31.3.2025 – Ein Unfallgeschädigter, der die Kfz-Haftpflichtversicherung eines Unfallverursachers auf Schadenersatz verklagt, ohne zuvor direkt mit dem Versicherer zu kommunizieren, muss damit rechnen, dass er einen Großteil der Prozesskosten selbst tragen muss. Das gilt insbesondere dann, wenn der Kfz-Versicherer die Schadenersatzforderung des Geschädigten sofort anerkennt. Dies zeigt ein Beschluss des Oberlandesgerichts Frankfurt.
Eine Frau erlitt bei einem Verkehrsunfall einen Schaden in Höhe von rund 6.440 Euro. Ihr Anwalt forderte schriftlich die Halterin des Fahrzeugs, mit dem der Unfall verschuldet wurde, auf, den Schaden zuzüglich der Anwaltskosten von rund 710 Euro binnen einer festgesetzten Frist zu ersetzen.
An deren Kfz-Haftpflichtversicherer, bei der das Fahrzeug versichert war, wandten sich die Geschädigte wie auch deren Anwalt zunächst nicht.
Die Kfz-Halterin zahlte nicht, sondern reichte das Forderungsschreiben an ihren Haftpflichtversicherer weiter. Daraufhin bat der Kfz-Versicherer nach Fristablauf den Anwalt der Geschädigten um ergänzende Informationen zum Schaden. Der Anwalt beantwortete die Anfrage jedoch nicht, sondern reichte eine Schadenersatzklage in Höhe von knapp 7.400 Euro gegen den Kfz-Haftpflichtversicherer ein.
Letztendlich landete der Fall vor dem Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt. Dabei ging es nicht um die Höhe des Schadensersatzes, da der beklagte Kfz-Haftpflichtversicherer die Forderung größtenteils anerkannte und den Rest im Rahmen eines Vergleichs gezahlt hatte.
Streitpunkt war jedoch, wer die Gerichtskosten tragen muss – insbesondere, ob die Geschädigte die Klage zu früh erhoben hatte und deshalb trotz Erfolg in der Sache größtenteils für die Verfahrenskosten aufkommen muss.
Der Kfz-Versicherer erkannte nämlich die Hauptforderung der Geschädigten in Höhe von circa 6.440 Euro sowie rund 710 Euro für außergerichtliche Anwaltskosten (insgesamt etwa 7.150 Euro) im Rahmen des schriftlichen Vorverfahrens sofort an und beantragte zudem eine Klageabweisung.
Das Landgericht (LG) Hanau erließ daraufhin ein sogenanntes Teil-Anerkenntnisurteil über die rund 7.150 Euro, die der Kfz-Versicherer bereits anerkannte. Das heißt, der Klage wird ohne Prüfung der materiellen Rechtslage stattgegeben.
Über den restlichen Betrag in Höhe von 1.200 Euro wurde weiter gestritten. Dieser setzte sich aus der Differenz zwischen der vom Kläger geforderten Hauptforderung in Höhe von rund 7.400 Euro und dem vom Versicherer anerkannten Schadenersatz von rund 6.440 Euro sowie einer im Rahmen einer Klageerweiterung geforderten Summe von circa 240 Euro zusammen.
Die Parteien einigten sich auf den Vorschlag des LG Hanau, dass der beklagte Kfz-Versicherer neben dem anerkannten Betrag in Höhe von insgesamt 7.150 Euro weitere rund 620 Euro an die Klägerin zahlt.
Der vom LG Hanau getroffene Vergleich enthielt jedoch noch keine Entscheidung darüber, wer die Kosten des Gerichtsprozesses, die mit einem vom Gericht festgelegten Streitwert von rund 7.630 Euro bei rund 3.700 Euro lagen, zu tragen hat. Das LG entschied mit einem Beschluss (4 O 288/24), dass die Klägerin 90 Prozent der Kosten des Rechtsstreits und der beklagte Kfz-Versicherer zehn Prozent übernehmen müssen.
Die Richter bezogen sich dabei auf die Zivilprozessordnung (ZPO), denn das Teilanerkenntnis spielt eine wichtige Rolle bei der Kostenentscheidung nach § 93 ZPO. Dieser Paragraf besagt: Wenn der Beklagte keinen Anlass zur Klage gegeben hat und die Forderung sofort anerkennt, muss der Kläger die Prozesskosten für diesen Teil selbst tragen.
