26.5.2025 – „Wir werden nicht an die Provisionen gehen“, versprechen die Vorstandsvorsitzenden der Barmeniagothaer, Dr. Andreas Eurich und Oliver Schoeller gegenüber dem VersicherungsJournal. Denn sie kämpften wie andere Versicherer um talentierten Nachwuchs im Versicherungsvertrieb. Auch der Exklusivvertrieb bleibe nahezu unverändert, um „weiterhin in der Fläche vertreten zu sein“.
VersicherungsJournal: Vor anderthalb Jahren überraschten Sie den Markt mit der Ankündigung der Fusionspläne der Barmenia Versicherungen a.G und der Gothaer Versicherungsbank VVaG, die inzwischen vollzogen ist (VersicherungsJournal 10.10.2024). Bereuen Sie den Zusammenschluss im Rückblick?
Dr. Andreas Eurich: Auf gar keinen Fall. Wir sind mitten im Prozess und kommen besser als erwartet voran. Direkt mit dem Zusammenschluss wurde der Bestand der Barmenia Lebensversicherung a.G. auf die Gothaer Lebensversicherung AG übertragen. Unmittelbar danach wurde die Barmenia Leben auf die Barmenia Versicherungen a.G. verschmolzen.
Die Dachgesellschaften Gothaer Versicherungsbank und Barmenia Versicherungen bleiben in der Rechtsform Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit organisiert. Die Unternehmen halten als einzige Aktionäre 64 beziehungsweise 36 Prozent der Anteile der Barmenia.Gothaer Finanzholding AG.
Mit der Eintragung dieser neuen gemeinsamen Holdinggesellschaft in das Handelsregister Köln ist der Zusammenschluss rechtlich zwar vollzogen. Der in der PKV-Sparte angestoßene Prozess der Verschmelzung der Gothaer Kranken auf die Barmenia Kranken wird aber noch bis zu drei Jahre dauern.
Oliver Schoeller: Einen Normalbetrieb kennen wir kaum noch. Denn im dynamischen Marktumfeld der letzten Jahre ist es die neue Normalität, sich stetig zu verändern.
Vor fünf Jahren stellte Covid-19 unseren Alltag auf den Kopf, was viele Menschen bewusster über ihre Gesundheitsvorsorge nachdenken ließ. Die Pandemie hat sich auf die Arbeitsweisen in unseren damals noch getrennten Häusern ausgewirkt und mobiles Arbeiten in wenigen Monaten zum neuen Normalen befördert.
Als großer Kompositversicherer in NRW und Rheinland-Pfalz waren wir als Gothaer nur ein Jahr später mit der Flutkatastrophe im Ahrtal außerordentlich schwer getroffen.
Seit 2022 beeinflusst der Krieg in der Ukraine den gesamten Versicherungsmarkt. Denn er treibt einerseits die Inflation und wirkt andererseits auf die Kapitalmärkte und das ökonomische Umfeld. Ein neuer großer Treiber von Veränderung ist die künstliche Intelligenz.
Schoeller: Dass eine Fusion herausfordernd ist, liegt auf der Hand. Längere Reaktionszeiten auf Kundenanfragen haben wir jedoch nicht festgestellt. Über die Kosten der Fusion werden wir keinen Bericht abgeben, auch weil es sich bei uns nicht um einen sogenannten Skalen-Merger handelt.
Die Vorteile des Zusammenschlusses liegen zwar auch in Größenvorteilen. Die Wirkung sehen wir aber in anderen Dimensionen: In der Barmeniagothaer Asset Management AG verwalten wir jetzt ein konsolidiertes Vermögen von 50 Milliarden Euro.
Die zwei bisherigen Vertriebsorganisationen können nun auf ein größeres Produktportfolio zugreifen.
Oliver Schoeller
Wir verfügen nun mit rund 4.500 Vertriebspartnern über eine der größten Ausschließlichkeitsorganisationen in der Branche. Die zwei bisherigen Vertriebsorganisationen können nun auf ein größeres Produktportfolio zugreifen, der Gothaer Exklusivvertrieb beispielsweise auf PKV-Tarife für die Zielgruppe Beamte – einem Segment, in dem die Barmenia Kranken stark wächst.
Eurich: Die Gothaer Allgemeine deckt hingegen in der gewerblichen Kompositversicherung Geschäftsfelder ab, die wir als Barmenia nicht bedient hatten. Zusammen können wir unseren Vertrieb beispielsweise durch gemeinsame IT-Projekte in den Bereichen KI oder Cloud-Technologie voranbringen.
Wir setzen auf das jeweils zukunftsweisendere System oder steigen gemeinsam auf ganz neue Systeme um.
