13.11.2025 – Platzt ein Reifen, weil er bereits Vorschäden aufwies, handelt es sich regelmäßig nicht um ein versichertes Unfallereignis im Sinne der AVB der Kaskoversicherung. Das Oberlandesgericht Dresden hat dies in einem Hinweisbeschluss klargestellt.
Ein Mann befuhr mit einer Beifahrerin die Autobahn A4. Er befand sich auf der mittleren Fahrspur und wollte gerade nach rechts wechseln, um ein anderes Auto zu überholen. Plötzlich vernahm der Mann „zwei Polterer“ und stellte beim Blick in den Spiegel fest, dass sein rechter Hinterreifen geplatzt war. Er kam ins Schleudern, wodurch an seinem Fahrzeug ein hoher Sachschaden entstand.
Als er den Schaden seinem Kaskoversicherer meldete, verweigerte dieser die Kostenübernahme. Zur Begründung verwies der Versicherer auf das Gutachten eines beauftragten Sachverständigen, der keine Hinweise darauf fand, dass der Reifen durch das Überfahren eines Gegenstands oder Schlaglochs – also durch ein äußeres Ereignis – beschädigt worden war.
Nach Ansicht des Versicherers handelte es sich um einen Betriebsschaden, der kein Unfallereignis im Sinne der Versicherungsbedingungen darstellt. Dabei berief er sich auf eine Klausel in den AVB, in der sowohl Schäden durch Verschleiß als auch Reifenschäden ausdrücklich vom Versicherungsschutz ausgeschlossen sind:
„Ein Unfall ist ein unmittelbar von außen plötzlich mit mechanischer Gewalt auf das Fahrzeug einwirkendes Ereignis. Keine Unfallschäden sind deshalb insbesondere: (…) Schäden am Fahrzeug, die ihre alleinige Ursache in einer Materialermüdung, Überbeanspruchung oder Abnutzung haben.“
Weiter heißt es in den AVB: „Kein Versicherungsschutz besteht für beschädigte oder zerstörte Reifen. Versicherungsschutz für Reifenschäden besteht jedoch, wenn durch dasselbe Ereignis gleichzeitig andere unter den Schutz der Kaskoversicherung fallende Schäden am Fahrzeug verursacht wurden.“
Der Fahrzeughalter gab sich mit der Kostenentscheidung jedoch nicht zufrieden und klagte gegen den Versicherer. Dabei berief er sich auch darauf, dass die Klauseln im Vertrag intransparent seien und folglich den Versicherungsnehmer benachteiligen würden.
Außerdem verwies er auf die Aussage seiner Beifahrerin, die vor Gericht als Zeugin auftrat. Sie berichtete, zwei „Kracher“ gehört zu haben, kurz bevor der Unfall geschah. Zwar habe sie keinen Gegenstand auf der Fahrbahn erkannt. Doch dies sei für sie ein Hinweis darauf gewesen, dass der Reifen beim Überfahren eines Gegenstands platzte – und damit ein äußeres Ereignis im Sinne der AVB vorlag.
Leistungsablehnungen aufgrund des Leistungsausschlusses wegen Reifenschäden in der Kaskoversicherung kommen regelmäßig vor. […] In jedem Fall sind stets die Einzelfallumstände zu prüfen.
Jens Reichow
Doch vor Gericht musste der Mann eine Niederlage einstecken, wie aktuell Jens Reichow, Partner der Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte in Partnerschaft mbB, in einem Beitrag auf der Webseite der Kanzlei berichtet.

Bereits das Landgericht Leipzig wies die Klage mit Urteil vom 19. Dezember 2024 (03 O 39/23) zurück. Die Richter beriefen sich dabei auch auf ein eingeholtes Gutachten, das zu dem Ergebnis kam, dass der Reifen zum Zeitpunkt des Schadensereignisses bereits erhebliche Vorschäden aufwies und im Fahrbetrieb überlastet worden war. Unter anderem war der Mann mit zu geringem Luftdruck im Reifen unterwegs.
Dieser Einschätzung schloss sich das Oberlandesgericht Dresden mit Hinweisbeschluss vom 11. Juni 2025 (4 U 88/25) an und verwies darauf, dass die Klage des Mannes keine Aussicht auf Erfolg habe.
Zunächst hob das Gericht hervor, dass die AVB des Versicherers nicht intransparent im Sinne von § 307 BGB seien. Aus dem Wortlaut der Klausel ergebe sich für einen durchschnittlichen und um Verständnis bemühten Versicherungsnehmer mit ausreichender Klarheit, dass Reifenschäden grundsätzlich vom Versicherungsschutz ausgenommen sind.
Zudem konnten weder der Fahrer noch seine Zeugin hinreichend nachweisen, dass ein von außen auf den Reifen einwirkender Gegenstand dessen Platzen verursacht hatte. In ihrer Begründung verwiesen die Richter ebenfalls auf das Gutachten, in dem eine Vorschädigung des Reifens festgestellt worden war:
Entscheidend war nach Einschätzung der Gutachter für das Platzen des Reifens, dass er bereits erhebliche Vorschäden aufwies. Diese Vorschädigung führte demnach letztlich zum spontanen Platzen des Reifens. Ein mögliches Überrollen eines Hindernisses habe den Schaden lediglich begünstigt, aber nicht verursacht. Folglich habe ein versicherter Unfall gemäß den AVB nicht stattgefunden.
Jens Reichow schlussfolgert: „Leistungsablehnungen aufgrund des Leistungsausschlusses wegen Reifenschäden in der Kaskoversicherung kommen regelmäßig vor. Auch wenn für den Versicherungsnehmer der Anschein eines Unfalls besteht, bedeutet dies nicht, dass stets auch ein Unfall im Sinne der Versicherungsbedingungen vorliegt.“ In jedem Fall sei stets der Einzelfall zu prüfen, so Reichow.
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