11.5.2023 – Gesetzlich und privat Krankenversicherte sind sich weitgehend einig, was die Kernelemente des Gesundheitssystems betrifft. Für eine Erweiterung der Solidargemeinschaft sprechen sich 75 Prozent der gesetzlich und 46 Prozent der privat Versicherten aus. In beiden Lagern befürwortet mehr als die Hälfte eine Anhebung der Beitragsbemessungs-Grenze. 76 Prozent der gesetzlich und 48 Prozent der privat Versicherten stimmen dafür, die gesamte Bevölkerung in der GKV zu versichern. Dies sind Ergebnisse einer Umfrage des Wido.
Der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung droht ein milliardenschweres Defizit. Der GKV-Spitzenverband warnte bereits vor einem Jahr vor einer Finanzlücke in Höhe von 17 Milliarden Euro für 2023 (VersicherungsJournal Medienspiegel 28.6.2022).
Die Kassen mahnten mit Nachdruck Reformen an. So forderte der Verband der Ersatzkassen e.V. (VDEK) „endlich nachhaltige Maßnahmen“ von der Bundesregierung, „um die gesetzliche Krankenversicherung auf eine stabile Grundlage zu stellen“ (17.10.2022).
Getan hat sich seither nichts, die Probleme sind geblieben. Und nun ziehen wieder dunkle Wolken für die private Krankenversicherung auf, denn die Ampelkoalition denkt angesichts des Finanzdesasters offensichtlich über eine höhere Beitragsbemessungs-Grenze nach (Medienspiegel 10.5.2023).
Der Verband der Privaten Krankenversicherung e.V. ist alarmiert. Präsident Thomas Brahm, Vorstandsvorsitzender der Debeka-Gruppe, spricht in einem aktuellen Interview mit dem Handelsblatt von einer „Bürgerversicherung durch die Hintertür“. SPD und Grüne hatten bereits vor einigen Monaten Morgenluft für ein solches Vorhaben gewittert (27.9.2022).
Doch wie stehen eigentlich die Versicherten zum Gesundheitssystem? Dazu hat die Forsa Politik und Sozialforschung GmbH im Auftrag des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (Wido) für deren Widomonitor 1/2023 (PDF, 389 KB) rund 2.000 gesetzlich und privat Krankenversicherte repräsentativ befragt.
Die Erhebung fand Anfang des Jahres statt. Ein Zeitvergleich war weitgehend möglich, da teilweise dieselben Fragen gestellt wurden wie in einer Erhebung 2012.
Das Ergebnis: „Die Kernelemente des Solidarprinzips der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) finden große Akzeptanz in der Bevölkerung. Das gilt sowohl für gesetzlich wie auch für privat Krankenversicherte“, schreiben die Studienautoren.
Aktuell befürworten 82 Prozent (2012: 71 Prozent) der gesetzlich Versicherten und 80 Prozent (74 Prozent) der privat Versicherten, dass Gesunde den gleichen Beitrag zahlen wie Kranke. Für eine beitragsfreie Mitversicherung von Kindern und Jugendlichen sprechen sich 93 Prozent (94 Prozent) der GKV- und 83 Prozent (84 Prozent) der PKV-Versicherten aus.
Einer stärkeren finanziellen Belastung von Besserverdienenden gegenüber Geringverdienern stimmen 73 Prozent (76 Prozent) der GKV- und 68 Prozent (71 Prozent) der PKV-Versicherten zu. 61 Prozent (62 Prozent) der gesetzlich und 49 Prozent (54 Prozent) der privat Versicherten möchten, dass Junge den gleichen Betrag bezahlen wie Ältere.
Für eine kostenfreie Mitversicherung von nicht erwerbstätigen Ehepartnern sind 63 Prozent (71 Prozent) der GKV- und 47 Prozent (54 Prozent) der PKV-Versicherten. Die Aussage „Eine Krankenversicherung sollte das Recht haben, neue Kunden aufgrund des Gesundheits-Zustandes abzulehnen“ missfällt 85 Prozent der gesetzlich und 80 Prozent der privat Versicherten.
Gegenüber der weitgehenden Einigkeit bei zentralen Merkmalen zeigen sich Differenzen bei den Erwartungen an das Versicherungssystems.
