen.
Nach der dritten Tarifrunde am 23. Mai in Düsseldorf herrschte auf beiden Seiten Ernüchterung. Der Arbeitgeberverband der Versicherungsunternehmen in Deutschland e.V. (AGV) kritisierte, die Verhandlungen seien „sang- und klanglos“ von Ver.di – Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft abgebrochen worden, obwohl man sich deutlich bewegt habe (VersicherungsJournal 28.5.2025).
Das verbesserte Angebot der Arbeitgeber sah unter anderem vor, dass die Tarifgehälter in der ersten Tarifstufe deutlicher angehoben werden: um 4,8 Prozent statt 3,6 Prozent. Insgesamt war eine Laufzeit von 28 statt zuvor 35 Monaten vorgesehen und eine Gesamtsteigerung der Gehälter um 8,1 Prozent.
Verdi lehnte das Angebot der Arbeitgeber als „unzureichend“ ab und hält an ihrer bisherigen Forderung fest: zwölf Prozent mehr Lohn innerhalb eines Jahres. Das sei notwendig, um erlittene Reallohnverluste auszugleichen, die durch die hohe Inflation infolge des Ukrainekrieges entstanden seien. Zahlreiche Warnstreiks waren die Folge – mit Aussicht auf unbefristete Streiks.
Doch trotz der angespannten Lage setzen beide Seiten weiter auf Dialog. Am Montag vor Pfingsten trafen sich Vertreter von AGV und Verdi zu einem Sondierungsgespräch im kleinen Kreis in München, um das weitere Vorgehen auszuloten.
Ein Tarifabschluss war an diesem Tag noch nicht möglich, da dafür ein Mandat des AGV-Vorstands sowie der Großen Tarifkommission von Verdi erforderlich ist. Deshalb ging es noch nicht um konkrete Ergebnisse, sondern darum auszuloten, ob eine tragfähige Basis für neue Verhandlungen besteht.
Beide Parteien signalisierten, in welchen Punkten sie sich grundsätzlich eine Annäherung vorstellen könnten. Im Anschluss beraten die zuständigen Gremien beider Seiten über die nächsten Schritte – diese internen Abstimmungen laufen derzeit.
Die Arbeitgeberseite hat bisher nur punktuelle Verbesserungen in Aussicht gestellt. Die Realeinkommen wären nach Auslaufen der Tarifvereinbarung niedriger als 2020.
Martina Grundler, Verdi
Aus den Gesprächen berichten beide Seiten, dass eine Annäherung schwierig bleibt. „Die Arbeitgeberseite hat am 2. Juni nur punktuelle Verbesserungen in Aussicht gestellt“, sagt Martina Grundler, Verhandlungsführerin für Verdi. Mit dem aktuellen Angebot wolle sich die Gewerkschaft nicht zufriedengeben.
„Da die Reallohnverluste beim Angebot der Arbeitgeber nur rund zur Hälfte ausgeglichen würden, wären die Realeinkommen in der Branche nach Auslaufen der Tarifvereinbarung im Jahr 2027 immer noch rund vier Prozent niedriger als 2020 – und das nach wirklich guten Geschäftsjahren in der Branche“, erklärt Grundler gegenüber dem VersicherungsJournal.
„Während Corona hat es zumindest flächendeckend in der Branche keine Ausgleichszahlungen gegeben. In 2023 und 2024 wurde jeweils eine Inflationsausgleichsprämie von 1.000 Euro gezahlt. Diese Zahlungen haben im jeweiligen Jahr den inflationsbedingten Reallohnverlust zwar abgemildert, aber nicht vollständig ausgeglichen“, so die Gewerkschafterin.
„Wir reagieren erst einmal mit weiteren Streikmaßnahmen und hoffen, dass sich noch mehr Beschäftigte am Streik beteiligen“, kündigt Grundler an. An den Streikversammlungen am 28. Mai und 2. Juni hätten sich bereits rund 7.000 Beschäftigte beteiligt. „Im Streik waren mehr Beschäftigte, weil nicht alle zur Streikversammlung kommen. Diese Streikenden können wir aber nicht erfassen“, ergänzt sie.
Entsprechend hohe Reallohnverluste hat der AGV bestritten. Die Versicherungswirtschaft habe 2.000 Euro von möglichen 3.000 Euro steuerfreier Inflationsausgleichsprämie fix per Tarifvertrag vereinbart.
Bezüglich der weiteren 1.000 Euro habe es eine Empfehlung des AGV gegeben, welcher rund 90 Prozent der Mitgliedsunternehmen gefolgt seien.
Auch die Tariferhöhung für 2024 in Höhe von 3,0 Prozent habe bereits über der Inflationsrate des Jahres gelegen. Mit dem aktuell unterbreiteten Angebot könne auch die Inflation der Jahre 2022 und 2023 weitestgehend kompensiert werden.
Die Terminfindung gestaltet sich als schwierig. Aber es zeichnet sich ab, dass Anfang Juli verhandelt wird.
Sebastian Hopfner, AGV
Trotz der unterschiedlichen Positionen sind sich beide Seiten einig, dass schnell ein Tarifabschluss erzielt werden muss. Das bestätigt Dr. Sebastian Hopfner, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des AGV.
„Es ist zutreffend, dass es am 2. Juni ein Sondierungsgespräch gab. Ergebnis dieses Gesprächs ist, dass es noch vor den bundesweiten Sommerferien eine vierte Verhandlungsrunde geben soll. Auf dieser soll letztmals der Versuch unternommen werden, noch vor Herbst auf Grundlage des zuletzt seitens des AGV unterbreiteten Angebotes ein Verhandlungsergebnis zu erzielen“, berichtet der Fachanwalt dem VersicherungsJournal.
„Die Terminfindung gestaltet sich als schwierig. Es zeichnet sich aber ab, dass Anfang Juli verhandelt wird. Sobald der Termin steht, werden wir diesen über unseren öffentlich zugänglichen Rundschreibendienst TN (Tarif-Nachrichten) kommunizieren“, so Hopfner weiter.
Ähnlich positioniert sich Grundler. „Wir sind mit dem Arbeitgeberverband zur Festlegung einer vierten Verhandlungsrunde im Gespräch. Wir gehen davon aus, dass diese Runde vor der Sommerpause stattfindet, und halten das auch für erforderlich“, sagt die Gewerkschafterin.
Als weitere Gewerkschaft ist der Deutsche Bankangestellten-Verband e.V. (DBV) – Gewerkschaft der Finanzdienstleister beteiligt. Sie hatte grundsätzlich Verhandlungsbereitschaft signalisiert und ebenfalls die Notwendigkeit betont, ein schnelles Ergebnis zu erzielen.
„Für die Beschäftigten wäre ein zeitnaher Abschluss sehr wichtig gewesen“, hatte sich Verhandlungsführerin Ute Beese nach dem Scheitern der dritten Runde positioniert.
Trotzdem sieht auch der DBV noch Nachverbesserungsbedarf. Beese kritisiert, dass auch das verbesserte Angebot der Versicherer noch deutlich unter dem Abschluss vergleichbarer Branchen liege, und äußerte sich enttäuscht. Demnach konnte für den Innendienst privater Banken ein Gehaltsplus von 10,5 Prozent über einen Zeitraum von 28 Monaten durchgesetzt werden.
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