29.7.2025 – Die Finanz- und Versicherungsbranche verzeichnet den höchsten Anteil an Beschäftigten mit regelmäßigen Überstunden. Rund 20 Prozent von ihnen bekommen diese Mehrarbeit nicht vergütet. Noch häufiger bleibt Überstundenarbeit allerdings im Bereich „Erziehung und Unterricht“ unbezahlt – dort erhält mehr als jede zweite Person keine Gegenleistung.
Das Statistische Bundesamt (Destatis) hat Zahlen vorgelegt, wie viele Beschäftigte in Deutschland Überstunden leisten. Die Daten stammen aus dem Mikrozensus 2024. Im Rahmen der amtlichen Befragung gibt jedes Jahr rund ein Prozent der Bevölkerung stellvertretend für alle Haushalte in Deutschland zu seiner Lebens- und Arbeitssituation Auskunft.
Die Daten des Mikrozensus wurden auf 39,075 Millionen abhängig Beschäftigte hochgerechnet. Dazu zählen auch Teilzeitkräfte und geringfügig Beschäftigte. Von ihnen gaben insgesamt 4,375 Millionen Personen, also rund elf Prozent, an, in der Erhebungswoche mehr gearbeitet zu haben als vertraglich vereinbart.
Dabei zeigen sich deutliche Unterschiede zwischen den einzelnen Wirtschaftsbereichen. Den höchsten Anteil an Mehrarbeit verzeichnet die Finanz- und Versicherungsbranche. Von hochgerechnet 1,178 Millionen Beschäftigten gaben 197.000 an, mehr Stunden geleistet zu haben als vereinbart. Dies entspricht einem Anteil von 16,7 Prozent.
Auf Rang zwei folgt die Energieversorgung mit einem Anteil von 15,9 Prozent. Hier leisteten rund 65.000 von 409.000 Beschäftigten Mehrarbeit. Die öffentliche Verwaltung und Sozialversicherung belegt mit 14,8 Prozent den dritten Platz.
Dahinter folgen auf den Rängen drei bis sechs freiberufliche, wissenschaftliche und technische Dienstleistungen (14,0 Prozent), Information und Kommunikation (13,4 Prozent), Wasser-, Abwasser- und Abfallentsorgung (12,6 Prozent) sowie Erziehung und Unterricht (12,4 Prozent).
Rang | Branche | Beschäftigte gesamt* | Beschäftigte mit Mehrarbeit* | Anteil (%)** |
---|---|---|---|---|
Quelle: Destatis/Mikrozensus 2024; * Beschäftigte in 1.000; ** Prozent aller abhängig Beschäftigten in der Branche, die in der Berichtswoche mehr gearbeitet haben als vertraglich vereinbart. | ||||
1 | Finanz- und Versicherungsdienstleistungen | 1.178 | 197 | 16,72 |
2 | Energieversorgung | 409 | 65 | 15,89 |
3 | Öffentliche Verwaltung, Sozialversicherung, Exterritoriales | 3.080 | 456 | 14,81 |
4 | Freiberufliche, wissenschaftliche und technische Dienstleistungen | 1.868 | 262 | 14,02 |
5 | Information und Kommunikation | 1.592 | 213 | 13,38 |
6 | Wasser-, Abwasser-, Abfallentsorgung, Umweltschutz | 278 | 35 | 12,59 |
7 | Erziehung und Unterricht | 2.755 | 342 | 12,41 |
8 | Verarbeitendes Gewerbe und Bergbau | 7.600 | 942 | 12,39 |
9 | Land- und Forstwirtschaft, Fischerei | 284 | 33 | 11,62 |
10 | Verkehr und Lagerei | 2.002 | 206 | 10,29 |
11 | Sonstige Dienstleistungen inklusive private Haushalte | 1.172 | 120 | 10,24 |
12 | Gesundheits- und Sozialwesen | 5.710 | 578 | 10,12 |
13 | Grundstücks- und Wohnungswesen | 317 | 31 | 9,78 |
14 | Handel, Instandhaltung, Kfz | 4.944 | 444 | 8,98 |
15 | Baugewerbe | 2.310 | 199 | 8,62 |
16 | Kunst, Unterhaltung, Erholung | 425 | 34 | 8,00 |
17 | Sonstige wirtschaftliche Dienstleistungen | 1.789 | 136 | 7,60 |
18 | Gastgewerbe | 1.359 | 82 | 6,03 |
Vergleichsweise gering ist der Anteil der Beschäftigten mit Mehrarbeit im Baugewerbe (8,62 Prozent), in der Branche Kunst, Unterhaltung und Erholung (8,00) und bei den sonstigen wirtschaftlichen Dienstleistungen (7,60). In Letzteres fallen beispielsweise Callcenter-Services, Sicherheitsdienste oder Autovermietungen. Im Gastgewerbe schließlich arbeiteten nur 6,03 Prozent der Beschäftigten mehr als vertraglich vereinbart.
