15.5.2023 – Eine posttraumatische Belastungsstörung muss von den Berufsgenossenschaften nur dann als Berufskrankheit anerkannt werden, wenn sie Folge eines extrem bedrohlichen oder entsetzlichen Ereignisses oder einer Reihe derartiger Ereignissen ist. Diese Voraussetzungen treffen auf einen Leichenumbetter nicht zu, so das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg in einem am Freitag veröffentlichten Urteil vom 27. April 2023 (L 21 U 231/19).
Ein Mann war von 1993 bis 2005 für den Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V. als sogenannter Leichenumbetter tätig. In dieser Eigenschaft führte er mit Schaufel und Bagger die Exhumierung und Identifizierung von Weltkriegstoten sowie von Toten des Jugoslawienkrieges durch.
Es gehörte zu seinen Aufgaben, die Gebeine der Toten aus den Grabanlagen zu bergen und ihr Alter und Geschlecht und möglichst auch ihre Todesursache zu bestimmen. Er musste außerdem den Körperbau der Leichen, deren Größe und die in ihren Gräbern gefundenen Gegenstände protokollieren.
Wegen der damit verbundenen psychischen Belastungen war der 1963 Geborene seit dem Jahr 2005 durchgängig arbeitsunfähig erkrankt.
Er wandte sich schließlich im Jahr 2017 an die für ihn zuständige Berufsgenossenschaft mit der Forderung, ihm Leistungen wegen einer berufsbedingten posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) zu gewähren. Denn die gesundheitlichen Störung mit einer voraussichtlich lebenslangen Behinderung sei durch die langjährige Tätigkeit ausgelöst worden.
Der gesetzliche Unfallversicherer lehnte es jedoch ab, die Beeinträchtigung mit einer Berufskrankheit gleichzustellen. Denn psychische Erkrankungen wie eine PTBS gehörten nicht zu den in der Berufskrankheitenliste aufgeführten Beschwerden.
Mit seiner daraufhin eingereichten Klage hatte der Mann weder beim Sozialgericht Potsdam noch beim Landessozialgericht Berlin-Brandenburg Erfolg. Die Richter beider Gerichte wiesen die Forderung als unbegründet zurück.
Nach den aktuellen diagnostischen Kriterien sei eine posttraumatische Belastungsstörung die Folge eines extrem bedrohlichen oder entsetzlichen Ereignisses oder einer Reihe davon. Diese Voraussetzungen sahen die Richter im Fall des Leichenumbetters nicht gegeben.
Unabhängig davon ließen sich aus epidemiologischen Studien keine gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnisse zum Zusammenhang zwischen den Tätigkeiten eines Leichenumbetters und einer PTBS ableiten. Es fehle dafür an statistisch relevanten Zahlen.
Auf Studien zu Berufen, die ähnliche Belastungen mit sich bringen, wie zum Beispiel Zivil- und Militärbestatter, forensische Pathologen oder Mitarbeiter von Rettungsdiensten könne mangels Übertragbarkeit nicht zurückgegriffen werden.
Auch für eine Anerkennung als „Wie-Berufskrankheit“ laut § 9 Absatz 1 und 2 SGB VII reiche die bloße Denkbarkeit beziehungsweise Möglichkeit einer psychischen Belastung durch das langjährige Exhumieren, Bergen und Vermessen von Leichen und Leichenteilen nicht aus.
Der Unfallversicherer habe ihm Leistungen daher zu Recht verweigert.
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