21.5.2025 – Ein Ganzkörper-Neurostimulationsanzug für Patienten mit Multipler Sklerose muss nicht von der Krankenkasse bezahlt werden. Das hat das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen in einem aktuellen Urteil festgestellt. Die Richter verweisen darauf, dass sie der Bewertung durch den Gemeinsamen Bundesausschuss nicht vorgreifen dürften. Hiervon unabhängig können Privatpatienten schneller an medizinischen Fortschritten teilhaben.
Gesetzliche Krankenversicherer müssen nicht für einen Ganzkörper-Neurostimulationsanzug für Patienten mit Multipler Sklerose (MS) aufkommen. Das hat das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen in einem Beschluss vom 14. Mai 2025 (L 16 KR 315/24) entschieden.
Damit haben die Richter in Celle die Berufung gegen das vorinstanzliche Urteil des Sozialgerichts Aurich vom 27. Juni 2024 (S 38 KR 174/23) zurückgewiesen. Geklagt hatte eine 1981 geborene Frau, die seit mehr als zwei Jahrzehnten an MS erkrankt ist.
Trotz unterschiedlicher Therapien verschlechterte sich der Gesundheitszustand der heute 44-Jährigen immer weiter. Seit Anfang vorigen Jahres benötigte sie zunächst einen Rollator, um selbst gehen zu können. Seit etwa einem halben Jahr ist sie auf einen Rollstuhl angewiesen.
Bereits vor zwei Jahren beantragte die Frau bei ihrer Krankenkasse die Kostenübernahme für einen Neurostimulationsanzug, der ihre geschwächte Muskulatur aktivieren soll. Ihre Kasse lehnte den Antrag ab, weil das Produkt noch nicht das übliche Bewertungsverfahren durchlaufen hatte.
Konkret berief sich die Körperschaft des öffentlichen Rechts darauf, dass es sich bei dem Hilfsmittel um eine „neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode“ im Sinne von § 135 Absatz 1 SGB V handele. Diese müsse zunächst vom Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) anerkannt werden.
Bei der beantragten Ganzkörper-Elektrostimulation mit einem entsprechenden Anzug handele es sich also um eine unkonventionelle Methode ohne Empfehlung des G-BA. Zudem sei MS keine „lebensbedrohliche oder regelmäßig tödliche Erkrankung“ im Sinne des § 2 Absatz 1a SGB V.
Gegen den Ablehnungsbescheid der Krankenkasse legte die Frau Widerspruch ein. Denn der Anzug trage dazu bei, die Mobilität des Trägers zu verbessern und Spasmen einzuschränken. In Studien sei festgestellt worden, dass zudem das allgemeine Wohlbefinden steige und sich der Schlaf verbessere.
Darüber hinaus machte die Patientin geltend, dass das Tragen des Anzugs auch dem Fatigue-Syndrom entgegenwirke, unter dem die 44-Jährige leide. Diese Beschwerden seien durch die Ganzkörper-Elektrostimulation ebenfalls deutlich gemildert worden.
Der Frau zufolge steht der schnelle technische Fortschritt bei medizinischen Hilfsmitteln deutlich im Widerspruch zur langsamen Überprüfung durch die Krankenversicherer. Diese Praxis habe mit der Wirklichkeit im Alltag nichts zu tun und behindere eine bestmögliche Versorgung der Patienten.
Nachdem die Krankenkasse den Widerspruch gegen ihren Bescheid aus dem Mai 2023 zurückgewiesen hatte, reichte die Frau einen Monat später Klage beim Sozialgericht (SG) Aurich ein, um sie doch noch zu der Kostenübernahme zu verpflichten. Doch die Richter wiesen die Klage ab.
Daraufhin beschaffte sich die Klägerin im Juli 2023 das Produkt Mollii Suit der Otto Bock Healthcare Deutschland GmbH auf eigene Rechnung. Die Kosten in Höhe von 8.721,74 Euro wollte sie nachträglich von ihrem Krankenversicherer erstattet bekommen.
Deshalb ging die Frau gegen das Urteil des Sozialgerichts Aurich in die Berufung, die das Landessozialgericht in der zweiten Instanz zurückgewiesen hat. Die Kosten des Anzugs sind demnach nicht von der Krankenkasse zu erstatten. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.
Damit bestätigten aktuell auch die Celler Richter die Rechtsauffassung der Krankenkasse. Es sei zwar unstreitig, dass der Anzug ein Hilfsmittel zur Krankenbehandlung ist. Auf die Versorgung hiermit haben Versicherte grundsätzlich auch einen Anspruch gemäß § 33 Absatz 1 Satz 1 SGB V.
Aber die Kosten für diese Produkte gehen nur dann zu Lasten der Krankenkassen, wenn sie auch anerkannt sind. Voraussetzung hierfür ist eine positive Empfehlung über den diagnostischen und therapeutischen Nutzen, die medizinische Notwendigkeit sowie die Wirtschaftlichkeit der Methode.
Solange diese nicht vorliege, dürften Gerichte eine Bewertung durch die Experten des G-BA nicht vorwegnehmen. Die entsprechende Regel im Fünften Buch des Sozialgesetzbuchs gilt allerdings nur für die Leistungen der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV).
Nach den Regeln für die Kostenübernahme für Privatpatienten fragte das VersicherungsJournal beim Verband der Privaten Krankenversicherung e.V. (PKV) an. Eine abschließende Antwort könne man auf diese Frage nicht geben, erklärt hierzu ein Sprecher des Verbands.
„Die Kostenerstattung in der PKV hängt grundsätzlich immer von der medizinischen Notwendigkeit und von den im individuellen Tarif vereinbarten Leistungen ab“, so der Verbandssprecher weiter. Im Fall des MS-Anzugs hänge eine mögliche Kostenerstattung vom jeweiligen Hilfsmittelverzeichnis ab.
Betroffene Privatversicherte sollten daher zunächst einen Blick in die Vertragsbedingungen ihres Tarifs werfen. Falls dort nicht einzelne Hilfsmittel in einem geschlossenen Katalog aufgelistet sind, sollten sie eine mögliche Kostenerstattung direkt mit ihrem Versicherer abklären.
Mit einer Anzeige im Extrablatt erreichen Sie mehr als 12.500 Menschen im Versicherungsvertrieb, überwiegend ungebundene Vermittler. Über die Konditionen informieren die Mediadaten.
Ihre Leserbriefe können für andere Leser eine wesentliche Ergänzung zu unserer Berichterstattung sein. Bitte schreiben Sie Ihre Kommentare unter den Artikel in das dafür vorgesehene Eingabefeld.
Die Redaktion freut sich auch über Hintergrund- und Insiderinformationen, wenn sie nicht zur Veröffentlichung unter dem Namen des Informanten bestimmt ist. Wir sichern unseren Lesern absolute Vertraulichkeit zu. Schreiben Sie bitte an redaktion@versicherungsjournal.de.
Allgemeine Pressemitteilungen erbitten wir an meldungen@versicherungsjournal.de.
Geraten Sie in Verkaufssituationen immer wieder an Grenzen?
Wie Sie unterschiedliche Persönlichkeitstypen zielgerichtet ansprechen, erfahren Sie im Praktikerhandbuch „Vertriebsgötter“.
Interessiert? Dann können Sie das Buch ab sofort zum vergünstigten Schnäppchenpreis unter diesem Link bestellen.