10.6.2025 – Empfehlen Finfluencer Gelegenheiten zum Vertragsabschluss, gelten sie als Tippgeber und müssen etwaige Vergütungen offenlegen. Vermitteln Finfluencer Wertpapiere, Kryptowerte oder Versicherungen, benötigen sie eine gewerberechtliche Zulassung. Dies ist das Ergebnis eines Gutachtens im Auftrag des BVK. Der Verband erwartet nun von IHK und Bafin Stichproben und gegebenenfalls Maßnahmen. Laut Pressemitteilung behalte man sich selbst Abmahnungen vor. BVK-Präsident Michael H. Heinz schließt den Rechtsweg nicht aus.
Der Bundesverband Deutscher Versicherungskaufleute e.V. (BVK) geht gegen Finfluencer vor. Dies gab die Interessenvertretung am Freitag auf einer Pressekonferenz im Rahmen ihrer diesjährigen Jahreshauptversammlung bekannt.
Gerald Archangeli, tags zuvor von den Delegierten einstimmig im Amt des Vizepräsidenten bestätigt, berichtete von einer Umfrage der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) aus dem vergangenen Jahr. Diese zeige, dass sich mittlerweile mehr als die Hälfte der Anleger aus den jungen Generationen Y und Z an Anlageempfehlungen von Finfluencern orientieren.
Die Anleger würden sehr vertrauensvoll in deren Angebote einsteigen, sagte Professor Dr. Hans-Peter Schwintowski von der Humboldt-Universität zu Berlin. Der Wissenschaftler hat für den BVK ein Gutachten zu den rechtlichen Rahmenbedingungen dieser Multiplikatoren erstellt.
Der Verband wollte mittels des Gutachtens klären lassen, ob und unter welchen Voraussetzungen Finfluencer Wertpapiere, Kryptowerte oder Versicherungen bewerben dürfen und ob sie dafür eine Ausbildung oder Erlaubnis benötigen, auch ob es Schutzlücken im Rechtsrahmen gibt.
Der BVK sieht sich Archangeli zufolge als Marktwächter, der sich für Qualitätssicherung und gleiche Wettbewerbsbedingungen für alle Marktteilnehmer einsetze, die gerecht und dem Verbraucherschutz entsprächen. Deshalb habe man beispielsweise auch 2015 bis 2018 die Klage gegen die Check24-Gruppe geführt (VersicherungsJournal 19.3.2020).
Es gehe dem Verband nicht darum, an tradierten Vertriebsformen festzuhalten, betonte er. „50 Prozent der nachwachsenden Generationen sind der Meinung, dass diese Einflussgeber vertrauenswürdiger und kompetenter sind als die ausgebildeten Vermittlerinnen und Vermittler, die eine Zulassung von der Industrie- und Handelskammer haben müssen und von der Bafin beaufsichtigt werden“, berichtete Schwintowski weiter.
„Tatsächlich sind sie es nicht“, sagte er. Darüber gebe es Erhebungen. „Über 50 Prozent der Influencer haben noch nie etwas über Anlagestrategien oder Folgen von Crashs am Finanzmarkt und Rückwirkungen auf das Gesamtportfolio gehört“, so der Rechtswissenschaftler.
In seinem Gutachten „Level-Playing-Field für Finfluencer – Lücken im Rechtsrahmen in Deutschland und Europa? – Rechtswissenschaftliche Analyse“ kommt er zu dem Ergebnis, „dass Finfluencer Anlageempfehlungen oder Anlagestrategien in sozialen Medien verbreiten dürfen, solange die Informationen objektiv richtig dargestellt und Interessenkonflikte offengelegt werden.
Empfehlen Finfluencer Gelegenheiten zum Vertragsabschluss, gelten sie als Tippgeber und müssen etwaige Vergütungen offenlegen. Unterlassen sie dies, verstoßen sie gegen die Objektivitätspflicht und riskieren Bußgelder sowie Schadensersatzforderungen.
Vermitteln Finfluencer aktiv Wertpapiere, Kryptowerte oder Versicherungen, erfüllen sie die Anforderungen eines Vermittlungs- und Beratungsvertrags und benötigen hierfür eine gewerberechtliche Zulassung. Fehlt diese, handeln sie rechtswidrig und riskieren Bußgelder, Strafbarkeit und Nichtigkeit der vermittelten Verträge.“
Grundlagen seiner Einschätzung sind zwei Urteile des Bundesgerichtshofes (BGH) aus den Jahren 1993 und 2013. Im „Bond-Urteil“ hat der BGH Inhalt und Umfang der Aufklärungs- und Beratungspflichten bei der Anlageberatung konkretisiert. Vorausgegangen war ein Fall, bei dem ein Kreditinstitut insolvenzgefährdete Wertpapiere verkauft hatte.
„Es wurde damals der Begriff der anleger- und objektgerechten Beratung kreiert“, berichtete Schwintowski am Freitag während der BVK-Pressekonferenz.
Dieser sei auch im „Tchibo-Urteil“ (2.12.2013) zum Tragen gekommen. Der BGH urteilte, dass der Versicherungsvertrieb der Tchibo Direct GmbH auf ihren Internetseiten illegal sei, da Tchibo als Versicherungsvermittler aufgetreten sei.
