8.8.2025 – Will ein Patient, dass seine private Krankenversicherung vorläufig die Kosten für ein nicht für diese Behandlung zugelassenes Medikament übernimmt, gelten hohe Hürden. Das zeigt ein aktueller Fall vor dem Landgericht Offenburg: Ein krebskranker Mann scheiterte mit seinem Antrag auf Eilrechtsschutz.
Bei einem Mann wurde im Jahr 2021 Prostatakrebs festgestellt, der zunächst mit einer Strahlentherapie behandelt wurde. Später kam es jedoch zu einem ungewöhnlichen Verlauf mit weiteren Tumoren in der Harnblase und Metastasen unter anderem in der Leber und den Lymphknoten.
Bei einer weiteren Untersuchung wurde ein besonders aggressiver Tumor in der Harnblase festgestellt, der nicht mehr dem ursprünglichen Prostatakrebs entspricht. Die behandelnden Ärzte stellten daraufhin bei der privaten Krankenversicherung des Mannes eine Anfrage zur Übernahme der Kosten für das Medikament Atezolizumab, das alle drei Wochen verabreicht werden soll.
Dieses Medikament ist in Deutschland jedoch nur für bestimmte Lungenkrebserkrankungen offiziell zugelassen. Im vorliegenden Fall sollte es außerhalb dieser Zulassung („Off-Label-Use“) eingesetzt werden, da andere Therapien nicht mehr ausreichend wirksam seien. Eine Einzeldosis des Medikaments kostet mehr als 4.000 Euro.
Der Versicherer lehnte aber die Übernahme der Kosten ab, nachdem er dazu ein medizinisches Gutachten eingeholt hatte. Dabei berief er sich auf § 1 Absatz 2 der AVB, wonach der Versicherungsfall als „medizinisch notwendige Heilbehandlung einer versicherten Person wegen Krankheit oder Unfallfolgen“ definiert ist.
Der Vertrag enthielt zudem eine ergänzende Klausel, die unter bestimmten Voraussetzungen auch Behandlungen außerhalb des zugelassenen Anwendungsbereichs („Off-Label-Use“) erlaubt. Diese lautet:
„Der Versicherer leistet im vertraglichen Umfang für Untersuchungs- oder Behandlungsmethoden und Arzneimittel, die von der Schulmedizin überwiegend anerkannt sind. Er leistet darüber hinaus für Methoden und Arzneimittel, die sich in der Praxis als ebenso erfolgversprechend bewährt haben oder die angewandt werden, weil keine schulmedizinischen Methoden oder Arzneimittel zur Verfügung stehen“. Doch auch diese Voraussetzung sah der Versicherer nicht als erfüllt an.
Der Erkrankte stellte daraufhin einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen seinen privaten Krankenversicherer. Nach ständiger Rechtsprechung kann der Versicherer in solchen Fällen zu einer vorläufigen Kostenzusage verpflichtet sein – vorausgesetzt, folgende Bedingungen sind erfüllt:
Seine Forderung unterfütterte der Mann mit einer eidesstattlichen Versicherung, wonach ohne eine Kostendeckungszusage die Behandlung nicht durchgeführt werden würde und er nicht über die finanziellen Mittel verfüge, um das Medikament selbst zu zahlen. Demnach habe er im Jahr 2023 nur ein Nettoeinkommen von monatlich knapp 1.460 Euro gehabt.
Das Landgericht Offenburg entschied jedoch mit einem Urteil vom 18. Oktober 2024 (2 O 249/24), dass der Patient keinen Anspruch auf eine Kostenzusage habe. Dabei hob das Gericht zunächst darauf ab, dass der Kläger nicht überzeugend habe nachweisen können, dass die Behandlung tatsächlich medizinisch notwendig im Sinne der AVB sei.
Das Gericht stellte klar, dass grundsätzlich der Versicherungsnehmer beweisen muss, dass eine bestimmte Behandlung medizinisch notwendig ist.
In diesem Fall galt jedoch eine vorübergehende Beweislastumkehr zugunsten des Klägers, weil der Versicherer die angeforderte Auskunft zur Kostenzusage erst nach über einem Monat und damit nicht fristgerecht gemäß den AVB beantwortet hatte. Damit wurde zunächst angenommen, dass die Behandlung medizinisch notwendig ist.
Der Versicherer legte ein medizinisches Gutachten vor, das zu dem Schluss kam, dass es für den Einsatz des Medikaments Atezolizumab in Kombination mit einer Chemotherapie keine ausreichenden wissenschaftlichen Belege gebe.
Stattdessen gebe es sogar Hinweise auf negative Verläufe in Einzelfällen. Zudem stünden nach Einschätzung des Gutachters andere, medizinisch anerkannte Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung.
Demgegenüber reichte der Kläger ein ärztliches Schreiben seines behandelnden Arztes ein, aus dem sich zwar ein Behandlungswunsch, aber keine klare medizinische Begründung oder wissenschaftliche Untermauerung ergab. Der Arzt verwies laut Gericht weder auf Studien noch auf medizinische Leitlinien.
Außerdem sei aus dem Schreiben hervorgegangen, dass bereits eine andere Chemotherapie mit den Medikamenten Carboplatinv und Etoposid begonnen worden war – ein Hinweis darauf, dass es noch Behandlungsalternativen gebe. Aus Sicht des Gerichts war die ursprüngliche Annahme einer medizinischen Notwendigkeit damit ausreichend widerlegt.
Auch in einem weiteren Punkt sah das Gericht die Voraussetzungen für eine vorläufige Kostenzusage nicht als erfüllt an. Es konnte demnach nicht festgestellt werden, dass der Kläger die Behandlungskosten nicht aus eigenen Mitteln hätte aufbringen können.
In seinem Antrag hatte der Mann selbst erklärt, dass er alle sechs Monate rund 41.000 bis 46.500 Euro aus dem Einkommen seiner Ehefrau, einer selbstständigen Apothekerin, beziehen könne. Den Kontostand des gemeinsamen Kontos bezifferte er auf 46.534,05 Euro. Weitere Vermögenswerte seien nicht vorhanden.
Bei zumutbarem Einsatz des vorhandenen Vermögens sei eine existenzielle Notlage dahingehend, dass der Verfügungskläger die Kosten einer lebenserhaltenden Behandlung nicht selbst tragen könne, nicht ersichtlich, so betonte das Landgericht.
Begehrt der Versicherungsnehmer die Kostendeckungszusage bei Off-Label-Use eines Medikaments, stellt sich die Frage, ob tatsächlich keine Alternativen mehr möglich sind.
Jens Reichow
„Bei der Kostenerstattung in der privaten Krankenversicherung ist besonders die medizinische Notwendigkeit der Behandlung zu beachten“, kommentiert Rechtsanwalt Jens Reichow. Er macht auf dem Blog der Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte in Partnerschaft mbB auf das Urteil aufmerksam.
„Begehrt der Versicherungsnehmer die Kostendeckungszusage bei Off-Label-Use eines Medikaments, stellt sich die Frage, ob tatsächlich keine Alternativen mehr möglich sind und Erfolgschancen für die Behandlung besteht“, erklärt Reichow.
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