27.3.2025 – Ein aktuelles Urteil verdeutlicht erneut die Risiken, wenn Unternehmen freie Mitarbeiter einsetzen. So hat das Landessozialgericht Baden-Württemberg entschieden, dass Auftragnehmer eines Dopingkontrollunternehmens abhängig und damit sozialversicherungspflichtig beschäftigt waren, da ihre Tätigkeit inhaltlich und zeitlich maßgeblich durch die Vorgaben ihres Auftraggebers bestimmt wurde. Die Firma muss nun knapp 160.000 Euro an Sozialversicherungsbeiträgen nachzahlen.
Im verhandelten Rechtsstreit hatte ein Unternehmen geklagt, das Dopingkontrollen für internationale und nationale Sportverbände sowie Sportveranstalter durchführt. Hierfür bedient es sich auch freier Mitarbeiter.
Der beklagte Rentenversicherungsträger prüfte das Unternehmen 2015 im Rahmen einer Betriebsprüfung. Dabei stellte er fest, dass rund 100 als freie Mitarbeiter geführte Dopingkontrolleure tatsächlich abhängig beschäftigt waren. Für den Zeitraum 2011 bis 2014 forderte die Behörde rund 159.952 Euro an Sozialversicherungsbeiträgen nach.
Gegen diese Forderung klagte das Unternehmen nach erfolglosem Widerspruch und hatte damit zunächst Erfolg. Demnach kam das Sozialgericht Stuttgart zunächst zu dem Ergebnis, dass keine abhängige Beschäftigung vorliege.
Doch das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg korrigierte in einem Richterspruch vom 18. März 2025 (L 13 BA 3631/22) das Urteil der Vorinstanz. Es bestätigte somit, dass die Rentenversicherung die Sozialversicherungsbeiträge einfordern kann.
Das Landessozialgericht hob dabei hervor, dass eine abhängige Beschäftigung nach § 7 SGB IV vorliege, da die Dopingkontrolleure dem Weisungsrecht der Klägerin unterstanden und in deren Betriebsablauf eingegliedert waren. Weisungsgebunden arbeite, so das Gericht weiter, wer weder seine Tätigkeit weitgehend frei gestalten noch seine Arbeitszeit selbst bestimmen könne.
Zwar hätten die Dopingkontrolleure keine konkreten Einzelweisungen des Unternehmens erhalten, so hob der 13. Senat hervor. Jedoch sei die Arbeit sowohl in zeitlicher als auch inhaltlicher Hinsicht durch die Vorgaben der Klägerin sowie deren Auftraggeber geprägt gewesen.
Zeitlich waren die Kontrolleure durch einen Rahmenvertrag mit dem Unternehmen verpflichtet, angenommene Aufträge für Dopingkontrollen wie vereinbart durchzuführen. Die Wettkampfkontrollen richteten sich nach dem Wettkampfzeitpunkt, Trainingskontrollen nach dem von den Dopingagenturen vorgegebenen Zeitraum.
Auch die inhaltlichen Anforderungen an die Kontrollen waren zwar durch die Regularien der Dopingagenturen bestimmt worden. Allerdings verpflichtete der Rahmenvertrag die Kontrolleure, die entsprechenden Vorgaben „streng“ zu beachten.
Die Tätigkeit war zudem in die betriebliche Organisation des klagenden Unternehmens eingebunden, wie das Gericht weiter hervorhob. So erfolgte beispielsweise die Anbahnung des Erstkontakts für eine Dopingkontrolle über die Klägerin, wodurch die Kontrolleure in dieser Hinsicht nicht eigenständig agierten.
Auch traten die Kontrolleure gegenüber den Athleten nicht als verantwortliche Instanz auf. Stattdessen handelten sie als ausführendes Organ der Dopingagenturen beziehungsweise der Klägerin. Da sie schließlich auch auf die von der Klägerin beschafften Test-Kits zurückgegriffen hätten, hätten sich die Dopingkontrolleure der infrastrukturellen Gegebenheiten der Klägerin bedient.
Ein wichtiger Grund, weshalb das Landessozialgericht auf eine abhängige Beschäftigung abhob, war zudem, dass es kein maßgebliches, eine selbstständige Tätigkeit prägendes unternehmerisches Risiko der Dopingkontrolleure erkennen konnte. Dem widerspreche auch nicht, dass es für die Prüfer keine Dienstpläne gegeben habe und sie auf Abruf tätig geworden seien.
Für sie bestand zwar das Risiko, bei erfolglosen Kontrollversuchen nur ein reduziertes Honorar zu erhalten. Zudem mussten sie Hilfsmaterialien auf eigene Kosten beschaffen und entsorgen. Sie erhielten jedoch ein pauschales Honorar für jede durchgeführte Kontrolle, unabhängig von deren Qualität.
Folglich bestätigte der Senat, dass das Unternehmen Renten- und Sozialversicherungsbeiträge nachzahlen müsse. Eine Revision gegen die Entscheidung wurde laut Pressetext nicht zugelassen, es kann jedoch Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundessozialgericht eingelegt werden.
Die Frage nach Scheinselbstständigkeit beschäftigt wiederholt auch den Finanz- und Versicherungsvertrieb (VersicherungsJournal Archiv).
So hat das Bayerische Landessozialgericht 2016 entschieden, dass für Versicherungsmakler, die ihre Geschäfte praktisch ausschließlich über einen einzigen Maklerpool abwickeln, eine Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung besteht. Der AfW – Bundesverband Finanzdienstleistung e.V. sprach von einer „grob fehlerhaften Einzelfallentscheidung“ (30.6.2016).
Rechtsanwalt Maximilian Lachmann von der Kanzlei Reiserer Baade Lachmann sieht in der potenziellen Scheinselbstständigkeit „ein ernstes Risiko für Finanzvertriebe“. Dabei hat er vor allem selbstständige Handelsvertreter im Blick, die nach dem Strukturvertriebsmodell arbeiten (Medienspiegel 28.3.2024).
Die Deutsche Rentenversicherung (DRV) nennt auf ihrer Webseite mehrere Merkmale, die auf eine Scheinselbstständigkeit hinweisen:
Zugleich hebt die DRV hervor, dass diese Merkmale nicht statisch, sondern flexibel seien. Der Gesetzgeber habe bewusst keine fixen Einzelmerkmale vorgegeben, sondern sich für die Umschreibung eines Typus der Beschäftigung entschieden. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, hänge im Einzelfall davon ab, welche Merkmale überwiegen.
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