Brauchen wir neue Regeln für Finfluencer? Nein, wir haben sie schon.
Professor Dr. Hans-Peter Schwintowski, Humboldt-Universität zu Berlin
Wenn ein Finfluencer einen Verbraucher auf einen Link verweise, so dass sein Antrag auf Abschluss eines Vertrages über ein Finanz- oder Versicherungsprodukt weitergeleitet werde, dann habe er im Vorfeld die zivilrechtliche – nicht aufsichtsrechtliche – Pflicht, ihn angemessen zu beraten und zu informieren, so Schwintowski.
Dies dürfe er aber nur dann, wenn er ausgebildet sei und eine Zulassung habe – sonst würde ein Bußgeld bis 500.000 Euro drohen und Kunden könnten Schadenersatz wegen Täuschung und Irrtum fordern.
„Brauchen wir neue Regeln für Finfluencer? Nein, wir haben sie schon. Wir haben nur vergessen, dass ein Finfluencer, der Versicherungen oder Finanzanlagen vermittelt, eben ein Vermittler ist. Er nennt sich nur nicht so“, so der Rechtswissenschaftler.
Wir sind nicht kampflustig, aber kampfbereit.
Michael H. Heinz, BVK-Präsident
Er gehe davon aus, dass die Industrie- und Handelskammern und die Bafin, die Mitadressaten dieser Studie seien, nun stichprobenartig überprüfen, ob diejenigen, die Finfluencing betreiben, über die notwendigen Zulassungen verfügen, und Finfluencer gegebenenfalls aus dem Markt nehmen. Klagen müssten der letzte Schritt sein.
„In der Tat werden wir nicht als zahnloser Tiger durch die Landschaft laufen. Wir gucken uns das jetzt eine Weile an. Wir werden dann reagieren“, sagte BVK-Präsident Michael H. Heinz. „Wir scheuen uns nicht davor, einen solchen Weg zu beschreiten, wenn die […] Institutionen nicht reagieren. Wir sind nicht kampflustig, aber kampfbereit.
Man werde das Thema „jetzt sehr ernst und konsequent“ angehen. Zwar würden kompetente und informierte Finfluencer gerade bei der jungen Generation durch ihre Formate zur wichtigen Finanzbildung beitragen. Doch die Anlageempfehlungen müssen objektiven und wahrheitsgemäßen Kriterien genügen.
Das Ergebnis des Gutachtens führe den Verband zu der Forderung, dass die Bafin und die Industrie- und Handelskammern durch geeignete Stichproben dafür sorgen sollten, dass Finfluencer, die Anlagevermittlung und -beratung ohne gewerberechtliche Zulassung betreiben, aus dem Markt genommen werden.
„Ihre Tätigkeit muss unterbunden werden“, so Heinz. Der Gesetzgeber sollte außerdem die Erlaubnis für Finanzanlagen nach § 34f GewO auch auf Kryptowerte erstrecken. „Denn eins sollte klar sein: Wir benötigen in einer funktionierenden Marktwirtschaft gleiche Wettbewerbsbedingungen für alle.“
Der BVK behalte sich eine Abmahnung nach UWG von unqualifizierten und unseriösen Finfluencern vor, um hier im Sinne des Verbraucherschutzes tätig zu werden, heißt es ferner in Bonn.
Wir sollten bei der Umsetzung so wichtiger Themen eine Schlüsselrolle spielen.
Michael H. Heinz, BVK-Präsident
Während der Jahreshauptversammlung hat der Verband auch den Leitantrag „Zukunft gestalten, Vertrauen fördern, Vermittler stärken – Forderungen an die neue Bundesregierung“ verabschiedet. Darin äußert sich der BVK unter anderem zu den von Berlin geplanten Vorhaben in den Bereichen betriebliche Altersvorsorge, private Altersvorsorge, Steuerentlastung und Bürokratie.
„Für den BVK ist das klare Bekenntnis der Bundesregierung zum bisherigen Vergütungssystem sowie die Entlastung des Berufsstands bei Regulierungen, Aufsichten und Kontrollen von zentraler Bedeutung“, sagte Heinz auf der Pressekonferenz.
Er mahnte zudem Entlastung an. „Wir brauchen, wie viele andere Berufszweige auch, eine Entlastung. Das Thema Regulierung ist ein riesiges Thema für uns.“ Man wehre sich nicht gegen Aufsicht, nicht gegen Kontrolle, fordere aber – wie in vielen Lebensbereichen – Augenmaß.
Die Politik sollte die Expertise der Vermittler anerkennen und sie aktiv in ihre Entscheidungsprozesse zur Reform der Altersvorsorge einbinden. „Wir sollten bei der Umsetzung so wichtiger Themen eine Schlüsselrolle spielen“, so Heinz. „Wir im BVK sagen oft, wir haben einen sozialpolitischen Auftrag. Das ist nicht nur eine Floskel, sondern das ist unser Selbstverständnis. Ich freue mich immer wieder, wenn das auch von der Politik zurückgespiegelt wird.“
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