10.9.2025 – Das WSI warnt davor, die tägliche Höchstarbeitszeit – wie von der Bundesregierung geplant – abzuschaffen. Das könnte zu negativen Folgen für die Beschäftigten führen. Für den Versicherungsinnendienst bestehen schon jetzt tarifliche Vereinbarungen, die eine Flexibilisierung der Arbeitszeit ermöglichen.
Die Bundesregierung plant, das Arbeitszeitgesetz zu flexibilisieren und damit auch eine längere Höchstarbeitszeit pro Tag zu ermöglichen. Aktuell gilt § 3 ArbZG. Darin heißt es:
„Die werktägliche Arbeitszeit der Arbeitnehmer darf acht Stunden nicht überschreiten. Sie kann auf bis zu zehn Stunden nur verlängert werden, wenn innerhalb von sechs Kalendermonaten oder innerhalb von 24 Wochen im Durchschnitt acht Stunden werktäglich nicht überschritten werden.“
Künftig soll nach dem Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD (VersicherungsJournal 9.4.2025, 11.4.2025) nicht mehr die tägliche, sondern eine wöchentliche Höchstarbeitszeit maßgeblich sein. Wie genau dies ausgestaltet wird, will die Bundesregierung im Dialog mit den Tarifpartnern – also Arbeitgebern und Gewerkschaften – klären.
Was die geplante Lockerung der Arbeitszeit konkret bedeutet, darüber herrscht Uneinigkeit. Die Formulierungen im Koalitionsvertrag lassen erkennen, dass die Abschaffung der täglichen Höchstarbeitszeit nicht automatisch eine Ausweitung der Wochenarbeitszeit nach sich ziehen soll.
So ist darin vorgesehen, Zuschläge für Mehrarbeit steuerfrei zu stellen, wenn sie über die tariflich vereinbarte oder an Tarifverträgen orientierte Vollzeitarbeit hinausgehen. Als Vollzeitarbeit gelten dabei bei Tarifverträgen mindestens 34 Wochenstunden, bei nicht tariflich geregelten Arbeitszeiten 40 Stunden. Außerdem wird betont: „Kein Beschäftigter darf gegen seinen Willen zu höherer Arbeitszeit gezwungen werden.“
Das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut (WSI), eine Forschungseinrichtung der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung, warnt dagegen vor deutlich längeren Arbeitstagen. Beschäftigte könnten demnach künftig gezwungen sein, zwölf Stunden und mehr pro Tag zu arbeiten.
Das WSI hat eine Umfrage bei der unter der Marke Verian Group auftretenden Mantle Germany GmbH in Auftrag gegeben. Dabei wurden 2.012 Beschäftigte im Alter von 18 bis 67 Jahren online befragt. Sie sollten angeben, welche Auswirkungen sie von längeren täglichen Arbeitszeiten erwarten – und ob sie schon heute gelegentlich mehr als zehn Stunden pro Tag arbeiten.
Etwa jeder achte Beschäftigte beziehungsweise 12,1 Prozent stimmt demnach zu, dass er bereits heute an einzelnen Tagen länger als zehn Stunden arbeitet. Davon sind Männer mit 15,4 Prozent häufiger betroffen als Frauen mit 8,0 Prozent.
Zudem ist die Fragmentierung der Arbeitszeit ein weit verbreitetes Phänomen. 37,6 Prozent der Befragten – also mehr als jeder Dritte – geben an, dass sie ihre Arbeit aus privaten Gründen gelegentlich für mehrere Stunden unterbrechen und anschließend nach 19:00 Uhr weiterarbeiten.
Als Gründe für die gelegentliche Arbeitsunterbrechung nennen die Zustimmenden vor allem Hausarbeit und Besorgungen (58,9 Prozent), Kinderbetreuung (32,7 Prozent) und die Pflege von Angehörigen (12,4 Prozent). Frauen geben zwölf Prozentpunkte häufiger als Männer an, ihre Arbeit für die Kinderbetreuung zu unterbrechen. Bei der Pflege liegt der Unterschied bei 6,6 Prozentpunkten.
