Zweieinhalbjähriger baut schweren Autounfall – wer haftet?

24.5.2023 – Kommt es zu einem Unfall, weil ein allein im Fahrzeug zurückgelassenes Kleinkind dieses startet, so sind dessen Eltern wegen der Verletzung ihrer Aufsichtspflicht zum Ersatz des dadurch entstandenen Schadens verpflichtet. Das hat das Oberlandesgericht Oldenburg mit einem am Montag veröffentlichten Urteil vom 20. April 2023 (14 U 212/22) entschieden.

WERBUNG

Weil die Mutter eines zweieinhalb-jährigen Jungen am Ende der Familienfeier der Großmutter kurz noch mal ins Haus gehen wollte, ließ sie ihn unangeschnallt im auf dem Beifahrersitz befestigten Kindersitz ihres Pkw zurück.

Startendes Auto verletzt Großmutter des Jungen schwer

Diese Gelegenheit nutzte der Junge, um von seinem Kindersitz auf den Fahrersitz zu krabbeln. Er griff sich den auf dem Armaturenbrett abgelegten Autoschlüssel, steckte diesen ins Zündschloss und startete den Wagen. Dabei machte das Auto einen Satz nach vorn. Die circa anderthalb Meter entfernt auf einer Bank sitzende Großmutter des Jungen wurde dabei schwer verletzt.

Die umfangreichen Behandlungskosten machte die Krankenkasse der Großmutter im Rahmen eines Regresses gegenüber der Mutter geltend. Diese habe ihre Aufsichtspflicht verletzt, indem sie ihren Sohn unbeaufsichtigt in dem Auto zurückgelassen habe.

Die Frau sah sich jedoch nicht verantwortlich. Sie war der Meinung, dass mit dem Verhalten ihres Sohnes nicht zu rechnen gewesen sei. Denn das Starten eines Autos sei eine komplexe Abfolge von Handlungen. Zudem sei sie nur ein bis zwei Minuten weg gewesen. Dabei habe sie die Fahrzeugtüren weit offengelassen.

Die Argumentation fand das Osnabrücker Landgericht schlüssig. Die Verletzung der Großmutter sei Folge einer ganz außergewöhnlichen Kausalkette gewesen. Damit hätten auch umsichtige Aufsichtspflichtige nicht rechnen müssen. Die Richter wiesen daher die Regressforderung des gesetzlichen Krankenversicherers als unbegründet zurück.

Folge einer außergewöhnlichen Kausalkette?

Zu Unrecht, befand das Oldenburger Oberlandesgericht. Nach dessen Ansicht richte sich das Maß der gebotenen Aufsicht nämlich nach den Umständen des Einzelfalls. Es erhöhe sich mit der Gefahrträchtigkeit einer konkreten Situation.

Kleinkinder müssten generell ständig beaufsichtigt werden. In dem entschiedenen Fall habe die Mutter durch das Alleinlassen ihres Kindes im Auto sowie dem Zurücklassen des Autoschlüssels eine ganz erhebliche Gefahr geschaffen.

Nach Ansicht der Richter war das weitere Geschehen auch nicht völlig außergewöhnlich. Denn kleine Kinder würden erfahrungsgemäß gerne nach Schlüsseln greifen und versuchen, sie in Schlösser hineinzustecken. Durch dieses Verhalten würden sie Erwachsene nachahmen wollen.

Die Mutter hätte ihren Sohn daher im Kindersitz anschnallen und die Schlüssel mitnehmen, oder jemanden mit der Aufsicht beauftragen müssen.

Schlagwörter zu diesem Artikel
Aufsichtspflicht · Gesetzliche Krankenversicherung · Künstliche Intelligenz · Pkw
 
WERBUNG
Werben im Extrablatt

Mit einer Anzeige im Extrablatt erreichen Sie mehr als 12.500 Menschen im Versicherungsvertrieb, überwiegend ungebundene Vermittler. Über die Konditionen informieren die Mediadaten.

Kurzumfrage – Ihre Meinung ist gefragt!