Das LG Hanau ging davon aus, dass der Rechtsstreit durch das Teilanerkenntnis und den späteren Vergleich erledigt war. Weil der Versicherer den Großteil der Forderung sofort anerkannt hatte, müsse die Klägerin die darauf entfallenden Gerichtskosten selbst tragen. Die Beklagte habe durch die sofortige Anerkennung der Klägerin keinen Anlass zur Klage gegeben.
Die übrigen Gerichtskosten, die sich auf den noch streitigen Teil der Forderung beziehen, sollen sich Klägerin und Versicherer je zur Hälfte teilen.
Dagegen wehrte sich die Klägerin, da ihrer Ansicht nach keine sofortige Anerkennung der Schadenersatzforderung durch den Kfz-Versicherer vorlag und somit § 93 ZPO nicht anzuwenden sei. Sie begründete dies damit, dass der Schädiger nicht unmittelbar nach Erhalt des Anspruchsschreibens des Anwaltes gezahlt hat, sondern – aus ihrer Sicht – überflüssige Nachfragen gestellt hat.
Das zuletzt mit dem Fall befasste OLG Frankfurt gab der Klägerin mit dem am 20. November 2024 getroffenen Beschluss (9 W 23/24) jedoch nicht recht. Die Richter stellten klar: Auch wenn die Kfz-Haftpflichtversicherung zunächst Rückfragen stellte, steht ihr die Kostenerleichterung aus § 93 ZPO zu.
Der Versicherer sei nicht der ursprüngliche Adressat des Anspruchsschreibens gewesen. Er habe, nachdem er Kenntnis von dem Schreiben gehabt hatte, in nachvollziehbarer Weise um weitere Informationen gebeten.
Der beklagte Haftpflichtversicherer habe somit kein Verhalten gezeigt, das die Klage nötig gemacht hätte. Der Kfz-Versicherung sei das sofortige Anerkenntnis deshalb nicht verwehrt gewesen – zumal die Klägerseite keine Antwort auf die Rückfrage gab, sondern direkt Klage erhob.
Der OLG-Beschluss stellt klar: „Es geht nicht darum, ob die Schadenersatzforderung mit Zugang des Schreibens […] fällig war. Im Rahmen des § 93 ZPO geht es vielmehr darum, ob die Beklagte durch ihr Verhalten Anlass zur Klageerhebung gegeben hat, was selbst dann noch ausgeschlossen sein kann, wenn bereits Zahlungsverzug eingetreten wäre, obwohl die Klägerin ihre Ansprüche gar nicht unmittelbar gegenüber der Beklagten geltend gemacht hatte.“
Weiter heißt es: „Eine Versicherung, die von ihrer Versicherungsnehmerin ein an diese gerichtetes Anspruchsschreiben übermittelt bekommt, muss bei der gegebenen Sachlage nicht damit rechnen, dass eine zeitnahe Nachfrage ihrerseits an den Bevollmächtigten der Anspruchstellerin keinerlei Antwort zeitigt, sondern dazu führt, dass dieser ohne weiteres Klage gegen sie erhebt.“
Laut den Richtern musste selbst die Klägerin bei dieser Sachlage vernünftigerweise damit rechnen, ohne Klage zu ihrem Recht zu kommen. Die Klage kam demnach vorschnell – und weil die Versicherung danach zügig die Forderung anerkannte, gilt das als „sofortiges Anerkenntnis“. Deshalb muss die Klägerin die Verfahrenskosten überwiegend tragen.
Leitsatz zum Beschluss: „Ist die Haftpflichtversicherung nicht Adressatin des anwaltlichen Anspruchsschreibens des Unfallgeschädigten und wendet sie sich – nachdem ihr das Anspruchsschreiben von ihrem Versicherungsnehmer weitergeleitet wurde – mit einer Nachfrage an den Bevollmächtigten des Unfallgeschädigten, auf die dieser nicht reagiert, sondern ohne weiteren Kontakt Klage gegen die Versicherung erhebt, beraubt dies die Haftpflichtversicherung nicht der Möglichkeit, die Klageforderung im Sinne von § 93 ZPO sofort anzuerkennen.“
Der Leitsatz zum Beschluss zeigt, wie wichtig es ist, die Forderungen nach einem Unfall schriftlich nicht nur beim Schädiger, sondern insbesondere auch beim zuständigen Haftpflichtversicherer zu stellen.
Peter Schramm - Nur Schädiger nach Fristablauf verklagen. mehr ...
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