21.3.2025 – EXKLUSIV: Knall auf Fall bietet die Frankfurter Gesellschaft Tierkrankenversicherungen nur noch über den Online- und Direktvertrieb an – Makler bleiben künftig außen vor. Diese Maßnahme wirft Fragen auf und heizt die Gerüchteküche an. Quellen berichten von deutlich weitergehenden Plänen. (Bild: DFV)
Auf welchen Kurs setzt die DFV Deutsche Familienversicherung AG, insbesondere im Maklermarkt? Nachdem im Herbst überraschend das Ruder herumgerissen und das Börsen-Aus verkündet wurde (VersicherungsJournal 19.9.2024), folgt nun das nächste plötzliche Manöver – hinter dem offensichtlich mehr steckt als auf den ersten Blick sichtbar ist.
Ende Februar erhielten die Vertriebspartner praktisch aus dem Nichts eine Mitteilung über eine strategische Neuausrichtung im Bereich der Sachversicherung. Der Redaktion des VersicherungsJournals liegen verschiedene Schreiben vor.
Darin heißt es, dass im Zuge einer Fokussierung auf digitale Vertriebskanäle der Vertrieb der Tierkrankenversicherung ab dem 10. März nur noch über den Online- und den Direktvertrieb erfolgen werde. Dies bedeute, dass Versicherungsmakler oder Kooperationspartner diese Produktlinie künftig nicht mehr vertreiben könnten. Im Umlauf befindliche Anträge würden abschließend bearbeitet.
Als Begründung wird angeführt, dass die Deutsche Familienversicherung auf eine digitale Zukunft setze. Der Absatz der Tierkrankenversicherung sei im Wesentlichen über die Vertriebswege Online und Direkt generiert worden. Beide Wege würden gezielt weiterentwickelt, um den spezifischen Anforderungen der jeweiligen Märkte bestmöglich gerecht zu werden.
Abgesehen von einem äußerst engen Zeitfenster – nur sieben Werktage – stößt dieser Schritt auf Unverständnis in der Maklerschaft. Mitunter wird die Frage aufgeworfen, ob nicht attraktivere Produkte und eine zeitgemäße IT zielführender seien, als Makler auszuschließen.
Und, ist dies nur der Anfang? Schließlich gelten Abschluss- und Vertriebskosten nach den Schäden und Leistungen als zweithöchste Kostenart der Versicherer (Medienspiegel 28.6.2024). Bisweilen sprechen Branchenvertreter von einem Trend, dass Makler für immer mehr Versicherungsgesellschaften uninteressant werden.
Aus Unternehmenskreisen ist zu hören, dass die Deutsche Familienversicherung intern von einem Herunterfahren, Zurückfahren oder einer Schließung des Neugeschäfts bei gleichzeitiger Fortführung der Bestandsverwaltung spreche. In Wirklichkeit aber werde der Maklervertrieb im Laufe des Jahres geschlossen. Dies solle möglichst geräuschlos und „unter dem Radar“ erfolgen.
Die Planung der Abwicklung beginne ab April. Dann würden auch die betroffenen Mitarbeiter eingebunden. Personelle Veränderungen im Vertrieb seien schon jetzt absehbar. Der Leiter Maklervertrieb Deutschland und Österreich werde das Unternehmen verlassen.
Vielleicht einfach nur unglücklich, eventuell aber auch Ausdruck eines gewissen Führungsstils in der Chefetage ist der Abgang des Leiters des Direktvertriebs im Februar. Denn dieser Vertriebsweg soll laut der neuen Strategie stark ausgebaut werden.
Quellen besagen ferner, dass einzelne Maklerpools das Neugeschäft mit der Deutschen Familienversicherung bereits eingestellt hätten als Folge der Bekanntgabe, dass künftig die Vertriebswege Online und Direkt im Fokus stünden. Damit dürfte bei den Frankfurtern der Neugeschäftszufluss über Makler in Kürze weitgehend zum Erliegen kommen.
Wir ziehen uns nicht aus dem Maklermarkt zurück.
Viktoria Knoll, CCO/CHRO Deutsche Familienversicherung
Auf Nachfrage, warum und bis wann sich die Deutsche Familienversicherung aus dem Maklervertrieb zurückzieht, antwortet Viktoria Knoll, Chief Commercial Officer (CCO) und Chief HR Officer (CHRO):
„Wir ziehen uns nicht aus dem Maklermarkt zurück. Richtig ist aber, dass die Konkurrenzfähigkeit bei Tier nicht mit einer Provision von 25 Prozent und mehr dargestellt werden kann, weshalb das Interesse der Makler am Verkauf von schwach provisionierten Produkten nachlässt.“
Angesprochen auf die kurzfristige Bekanntgabe zur Tierversicherung teilt die Managerin, Tochter von Vorstandschef Stefan Knoll, mit, dass die Information der Vertriebspartner „im Rahmen der vertraglichen Vereinbarung einen Monat im Voraus“ erfolgt sei.