So sehen in der Rückschau 20 Prozent der GKV-, aber nur elf Prozent der PKV-Versicherten in den letzten Jahren eine Verschlechterung des Krankenversicherungs-Schutzes. 40 Prozent der GKV-Versicherten vermuten, dass das Leistungsspektrum künftig abnimmt, was auch 31 Prozent der PKV-Kunden befürchten.
Mit dem Gesundheitssystem (sehr) zufrieden sind 42 Prozent der gesetzlich Versicherten und 22 Prozent (sehr) unzufrieden. Demgegenüber zeigen sich 55 Prozent der privat Versicherten (sehr) zufrieden und nur 15 Prozent (sehr) unzufrieden.
Über Schwierigkeiten, zeitnah einen Arzttermin zu bekommen, berichten 41 Prozent der GKV- und 22 Prozent der PKV-Versicherten. 17 Prozent der gesetzlich und drei Prozent der privat Versicherten glauben, dass ihnen Leistungen vorenthalten wurden. Umgekehrt meinen 16 Prozent der PKV- und sechs Prozent der GKV-Versicherten, dass ihnen nicht notwendige Untersuchungen angeboten wurden.
Die Bewertungen der verschiedenen Reformvorschläge für die GKV lassen aufhorchen. Für eine Einbeziehung weiterer Einkommen wie Mieten, Zinsen und Kapitalerträgen bei der Beitragsbemessung sprechen sich 43 Prozent der GKV- und 50 Prozent der PKV-Versicherten aus.
Für eine Erweiterung der Solidargemeinschaft um Beamte, Selbstständige oder besserverdienende Arbeitnehmer stimmen 75 Prozent der gesetzlich und 46 Prozent der privat Versicherten. Mehr als die Hälfte sowohl der GKV- als auch der PKV-Versicherten (59 Prozent beziehungsweise 54 Prozent) befürworten die Anhebung der Beitragsbemessungs-Grenze in der gesetzlichen Krankenversicherung.
Ein pauschaler Risikozuschlag für Kranke wird einhellig abgelehnt (GKV: sieben Prozent Zustimmung, PKV: zehn Prozent). Auch erweiterte private Zuzahlungen oder erhöhte Eigenanteile finden mehrheitlich keinen Wiederhall (GKV: zehn Prozent Zustimmung, PKV: 21 Prozent). Kostenerstattung wird ebenfalls deutlich abgelehnt – auf beiden Seiten (GKV: 16 Prozent Zustimmung, PKV: 32 Prozent).
Leistungsverzicht oder Beitragserhöhung? Bei dieser Frage entscheiden sich beide Lager eindeutig für Letzteres (GKV: 15 versus 77 Prozent; PKV: 21 versus 74 Prozent).
Insgesamt spricht sich eine Mehrheit dafür aus, die gesamte Bevölkerung in der GKV zu versichern, statt den Status quo des Nebeneinanders der beiden Systeme zu belassen. Dies sagen 76 Prozent der gesetzlich und 48 Prozent der privat Versicherten.
Mit Blick auf die soziale Pflegeversicherung befürworten 86 Prozent der GKV- und 64 Prozent der PKV-Versicherten eine Beteiligung aller an der Finanzierung der Pflegekosten, also auch von Beamten, Selbstständigen und Besserverdienenden.
78 Prozent der GKV- und 71 Prozent der PKV-Versicherten finden, dass das Risiko steigender Pflegekosten von der Pflegeversicherung und nicht von den Pflegebedürftigen getragen werden sollte. Umgekehrt stimmen nur 13 Prozent der GKV- und 23 Prozent der PKV-Versicherten der Aussage zu, dass das Risiko steigender Pflegekosten über private Zusatzversicherungen abgedeckt werden sollte.
„Bemerkenswert sind […] die fast durchweg positiven Voten eines nennenswerten Anteils der befragten Privatversicherten zu den Prinzipien der solidarischen Finanzierung, die es in ihrem eigenen Versicherungssystem so nicht gibt, wie auch deren Offenheit für eine Zusammenführung beider Versicherungssysteme“, bilanzieren die Studienautoren.
Passend dazu würden klassische PKV-Instrumente wie die Kostenerstattung immer kritischer bewertet.
Bernd Ebert - Man muss eher das GKV-System kritisch betrachten. mehr ...
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