Dr. Andreas Eurich
Wir haben daher wenig Angst, dass wir in fünf Jahren noch mit zwei Altsystemen nebeneinander arbeiten werden. Stattdessen setzen wir auf das jeweils zukunftsweisendere System oder steigen gemeinsam auf ganz neue Systeme um.
Die positiven Effekte der geteilten Anstrengungen erwarten wir in Form von Bestandswachstum sowie hoffentlich auch steigenden Ertrags- und Solvenzkennzahlen.
Eurich: Wir führen gegenwärtig keine Gespräche, allein schon, weil so ein Zusammenschluss kein leichtes Unterfangen ist. Er sollte sich nämlich nicht nur in den Excel-Sheets rechnen, sondern auch in der Praxis funktionieren.
Damit es ein Erfolg wird, müssen die Partner gut zueinanderpassen. Das beobachten wir nicht nur bei uns, sondern auch bei den aktuellen Zusammenschlüssen der Süddeutschen Krankenversicherung und der Stuttgarter sowie Baloise und Helvetia. Ich kann aber keine Prognose für den gesamten deutschen Markt abgeben.
Schoeller: Das gilt unlimitiert. In zehn Jahren werden wir beide nicht mehr hier sitzen, dafür sorgt schon die Altersgrenze in unserem Unternehmen. Es ist ein Privileg, wenn wir zu treffende Entscheidungen miteinander spiegeln können. Das ist gut für das Unternehmen.
Für mich gilt in unseren Teams grundsätzlich: Wer glaubt, er sei der Schlaueste im Raum, ist bei uns falsch. Das gilt natürlich auch für den Vorstand. Unser Geschäft ist äußerst dynamisch. Da helfen unterschiedliche Sichten.
Für unser gemeinsam geführtes Unternehmen wollen wir im Herbst eine neue Strategie für die kommenden fünf Jahre bis 2030 vorstellen. Da hilft ebenfalls ein gemeinsamer Blick unter Einbeziehung der unterschiedlichen Kompetenzen und Historien unserer Häuser.
Eurich: Das wird sich bald ändern. Die Bandenwerbung im Stadion Bayarena ist schon im vorigen Jahr ausgetauscht worden, aber die Gestaltung der Trikots wird sehr frühzeitig festgelegt, so dass das bis zur kommenden Saison dauert.
Ende April haben wir zudem die erste Kampagne für die Marke Barmeniagothaer gestartet, die bis Juli läuft und Sichtbarkeit und Bewusstsein schaffen soll. Unsere Zielgruppe sind hierbei sportaffine Familien und Singles im Alter zwischen 25 und 49 Jahren.
Unser Exklusivvertrieb wird ab 2026 unter dem Namen Barmeniagothaer agieren.
Dr. Andreas Eurich
Die Kampagne soll auch den Boden für unseren Exklusivvertrieb bereiten, der ab 2026 unter dem Namen Barmeniagothaer agieren wird. Der Aufbau einer Markenpräsenz soll bereits in diesem Jahr die Verbindung zu den Vermittlern schaffen, auf die sie im kommenden Jahr aufbauen können.
Für den Wiedererkennungswert am Point of Sale werden den Agenturen zudem Plakate zur Verfügung gestellt. Für ihre Online-Aktivitäten erhalten sie außerdem vorgefertigte Facebook- und Instagram-Posts sowie Werbespots. Darüber hinaus kann die Kampagne auch auf den Webseiten der Vermittler integriert werden.
Schoeller: Wir haben zusammen derzeit 4.500 Agenturen und wollen unsere dezentrale Struktur erhalten, um weiterhin in der Fläche vertreten zu sein. Insbesondere der Vertrieb der bisherigen Barmenia ist sehr regional mit jungem Personal aufgestellt. Das ist ein Riesen-Asset für uns und bietet Potenzial, um gemeinsam stärker zu sein.
Vorerst bleibt es bei den unterschiedlichen Verträgen […] mit den Agenturen.
Oliver Schoeller
Vorerst bleibt es bei den unterschiedlichen Verträgen der Gothaer beziehungsweise Barmenia mit den Agenturen. Die dort tätigen Vertreter sprechen traditionell jeweils andere Zielgruppen aus den getrennt zu betrachtenden Bereichen der Privat- beziehungsweise Gewerbekunden an. Es gibt also kaum Überschneidungen.
Wenn sich Agenturen zusammenschließen wollen, dann ist das ihre Entscheidung als selbstständige Unternehmer.
Schoeller: Nein, wir werden nicht an die Provisionen gehen. Denn der Konkurrenzkampf um die Ressource Versicherungsvermittler ist erheblich. Es fällt deutschen Versicherern heute allgemein sehr schwer, ihre vertriebliche Power auszubauen oder auch nur zu halten. Gegen diesen Trend hat vor allem die Barmenia in den vergangenen Jahren viele neue Vermittler gewinnen können.
