Sind Vermittler verpflichtet, Daten aus der DRÜ in die Beratung einzubeziehen?

24.6.2025 – Die Nutzung der Digitalen Rentenübersicht ist rechtlich nicht zwingend, kann aber wesentlich zur Erfüllung der Beratungspflichten beitragen, insbesondere im Hinblick auf eine vollständige Bedarfsermittlung und deren Plausibilisierung sowie zur Minimierung potenzieller Haftungsrisiken. Zu dieser Einschätzung kommt die Kanzlei Wirth-Rechtsanwälte in einem Gutachten.

Seit Jahresbeginn 2024 befindet sich die Digitale Rentenübersicht (DRÜ) im Regelbetrieb. Vorsorgeeinrichtungen mit mehr als 1.000 Ansprüchen aus Altersvorsorgeprodukten müssen sich nun bei diesem Portal, das von der Zentralen Stelle für die Digitale Rentenübersicht (ZfDR) im Auftrag der Deutschen Rentenversicherung Bund (DRV Bund) betrieben wird, anmelden und Schnittstellen einrichten.

Die Versicherungswirtschaft warnte zwar bei der Beschlussfassung vor dem „herausfordernden IT-Projekt“ (VersicherungsJournal 27.8.2020), erledigte aber zuverlässig ihre Aufgaben. Alle Akteure, die auf dem deutschen Markt Altersvorsorgeprodukte anbieten, sind mittlerweile in der DRÜ zu finden (4.4.2025).

Die Nutzer schätzen die Vertrauenswürdigkeit des Portals als hoch ein und loben die Verständlichkeit der Informationen und den verbesserten Kenntnisstand über die eigenen Altersvorsorgeansprüche. Dies zeigte bereits im vergangenen Jahr ein erster Evaluationsbericht der DRV Bund (9.8.2024).

Bis Ende Januar 2025 nutzten allerdings erst rund 3,1 Millionen Menschen das Angebot (4.4.2025). Dennoch erwarten Branchenvertreter, dass das Portal der Altersvorsorgeberatung einen neuen Schub geben wird. Denn es schafft zahlreiche Anknüpfungspunkte (5.11.2024).

Gutachten widmet sich drei praxisrelevanten Fragen

Für Makler und Vermittler stellt sich nun die Frage, ob sie verpflichtet sind, die Daten aus der DRÜ aktiv in ihre Beratung einzubeziehen. Die Aeiforia GmbH hat zur Beantwortung ein Kurzgutachten bei der Kanzlei Wirth – Rechtsanwälte, Rechtsanwälte in PartGmbB, in Auftrag gegeben.

Im Mittelpunkt standen drei für die Vermittlung von Altersvorsorgeverträgen relevante Fragen:

  • Ist ein Versicherungsvermittler bei der Vermittlung einer Versicherung, die dem Zweck der Altersvorsorge dient, verpflichtet, die Ergebnisse der DRÜ seines Kunden in den Beratungsprozess einzubeziehen?
  • Ist es ausdrücklich geboten, die Daten aus der DRÜ (als objektive Informationsquelle) abzurufen, oder verletzt der Vermittler seine Pflichten, wenn er auf die Aussage seines Kunden oder auf nicht mehr aktuelle Unterlagen vertraut?
  • Ist der Vermittler grundsätzlich verpflichtet, im Beratungsprotokoll auf die Inhalte und Ergebnisse der DRÜ einzugehen und kann er gegebenenfalls nur mit ausdrücklicher Zustimmung des Kunden darauf verzichten?

Mit dem Gutachten sollte geklärt werden, ob und in welchem Umfang sich aus der DRÜ neue Sorgfaltspflichten, Fragepflichten sowie haftungsrelevante Anforderungen für Vermittler und Makler ergeben. Dabei standen laut dem Beratungshaus insbesondere die gesetzlichen Pflichten nach § 60 ff. VVG im Fokus.