WERBUNG
Mehr Umsatz durch professionelle Kundenpflege

Ob Kundenzeitung, Homepage oder Newsletter – durch regelmäßige Fachinformationen bieten Sie Ihren Kunden echten Nutzen.
Sie haben keine Zeit dafür? Die Autoren des VersicherungsJournals nehmen Ihnen das Schreiben ab.

Jetzt auch für Ihren Social-Media-Auftritt.

Eine Leseprobe und mehr Informationen finden Sie hier...

Ihr Wissen und Ihre Meinung sind gefragt

Ihre Leserbriefe können für andere Leser eine wesentliche Ergänzung zu unserer Berichterstattung sein. Bitte schreiben Sie Ihre Kommentare unter den Artikel in das dafür vorgesehene Eingabefeld.

Die Redaktion freut sich auch über Hintergrund- und Insiderinformationen, wenn sie nicht zur Veröffentlichung unter dem Namen des Informanten bestimmt ist. Wir sichern unseren Lesern absolute Vertraulichkeit zu. Schreiben Sie bitte an redaktion@versicherungsjournal.de.

Allgemeine Pressemitteilungen erbitten wir an meldungen@versicherungsjournal.de.

WERBUNG
Noch erfolgreicher Kundengespräche führen

Geraten Sie in Verkaufssituationen immer wieder an Grenzen?
Wie Sie unterschiedliche Persönlichkeitstypen zielgerichtet ansprechen, erfahren Sie im Praktikerhandbuch „Vertriebsgötter“.

Interessiert? Dann können Sie das Buch ab sofort zum vergünstigten Schnäppchenpreis unter diesem Link bestellen.

Diese Artikel könnten Sie noch interessieren
10.5.2022 – Die Baloise Group und die Süddeutsche bauen bei ihren Startups Friday und SDK Neva weitere Produkte an. Alteos, BGV und Neodigital, Inter sowie Universa präsentieren neue Lösungen für Autos, Fahrräder, Hörgeräte, Photovoltaik oder Privathaftpflicht. (Bild: Geralt, Pixabay, CC0) mehr ...
 
18.2.2021 – Die Ammerländer lockert beim Fahrraddiebstahl die Anforderungen und erhöht die Leistung. Auch die Hausratpolice leistet mehr. Neu ist die Camping-Deckung. Neues für Privatkunden melden auch Allianz, Bavaria Direkt, BD24, Ergo und Hepster. (Bild: Geralt, Pixabay, CC0) mehr ...
 
24.11.2020 – Eine Autofahrerin kollidierte mit einem Jungen, der vor ihr plötzlich die Straße überquerte. Daraufhin forderte sie Schadenersatz von der Mutter, die ihre Aufsichtspflicht verletzt habe. Doch vor Gericht hatte sie damit einen schweren Stand. (Bild: Sascha Kohlmann, CC BY-SA 2.0) mehr ...
 
13.3.2020 – Eine erkrankte Frau hatte beim dafür zuständigen Landschaftsverband beantragt, ihr die Anschaffung eines behindertengerechten Personenkraftwagens zu finanzieren. Weil ihr dies verwehrt wurde, zog sie vor das Detmolder Sozialgericht. (Bild: Pixabay, CC0) mehr ...
 
27.8.2019 – Ein Junge war in einer Kreuzung mit seinem Fahrrad auf einen Pkw aufgefahren. Die Kosten für den dabei entstandenen Schaden wollte der Fahrzeughalter den Eltern des Achtjährigen aufhalsen. (Bild: Pixaby CC0) mehr ...
 
16.11.2018 – Eine Pkw-Fahrerin war mit einem sechseinhalbjährigen Kind zusammengestoßen, das auf einem Kinderfahrzeug am Straßenverkehr teilnahm. Anschließend stritt man sich gerichtlich um die Haftungsfrage. (Bild: Pixabay CC0) mehr ...
 
4.7.2016 – Ein Auto war von einem Kindergartenkind beschädigt worden. Als der Halter daraufhin Schadenersatz forderte, gab es Streit. mehr ...
 
22.7.2015 – Ein neunjähriges Kind war mit seinem Fahrrad in einem verkehrsberuhigten Bereich mit einem Personenkraftwagen zusammengestoßen. Die Haftungsfrage konnte erst vor Gericht geklärt werden. mehr ...
WERBUNG