25.7.2025 – Kommt es bei einem Kaskoschaden zum Streit über Schadenhöhe oder Reparaturumfang, kann der Versicherungsnehmer ein Sachverständigenverfahren zur Klärung verlangen. Versicherungsnehmer und Versicherer können dafür je einen Gutachter benennen. Versäumt dies eine Partei, darf die andere auch einen Gutachter für die Gegenseite bestimmen. Der Bundesgerichtshof hat jedoch klargestellt: Wenn der Versicherer vergessen hat, einen eigenen Gutachter zu benennen, haftet er nicht automatisch für die Gutachterkosten des vom Versicherungsnehmer deswegen beauftragten Gutachters.
Eine Werkstatt reparierte mehrere Kfz von unterschiedlichen Haltern, nachdem die Fahrzeuge jeweils Kaskoschäden erlitten hatten. Der Kaskoschutz bestand bei einem Kfz-Versicherer.
Die Versicherungsnehmer (VN) traten ihre Forderungen gegenüber dem Versicherer (VR) an die Kfz-Werkstatt ab. Als es mit dem VR Streit über die Schadenhöhe beziehungsweise den Umfang der erforderlichen Reparaturarbeiten gab, wurde ein Sachverständigenverfahren eingeleitet.
Die Vorgaben dazu sind in der Klausel A.2.6 der Allgemeinen Bedingungen für die Kraftfahrtversicherung (AKB 2015), die der jeweiligen Kaskoversicherung zugrunde lagen, festgelegt.
Laut AKB-Klausel A.2.6.2 hat in einem solchen Fall jede Partei, also VN und VR, je einen Kfz-Sachverständigen zu benennen, damit beide die strittigen Fragen im sogenannten Sachverständigenausschuss klären. Benennt eine Partei nicht binnen zwei Wochen nach Aufforderung einen Gutachter, darf die andere Partei einen Sachverständigen für den Streitgegner bestimmen.
Da der VR dies versäumte, benannte und beauftragte die Werkstatt (als Abtretungsempfängerin der VN) einen Sachverständigen, der den VR im Ausschuss vertrat. Der Sachverständige verlangte dafür rund 12.700 Euro direkt vom VR. Dieser verweigerte jedoch die Zahlung.
Der Sachverständige verklagte daraufhin den VR, da ihm seiner Ansicht nach aus den AKB ein Direktanspruch auf Vergütung zustehe. Das sah das Landgericht Köln anders und wies die Klage ab. Auch das Oberlandesgericht Köln sah keinen Vertrag zwischen dem Sachverständigen und der Versicherung, aus dem ein Zahlungsanspruch folgen könnte.
Die Gerichte argumentierten: Die Klauseln der AKB regeln lediglich das Recht, einen Gutachter zu benennen, nicht aber eine Bevollmächtigung zur Vertragsunterzeichnung im Namen der jeweils anderen Partei. Für eine solche stillschweigende Vollmacht gebe es im Wortlaut der Bedingungen keinen Anhaltspunkt.
Außerdem sei das Kostenrisiko durch die AKB in der Klausel A.2.6.4 ausreichend geregelt. Die Kosten des Verfahrens würden nach dem Verhältnis von Obsiegen und Unterliegen verteilt. Nur in seltenen Fällen, in denen keine Ausschussentscheidung zustande komme, müsse jede Partei die Kosten ihres eigenen Gutachters tragen.
Der Bundesgerichtshof (BGH) bestätigte mit dem Urteil (IV ZR 199/24) vom 9. Juli 2025 die Auffassung der Vorinstanzen und wies die Revision des Sachverständigen zurück. Die Klausel A.2.6.2 in den AKB gebe einer Partei zwar das Recht, einen Gutachter zu bestimmen, wenn die andere keinen benennt. Dies bedeute aber nicht, dass der Bestimmende zugleich eine Vollmacht erhält, im Namen des anderen einen Vertrag mit dem Gutachter abzuschließen.
Die Regelung spreche nämlich nur vom Recht zur Benennung eines Sachverständigen, nicht aber von dessen Beauftragung für die jeweils andere Partei. Im Urteil heißt es wörtlich: „Der Regelung in A.2.6.2 Satz 2 AKB [...] lässt sich eine Vollmacht zum Abschluss eines Vertrages mit dem Sachverständigen im Namen der zur Benennung des Sachverständigen aufgeforderten Vertragspartei nicht entnehmen.“
Ein direkter Zahlungsanspruch des Gutachters gegen den VR bestand daher nicht, denn dies würde einen Vertrag voraussetzen, den der VR mit dem Gutachter abgeschlossen hat, so die Entscheidung des BGH.
Das Urteil verdeutlicht, dass ein Gutachter, der von der Gegenseite im Sachverständigenverfahren bestimmt wird, keinen direkten Anspruch auf Zahlung gegen den VR hat, wenn dieser ihn nicht selbst beauftragt hat. Entscheidend ist, dass aus der Regelung in den AKB keine automatische Vollmacht zur Beauftragung im Namen der anderen Partei abgeleitet werden kann.
Der Sachverständige kann im verhandelten Fall somit die geforderten Gutachterkosten nicht direkt vom VR verlangen. Er muss sich an seinen Auftraggeber halten, der ihn als Sachverständigen beauftragt hat – in diesem Fall an die Werkstatt, an die die Versicherungsnehmer die Ansprüche gegen den Versicherer abgetreten haben.
Anmerkung zum Urteil: In der AKB-Klausel A.2.6.4 ist geregelt, dass die Kosten nach dem Sachverständigenverfahren entsprechend dem Ausgang zwischen den Parteien verteilt werden. Das heißt im verhandelten Fall: Gewinnt die Werkstatt, die den Gutachter beauftragt hat, das Sachverständigenverfahren, kann sie die Kosten für den Gutachter, den sie für den VR bestimmt hat, nachträglich vom VR zurückfordern – und zwar im Verhältnis ihres Obsiegens.
Unterliegt die Werkstatt beim Verfahren, muss sie die Gutachterkosten selbst tragen – und zwar im Verhältnis ihres Unterliegens. In beiden Fällen kann der Gutachter die Kosten von der Werkstatt, die ihn beauftragt hat, verlangen – und nicht direkt vom VN oder VR.
Die Werkstatt wiederum kann sich die von ihr zu zahlenden vollen oder anteiligen Gutachterkosten – sofern der VR diese nicht vollständig erstatten muss – vom VN zurückerstatten lassen, wenn sie mit dem VN eine Erfüllungsübernahme oder Kostenübernahmeerklärung vereinbart hat. Damit übernimmt der VN je nach Vereinbarung sämtliche Kosten, für den Fall, dass der VR nicht zahlt.
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