Informationsbasis, um Beratungsfehler zu vermeiden

Norman Wirth (Bild: Andreas Klingberg)
Norman Wirth (Bild: Andreas Klingberg)

„Das Gutachten macht deutlich: Da die DRÜ Informationen bereitstellt, die für die objektive Bedarfsermittlung bei der Vermittlung einer Altersvorsorge-Versicherung zwingend notwendig sind, erstreckt sich bei Versicherungsmaklern die Fragepflicht gemäß § 61 Absatz 1 S. 1 VVG auch auf diese in der DRÜ zusammengefassten Informationen“, schreibt Aeiforia in einer Pressemitteilung.

Für Versicherungsvertreter bestehe die Pflicht zur Bedarfsermittlung jedoch nur im Ausnahmefall, zum Beispiel wenn der Versicherungsnehmer den Wunsch nach Hilfestellung bei der Bedarfsermittlung äußere oder dessen persönliches Risikoprofil oder individuelle Situation einen besonderen Anlass bieten würde, auf einen bestehenden Absicherungsbedarf hinzuweisen.

Zwar bestehe keine gesetzliche Verpflichtung, diese Daten zwingend über die DRÜ zu beziehen, ihre Nutzung biete jedoch eine verlässliche, standardisierte und haftungssichere Grundlage für die Beratung.

„Verlässt sich der Vermittler ausschließlich auf mündliche Aussagen oder veraltete Unterlagen des Kunden, kann dies als Verstoß gegen die Sorgfaltspflicht gemäß § 61 VVG gewertet werden – mit möglichen haftungsrechtlichen Folgen. Die DRÜ schafft hier eine valide Informationsbasis, um Beratungsfehler zu vermeiden“, heißt es.

Beleg für fachgerechte Prüfung des individuellen Bedarfs

Das Beratungshaus weist ferner darauf hin, dass auch für die Beratungsdokumentation klare Anforderungen gelten. Zwar müssten die Inhalte der DRÜ nicht im Detail wiedergegeben werden, doch sei es empfehlenswert, die wesentlichen Erkenntnisse daraus zu dokumentieren.

So könne der Vermittler belegen, dass er den individuellen Absicherungsbedarf fachgerecht geprüft und seine Empfehlungen nachvollziehbar begründet habe. Die DRÜ sei zu einer zunehmend vollständigen Datengrundlage geworden – und damit auch zu einer realistischen Erwartung an eine zeitgemäße Vorsorgeberatung.

Folgende gesetzliche Anforderungen untermauern den Angaben zufolge die Ergebnisse des Gutachtens:

  • § 61 Absatz 1 VVG verpflichtet Versicherungsvermittler, den Kunden „anlassbezogen nach seinen Wünschen und Bedürfnissen zu befragen“, ihn zu beraten, den Rat zu begründen und dies zu dokumentieren. Die DRÜ unterstützt Vermittler dabei, diese gesetzlichen Pflichten effizient und nachvollziehbar zu erfüllen – insbesondere bei der Ermittlung komplexer Vorsorgesituationen.
  • § 1a VVG konkretisiert diese Pflichten mit dem Grundsatz, dass die Vermittlung „ehrlich, redlich und professionell im besten Interesse des Kunden“ zu erfolgen hat.
  • Bei der Vermittlung von Versicherungsanlageprodukten gelten zusätzlich Artikel 17 und 10 der Delegierten Verordnung (EU) 2017/2359, die Vermittler zur Überprüfung der Plausibilität und Aktualität der vom Kunden bereitgestellten Informationen verpflichten.

„Die Nutzung der Digitalen Rentenübersicht ist rechtlich nicht zwingend, kann aber wesentlich zur Erfüllung der Beratungspflichten beitragen – insbesondere im Hinblick auf eine vollständige Bedarfsermittlung und deren Plausibilisierung sowie zur Minimierung potenzieller Haftungsrisiken“, wird Rechtsanwalt Norman Wirth, Seniorpartner und Gründer der Kanzlei, zitiert.

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