Darüber hinaus wurden jene 1.788 Umfrageteilnehmer, die bisher nicht länger als zehn Stunden arbeiten, befragt, wie sich die Gesetzesreform auf einzelne Aspekte im Zusammenwirken von Arbeitszeit, Freizeit und familiären Verpflichtungen auswirken würde.
Die Mehrheit erwartet negative Folgen – vorausgesetzt, die Reform führt tatsächlich zu vereinzelt längeren Arbeitstagen:
Bereits heute erlaubt § 7 ArbZG den Tarifparteien, in einem Tarifvertrag oder auf dessen Grundlage in einer Betriebs- oder Dienstvereinbarung abweichende Regelungen zur Arbeitszeit zu treffen. Von dieser Möglichkeit macht auch die Versicherungswirtschaft Gebrauch.
Für die rund 183.000 Beschäftigten des Versicherungsinnendienstes regelt der § 11 MTV (PDF, 481 KB) die regelmäßige Arbeitszeit. Sie beträgt 38 Stunden in der Woche. „Die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit verteilt sich gleichmäßig auf die Tage Montag bis Freitag“, heißt es im Text – was einer täglichen Arbeitszeit von acht Stunden entspricht.
Durch freiwillige Betriebsvereinbarungen kann die Arbeitszeit abweichend davon für alle Angestellten oder für Gruppen von Angestellten einheitlich oder unterschiedlich festgelegt werden, heißt es weiter im Manteltarifvertrag. Dabei seien die Erfordernisse des Betriebes und der einzelnen Funktionsbereiche zu berücksichtigen.
Wird eine ungleichmäßige Verteilung der Arbeitszeit vereinbart, ist innerhalb von sechs Kalendermonaten eine Arbeitszeit von durchschnittlich 38 Stunden pro Woche einzuhalten. Ein kürzerer oder längerer Bezugszeitraum kann ebenfalls durch eine Betriebsvereinbarung festgelegt werden – bis längstens zwölf Kalendermonate.
Die Wochenarbeitszeit im Innendienst darf bei vereinbarter Vollarbeitszeit durch Betriebsvereinbarung höchstens 25 Prozent über oder unter 38 Stunden liegen, also zwischen 28,5 und 47,5 Stunden pro Woche.
Samstagsarbeit ist ebenfalls über betriebliche Regeln freiwillig vereinbar – und muss mit einem Zuschlag von 25 Prozent pro Arbeitsstunde vergütet werden, sofern der Beschäftigte nicht an einem anderen Arbeitstag der Woche freigestellt ist.
Anderes gilt für die Angestellten des Werbeaußendienstes. In § 18 MTV Teil III heißt es: „Eine bestimmte Arbeitszeit wird nicht festgelegt. Der 24. und 31.12. sind arbeitsfrei.“
Darüber hinaus gilt für den Versicherungsinnendienst eine gesonderte Tarifvereinbarung über die Einführung einer Arbeitszeitflexibilisierung für das private Versicherungsgewerbe (PDF, 73,4 KB).
Durch freiwillige Betriebsvereinbarung kann demnach für einzelne Arbeitnehmer oder Gruppen die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit auf bis zu 20 Stunden verkürzt oder auf bis zu 42 Stunden verlängert werden.
Dabei gilt das Symmetrieprinzip: Von der Möglichkeit zur Verlängerung der Arbeitszeit darf der Arbeitgeber nur in dem Stundenumfang Gebrauch machen, in dem auch Arbeitszeitverkürzungen vereinbart werden. Auch dürfen maximal zehn Prozent der Belegschaft in den verlängerten Arbeitszeitkorridor von bis zu 42 Wochenstunden hineinfallen.
Wer eine abweichende Arbeitszeit vereinbart hat, kann frühestens nach zwölf Monaten mit einer Frist von drei Monaten zurück zur regulären Wochenarbeitszeit von 38 Stunden wechseln.
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