17.12.2025 – Das Oberlandesgericht Hamburg hat entschieden, dass die Vermieterin eines Tiefgaragen-Stellplatzes auch für Mängel an einem Rolltor haftet. Die Verkehrssicherungspflichten aus dem Mietvertrag gelten demnach auch für Gemeinschaftsanlagen, selbst wenn die Vermieterin die Garage lediglich anmietet. Das Gericht sprach dem Fahrer eines Lamborghinis Schadensersatz zu, nachdem dessen Fahrzeug durch ein Rolltor beschädigt worden war.
Ein Mann war Halter eines Lamborghini Diablo – eines Sportwagens, der insgesamt nur 400-mal gebaut wurde. Für das 4,43 Meter lange Fahrzeug hatte er einen Stellplatz in einer Tiefgarage in Hamburg-Rahlstedt gemietet.
Die Tiefgarage wird außerhalb der üblichen Öffnungszeiten nach 18 Uhr durch ein elektronisches Rolltor verschlossen. Stellplatzmieter können das Tor mit einem speziellen Schlüssel öffnen. Ist es geöffnet, schließt es sich nach einer gewissen Zeit automatisch wieder. Ein Drucksensor und eine Lichtschranke sollen verhindern, dass das Tor schließt, solange sich ein Fahrzeug noch darunter befindet.
Zwischen dem Rolltor und der Straße ist ein Abstand von lediglich vier Metern vorhanden. Zudem müssen die Autofahrer einen Gehweg überqueren, um auf die Straße zu gelangen. Entsprechend sind dort verkehrsbedingt mitunter längere Wartezeiten vonnöten, bis die Ausfahrt der Tiefgarage verlassen werden kann.
Im September 2020 wurde der Lamborghini durch das Rolltor der Tiefgarage beschädigt. Der Fahrzeughalter meldete den Schaden wenige Tage nach dem Vorfall bei der Hausverwaltung der Tiefgarage und forderte Schadensersatz. Diese leitete die Schadenanzeige an ein weiteres beteiligtes Unternehmen weiter, das den Vorgang seiner Haftpflichtversicherung übergab.
Eine Haftung für den Vorfall lehnte die Gegenseite jedoch ab. Der Kläger forderte daraufhin mehrfach die Anerkennung der Einstandspflicht und ließ ein privates Schadensgutachten für rund 3.900 Euro erstellen. Neben den Reparaturkosten machte er auch Gutachterkosten sowie eine Nutzungsausfallentschädigung geltend. Eine Regulierung erfolgte nicht.
Nach dem Vorfall wurde die Toranlage technisch verändert. Im Bereich des Rolltors wurden zusätzliche Lichtschranken angebracht beziehungsweise neu positioniert. Den beschädigten Lamborghini versteigerte der Kläger später über ein Auktionshaus für rund 180.000 Euro.
Der Halter des Sportwagens klagte daraufhin gegen die Vermieterin des Stellplatzes, weil sie ihre Verkehrssicherungspflicht verletzt habe. Vor dem Landgericht Hamburg schilderte er den Hergang des Unfalls wie folgt:
Vor ihm habe sich ein weiteres Fahrzeug befunden, dessen Fahrer das Rolltor mit einem Schlüssel geöffnet und die Tiefgarage verlassen habe. Nachdem dieses Fahrzeug ausgefahren sei, sei er nachgerückt und habe sein Fahrzeug an der Ausfahrt angehalten. Die Front habe sich dabei bereits auf Höhe des Kantsteins der Straße befunden, während das Heck noch im Bereich des Rolltors gestanden habe.
In dieser Position habe er etwa eine Minute lang angehalten, da er Probleme mit dem Einschalten der Beleuchtung gehabt habe. Währenddessen habe sich das Tor abgesenkt. In der Abwärtsbewegung sei es auf die hintere Partie des Fahrzeugs aufgesetzt und habe sich an einer Ecke des Heckspoilers verhakt. Dadurch seien sowohl der Spoiler als auch die Heckhaube beschädigt worden.
Mit Bezug auf das selbst beauftragte Gutachten nannte der Fahrzeughalter zwei zentrale Mängel, weshalb die Verkehrssicherungspflicht verletzt worden sei:
Das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg verurteilte die Vermieterin des Stellplatzes mit Urteil vom 18. März 2025 (4 U 33/25) zur Zahlung von rund 42.500 Euro und bestätigte damit das Urteil der Vorinstanz im Wesentlichen.
Zunächst scheiterte die Vermieterin des Stellplatzes vor Gericht mit dem Einwand, sie sei für das Rolltor nicht verantwortlich, da sie die Tiefgarage selbst lediglich angemietet habe. Es sei, so ihre Argumentation, lebensfremd anzunehmen, dass ein Stellplatzmieter sämtliche technischen Einrichtungen einer großen Tiefgarage mit zahlreichen Stellplätzen einer umfassenden technischen Kontrolle unterziehe.