Mit Blick auf die künftige Betreuung der Bestandsverträge in dieser Sparte nach der Schließung des Neugeschäfts im Maklervertrieb sagt sie: „Die Bestandsverträge sind nicht betroffen und werden ganz normal von unseren Maklern weiterbetreut.“
Ihren Angaben zufolge erwirtschaftet die Deutsche Familienversicherung 90 Prozent des Umsatzes über Online und Direkt. Der Maklervertrieb habe sich seit der Unternehmensgründung vorzugsweise über Produkte nach Art der Leben (Pflegezusatzversicherung und Krankenhauszusatzversicherung) entwickelt und „ist auch weiterhin interessant für uns, was den Vertrieb über Makler anbelangt“.
Angesichts des großen Wettbewerbs im Onlinevertrieb wollen die Frankfurter mit besseren und verständlicheren Versicherungsprodukten punkten. „Als Rekordtestsieger in der Zahnzusatzversicherung zeigen wir täglich, was wir können“, so Knoll.
Kritische Stimmen zur Beitragsstabilität, die an die Redaktion des VersicherungsJournals herangetragen worden sind – in der Pflegezusatzversicherung sollen Anpassungen von 100 Prozent vorgenommen worden sein –, lässt sie nicht gelten.
Im Übrigen ist die Kalkulation völlig fehlerfrei – auch immer gewesen.
Viktoria Knoll, CCO/CHRO Deutsche Familienversicherung
„Ihre Behauptung ist unzutreffend. Unsere Kalkulation ist immer zutreffend gewesen“, sagt sie. „Allerdings sind wir gezwungen die kalkulatorischen Annahmen den Realitäten anzupassen.
So hat, wie bei allen Gesellschaften, das Pflegestärkungsgesetz II dramatische Verwerfungen in der Pflegezusatzversicherung. Zusätzlich beobachten wir eine überproportionale Einstufung insbesondere junger Menschen in die Pflegegrade 1 und 2. Auf beides haben wir, wie vom Gesetzgeber vorgeschrieben, mit einer Beitragsanpassung reagiert.
Im Übrigen ist die Kalkulation völlig fehlerfrei – auch immer gewesen.“
Auf der Bewertungsplattform Trustpilot berichten viele Kunden der Deutschen Familienversicherung von wochenlangen Wartezeiten, insbesondere in der Sparte Zahnzusatzversicherung. Die Kritik bezieht sich meist auf die Bearbeitung von Kostenvoranschlägen und die Erstattung von Leistungen. Dies deutet mindestens auf große Bearbeitungsrückstände hin.
„Wir bedauern es, wenn wenige Kunden unzufrieden sind, unabhängig davon, wie und wo der Unmut geäußert wird. Besonders bedauerlich ist dies, weil deren Unmut auch unser Unmut ist.
Wartezeiten beim Kunden sind das Spiegelbild aufwändiger Bearbeitungen bei uns, die in erster Linie auf das reformbedürftige Abrechnungswesen in Deutschland zurückzuführen sind“, begründet Knoll die Kommentare.
„Mit einer Automatisierungsquote in Echtzeit von 70 Prozent, stellen wir einem Großteil unserer Kunden den Service zur Verfügung, den sie von uns kennen und erwarten dürfen. Ein Teil der zufriedenen Kunden belohnt uns dafür mit einem Gesamtscore auf Trustpilot von immerhin 4.2“, betont sie.
Und wie reagieren die Frankfurter auf Kritik, die neue Vertriebsstrategie schließe einen Teil der Branche aus? „Wir kennen diese Kritik nicht“, so Knoll. „Im Übrigen sprechen wir mit allen, die an einer für beide Seiten erfolgreichen Zusammenarbeit interessiert sind, insbesondere im Produktbereich nach Art der Lebensversicherung.“
Auch sei eine Entwicklung, dass immer mehr Versicherungsgesellschaften das Interesse am Maklervertrieb verlieren, nicht bekannt.
Die Kursänderungen der Deutschen Familienversicherung in den vergangenen Monaten könnten auch mit einem sehr hohen Druck verbunden sein, Dividendenfähigkeit herzustellen. Seit Ende vergangenen Jahres gehören Aufsichtsratsmitglied Luca Pesarini 25 Prozent der Aktien.
Der Manager und Mitgründer der Fondsgesellschaft Ethenea Independent Investors S.A., die weitere 2,98 Prozent an der Deutschen Familienversicherung hält, steht gleichfalls hinter der luxemburgischen Haron Holding S.A., mit der im vergangenen Herbst eine Delisting-Vereinbarung für den Rückzug vom Börsen-Parkett abgeschlossen worden war.
Das Kaufangebot galt nicht für den Vorstandsvorsitzenden und Firmengründer Dr. Stefan Knoll, der laut dem Finanzportal Onvista.de aktuell 19,56 Prozent hält. Knoll hatte das Unternehmen Ende 2018 an die Börse geführt (12.11.2018, Medienspiegel 6.12.2019).
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