Die Statistik zeigt auch, wie hoch der Anteil der Beschäftigten ist, deren Mehrarbeit durch Geld, Freizeitausgleich oder überhaupt nicht vergütet wurde. Für einzelne Branchen wie Land- und Forstwirtschaft, Wasserversorgung oder das Grundstücks- und Wohnungswesen liegen jedoch keine oder nur unvollständige Daten vor.
Branchenübergreifend leistete im Jahr 2024 knapp jeder Fünfte (neunzehn Prozent) der Beschäftigten mit Mehrarbeit unbezahlte Überstunden. Sechzehn Prozent erhielten eine Bezahlung für die zusätzlich geleistete Arbeit. Einundsiebzig Prozent nutzten ein Arbeitszeitkonto zum Ausgleich. In vielen Fällen wurden mehrere dieser Formen kombiniert.
„Es ist zu beachten, dass eine Person sowohl Arbeitszeitkonten als auch Überstunden angeben kann, folglich ist die Summe aller drei Varianten höher als das Gesamtergebnis der Personen in Mehrarbeit“, teilt das Statistische Bundesamt zur Interpretation der Daten mit.
In den Finanz- und Versicherungsdienstleistungen gaben hochgerechnet 41.000 Personen an, unbezahlte Mehrarbeit geleistet zu haben – das entspricht 20,8 Prozent aller 197.000 Beschäftigten mit angesammelten Überstunden. Die große Mehrheit, 149.000 Mitarbeiter oder 75,6 Prozent, konnte ihre Überstunden ganz oder teilweise über ein Arbeitszeitkonto ausgleichen.
Innerhalb der neun Branchen, zu denen statistisch valide Zahlen zu unbezahlter Mehrarbeit vorliegen, bedeutet dies Rang vier. Absoluter Spitzenreiter ist hier die Branche „Erziehung und Unterricht“, wo 56,1 Prozent der Mehrarbeiter beziehungsweise 192.000 Personen angaben, von unbezahlter Mehrarbeit betroffen zu sein.
Danach folgen die „freiberuflichen, wissenschaftlichen und technischen Dienstleistungen“ auf Rang zwei, wo 31,7 Prozent der Mehrarbeiter beziehungsweise 83.000 Personen angaben, unbezahlte Überstunden zu leisten. Hierzu zählen zum Beispiel Angestellte in Steuer- oder Architekturbüros.
Die Branche „Information und Kommunikation“ platziert sich mit 29,1 Prozent aller Mehrarbeiter beziehungsweise 62.000 Personen mit unbezahlter Vergütung auf Rang drei.
In den betrachteten neun Branchen gaben insgesamt 850.000 Beschäftigte an, unbezahlte Überstunden zu leisten. Da jedoch nur für rund die Hälfte der Branchen belastbare Daten vorliegen, lässt sich der Gesamtumfang nicht zuverlässig beziffern.
Rang | Branche | Unbezahlte Mehrarbeit* |
---|---|---|
Quelle: Destatis/Mikrozensus 2024, * prozentualer Anteil an allen Personen mit Mehrarbeit, die angaben, unbezahlte Überstunden zu leisten. | ||
1 | Erziehung und Unterricht | 56,1 |
2 | Freiberufliche, wissenschaftliche und technische Dienstleistungen | 31,7 |
3 | Information und Kommunikation | 29,1 |
4 | Finanz- und Versicherungsdienstleistungen | 20,8 |
5 | Handel, Instandhaltung, Kfz-Reparatur | 17,3 |
6 | Verarbeitendes Gewerbe inklusive Bergbau | 16,1 |
7 | Verkehr und Lagerei | 15,5 |
8 | Gesundheits- und Sozialwesen | 10,6 |
9 | Öffentliche Verwaltung, Sozialversicherung | 7,2 |
Zwar gibt der Mikrozensus Aufschluss darüber, wie viele Beschäftigte je Branche Überstunden leisten. Zum Umfang der Überstunden – also zur durchschnittlichen Zahl pro Person oder zur Gesamtsumme je Branche – liegen hingegen keine auswertbaren Daten vor.
Hierzu teilt eine Sprecherin auf Anfrage mit: „Eine Kombination von Wirtschaftszweigen und Stunden würde mangels Fallzahlen zu keiner aussagefähigen Tabelle führen und somit können wir so eine Sonderauswertung nicht zur Verfügung stellen“.
Branchenübergreifend war für die meisten Beschäftigten der Umfang der Mehrarbeit auf wenige Stunden pro Woche begrenzt. 45 Prozent gaben an, im Schnitt weniger als fünf Überstunden pro Woche geleistet zu haben. Insgesamt 73 Prozent blieben unter zehn Stunden. Immerhin 15 Prozent der Befragten berichteten jedoch von wöchentlicher Mehrarbeit von mindestens 15 Stunden.
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