Diese Basis wollen wir erhalten, nicht zerstören. Deshalb behalten alle vertraglich zugesicherten Leistungen ihre Gültigkeit auch nach der im nächsten Jahr stattfindenden Verschmelzung unserer Exklusivvertriebe mit den Handelsvertretern nach § 84 HGB.
Schoeller: Wir müssen gegenüber der Bafin nachweisen, dass sich der Zusammenschluss für unsere Kunden nicht negativ auf ihren Versicherungsschutz oder ihre Prämien auswirkt. Wir sind dazu verpflichtet, dass jeder Vertrag zeitlich unbegrenzt weiter gilt – auch für Makler, die rechtlich Sachwalter der Versicherungsnehmer sind.
Die Courtagen für die einzelnen Produkte beider Häuser haben weiter Bestand.
Oliver Schoeller
Das heißt für die Vereinbarungen über die Courtagen für die einzelnen Produkte beider Häuser, dass sie weiter Bestand haben und sich beim gemeinsamen Risikoträger weiterentwickeln. Insgesamt unterhalten wir derzeit Geschäftsbeziehungen zu etwa 10.000 Maklern. Bei ihnen gibt es natürlich eine große Schnittmenge von Maklern, die sowohl Barmenia- als auch Gothaer-Partner sind.
Schoeller: Wir haben bereits zu Beginn der Fusionsgespräche schriftlich fixiert, dass einerseits die Standorte Wuppertal und Köln unverändert erhalten bleiben. Andererseits galt für alle Mitarbeitenden seit dem Tag des Zusammenschlusses eine dreijährige Beschäftigungsgarantie, die wir jetzt um zwei Jahre bis 2029 verlängert haben.
Damit richtet sich der Fokus unserer Talente auf die Möglichkeiten des Zusammenschlusses und nicht auf die Risiken. Im Bereich Maklervertrieb haben wir unsere Innendienste innerhalb weniger Wochen in einer gemeinsamen Organisation strukturell zusammengelegt, ohne Stellen abzubauen.
Wir stellen weiter ein.
Oliver Schoeller
Im Gegenteil, wir stellen weiter ein. Allein im vorigen Jahr ist unsere Belegschaft um mehr als 100 Menschen gewachsen, netto nach Abzug der altersbedingt in den Ruhestand gehenden. Wir werden auch in Zukunft substanziell einstellen.
Eurich: Insgesamt betrachtet wollen wir unseren Endkunden beziehungsweise den Vermittlern mit dem Zusammenschluss eine breitere Palette an Produkten und Services bieten. Aufgrund von manchen Dopplungen im Angebot räumen wir unser Portfolio aktuell auf.
Bereits abgeschlossen ist dieser Prozess in der Sparte Leben. Dort ist die Gothaer in den vergangenen Jahren vor allem im Biometrie- und bAV-Geschäft gewachsen. Die Barmenia wuchs hingegen vor allem mit fondsgebundenen Rentenversicherungen.
In der Sparte Kranken sind wir noch dabei, das Angebot zu straffen.
Dr. Andreas Eurich
In der Sparte Kranken sind wir noch dabei, das Angebot zu straffen. Hier ist die Gothaer stark im bKV-Geschäft vertreten, während die Barmenia sich ein ganz festes Standbein im ebenfalls wachsenden Segment der Krankenvollversicherung von Beamten aufgebaut hat.
Die Frage stellte
Mit einer Anzeige im Extrablatt erreichen Sie mehr als 12.500 Menschen im Versicherungsvertrieb, überwiegend ungebundene Vermittler. Über die Konditionen informieren die Mediadaten.
Ihre Leserbriefe können für andere Leser eine wesentliche Ergänzung zu unserer Berichterstattung sein. Bitte schreiben Sie Ihre Kommentare unter den Artikel in das dafür vorgesehene Eingabefeld.
Die Redaktion freut sich auch über Hintergrund- und Insiderinformationen, wenn sie nicht zur Veröffentlichung unter dem Namen des Informanten bestimmt ist. Wir sichern unseren Lesern absolute Vertraulichkeit zu. Schreiben Sie bitte an redaktion@versicherungsjournal.de.
Allgemeine Pressemitteilungen erbitten wir an meldungen@versicherungsjournal.de.
Geraten Sie in Verkaufssituationen immer wieder an Grenzen?
Wie Sie unterschiedliche Persönlichkeitstypen zielgerichtet ansprechen, erfahren Sie im Praktikerhandbuch „Vertriebsgötter“.
Interessiert? Dann können Sie das Buch ab sofort zum vergünstigten Schnäppchenpreis unter diesem Link bestellen.