Hier verwies das Gericht die Vermieterin auf Pflichten, die sich aus dem Mietvertrag ergeben. Der Vermieter sei zum Schutz der Person und der eingebrachten Sachen des Mieters vor Schäden verpflichtet. Diese Verpflichtung folge aus der Erhaltungspflicht des Vermieters nach § 535 Absatz 1 BGB.
Dem Vermieter komme eine Schutzpflicht zu, die eng mit Verkehrssicherungspflichten korrespondiere. Dabei sei der Vermieter auch für die gefahrlose Nutzung von Gemeinschaftsflächen verkehrssicherungspflichtig, etwa Zufahrten und Treppenhäuser. Der Umstand, dass die Beklagte nicht zugleich Grundstückseigentümerin ist, sei nicht zu ihrer Entlastung geeignet.
Auch ein Mitverschulden gemäß § 254 Absatz 1 BGB konnte dem Fahrer nicht nachgewiesen werden. So hatte die Vermieterin argumentiert, er habe gegen die StVO verstoßen, indem er im Ausfahrtbereich der Tiefgarage längere Zeit angehalten habe. Hier könne es schon die Verkehrssituation erfordern, dass ein Fahrer am Gehweg warten muss, hob das Gericht hervor.
Ebenso wenig überzeugend sei der Vortrag der Beklagten, es liege ja in der Herrschaft des Nutzers, rechtzeitig aus dem Bereich des sich schließenden Rolltores herauszufahren. Dies sei gerade nicht uneingeschränkt möglich, weil der Abstand zwischen dem Bordstein und dem Tor lediglich vier Meter betrage, während jedes normale Mittelklasse-Auto zwischen vier und fünf Meter lang sei.
Es müsse vielmehr immer damit gerechnet werden, dass sich das Ausfahren auf die öffentliche Straße verzögere, weil beispielsweise fließender Verkehr herrsche oder sich der Verkehr an der naheliegenden Ampel stauen würde, so betonten die urteilenden Richter.
Es müsse sogar als Konstruktionsfehler der Tiefgarage betrachtet werden, dass dort so wenig Platz herrsche – das Schließtor könne ohne Probleme zurückversetzt werden.
Auch konnte sich die Vermieterin nicht auf eine Haftungsausschluss-Klausel im Mietvertrag beziehen, wonach Ersatz für Personen- und Sachschäden ausgeschlossen sei. Ein solch pauschaler Ausschluss ohne Rücksicht auf die Schadensursache sei nach § 309 Absatz 7 BGB sowie § 307 Absatz 1 BGB unwirksam.
Auch das Argument, die Verkehrssicherungspflicht könne wegen der besonderen Bauweise eines seltenen Fahrzeugs wie des Lamborghini eingeschränkt sein, ließ das Gericht nicht gelten.
Das OLG verwies auf die aktuelle Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, wonach die Haftung für Schäden an Fahrzeugen, die für den öffentlichen Straßenverkehr zugelassen sind, nicht allein wegen ihrer Bauart oder Seltenheit ausgeschlossen werden kann. So muss ein Waschstraßenbetreiber auch für Schäden an Heckspoilern zahlen, wenn die Ausfahrt Mängel aufweist (VersicherungsJournal 22.11.2024).
Nachdem das Gericht einen Sachverständigen hinzugezogen hatte, bestätigte sich der Verdacht, dass das Rolltor nicht ausreichend gesichert war.
Das bloße Vorhandensein einer Lichtschranke und eines Drucksensors reiche nicht aus, um der Verkehrssicherungspflicht zu genügen. Maßgeblich sei vielmehr, dass der gesamte Ausfahrvorgang sowie der Bereich vor und hinter dem Tor in die Gefahrenbeurteilung einbezogen würden.
Die Besonderheit der Anlage liege darin, dass der Abstand zwischen der Schließebene des Tores und dem öffentlichen Straßenraum geringer sei als die durchschnittliche Länge eines herkömmlichen Pkw, führte das OLG aus. Dadurch sei es naheliegend, dass ein Fahrzeug mit dem Heck noch im Bereich des Tores verbleibe, während die Fahrzeugfront bereits den Straßenraum erreiche.
Dieses Szenario hätte bei der Auslegung der Sicherungstechnik berücksichtigt werden müssen. Der Sachverständige kam zu dem Ergebnis, dass die innenliegende Lichtschranke mit einem Abstand von 75 bis 110 Millimetern zu den beweglichen Teilen des Tores keine wirksame Überwachung der Schließebene gewährleiste. Die Toranlage sei daher nicht verkehrssicher gewesen, wofür die Vermieterin hafte.
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