8.11.2024 – AfW und BVK fordern zügig eine handlungsfähige Regierung. Beide Verbände halten die ursprünglich bis Jahresende geplante Verabschiedung der Reform der privaten Altersvorsorge für kaum noch realisierbar. Olaf Scholz habe schon als Finanzminister in der letzten Legislaturperiode die notwendige Riester-Reform blockiert, heißt es beim AfW. Der BVK blickt mit Unruhe auf die anstehenden Trilog-Verhandlungen zur EU-Kleinanlegerstrategie.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat am Mittwochabend mit der Entlassung von Finanzminister Christian Lindner (FDP) das Projekt Ampelkoalition beendet. Wie es nun weitergeht, welche Regierungsvorhaben bis zu den angekündigten Neuwahlen noch umgesetzt werden, ist derzeit völlig offen.
Scholz hat im Rahmen der Bekanntgabe zwar angekündigt, wichtige Gesetze, die aus seiner Sicht keinen Aufschub dulden, noch bis zum Jahresende zur Abstimmung im Bundestag zu stellen.
Er nannte unter anderem den ursprünglich von Lindner eindringlich geforderten Abbau der sogenannten kalten Progression (VersicherungsJournal 27.9.2024) und die Stabilisierung der Rente. Damit dürfte das Rentenpaket II, aber wohl nicht das Paket Nummer drei (Archiv) gemeint sein. Ob er allerdings seine Pläne überhaupt noch umsetzen kann, ist fraglich.
Denn nicht nur FDP, Union und weitere Parteien, sondern auch die deutsche Wirtschaft reagiert auf das Aus der „Fortschrittskoalition“ mit einem lauten Ruf nach schnellen Neuwahlen.
„Jede Woche länger mit einer politisch gelähmten Regierung ist in dieser Wirtschaftskrise ein schwerer Fehler", wird beispielsweise Marie-Christine Ostermann, Präsidentin des Verbandes die Familienunternehmer e.V., auf Tagesschau.de zitiert.
Auch die Assekuranz drängt auf vorgezogene Neuwahlen.
„Wir setzen auf eine rasche Klärung der politischen Verhältnisse und die Bildung einer stabilen neuen Regierung, die die Interessen der Bürgerinnen und Bürger im Blick hat“, schreibt der AfW – Bundesverband Finanzdienstleistung e.V. in einer Stellungnahme.
„Stabilität und Berechenbarkeit sind für die Finanzdienstleistungsbranche essenziell, um das Vertrauen von Verbrauchern und Marktteilnehmern zu erhalten und weiter zu stärken“, so der Verband.
Gerade angesichts der aktuellen globalen Entwicklungen, wie den jüngsten Wahlen in den USA, sei Stabilität „ein entscheidender Faktor für die erfolgreiche Weiterentwicklung der deutschen Finanz- und Versicherungswirtschaft“.
Eine verlässliche politische Führung sei notwendig, um Reformen, insbesondere im Bereich der Altersvorsorge, aber auch bei der Förderung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit des deutschen und europäischen Finanzmarktes voranzutreiben.
Mit Blick auf die geförderte private Altersvorsorge, insbesondere das geplante Altersvorsorgedepot, betrachte der AfW die aktuellen Entwicklungen mit Sorge.
„Der vorgelegte Referentenentwurf des Bundesministeriums für Finanzen wurde von vielen Seiten, auch innerhalb der Versicherungs- und Finanzbranche, grundsätzlich positiv aufgenommen und als eine notwendige Modernisierung der geförderten Altersvorsorge angesehen“, heißt es.
Der Entwurf habe eine echte Chance für eine Verbesserung der Rahmenbedingungen geboten. Leider sei nun mehr als fraglich, ob es bis zur Amtsübernahme einer neuen Regierung überhaupt noch zu einer Umsetzung dieses Entwurfs kommen werde. Es bestehe die Gefahr, dass die politischen Unsicherheiten dazu führten, dass dringend benötigte Reformen erneut weiter verschoben würden.
Unser Optimismus hält sich sehr in Grenzen.
Norman Wirth, geschäftsführender Vorstand des AfW
„Sollte die aktuelle Regierung nicht mehr in der Lage sein, die Reform auf den Weg zu bringen, wäre es wünschenswert, dass die kommende Regierung dieses Thema prioritär behandelt und einen neuen Anlauf unternimmt“, heißt es.
Gespräche mit CDU-Politiker Dr. Carsten Brodesser ließen darauf hoffen, dass eine voraussichtlich von der Union geführte Regierung schnell und überlegt handeln werde, um die Reform der geförderten privaten Altersvorsorge voranzutreiben. Der Abschlussbericht der Fokusgruppe private Altersvorsorge (19.7.2023) und der bereits vorliegende Gesetzesentwurf würden hierfür eine solide Grundlage bieten.
„In Verantwortung für dringend gebotene Reformen könnte auch die jetzige Rumpfregierung mehrheitsfähige Vorhaben weiter umsetzen. Man muss nur wollen! Olaf Scholz hatte aber schon als Finanzminister in der letzten Legislaturperiode die notwendige Riester-Reform blockiert. Insofern hält sich unser diesbezüglicher Optimismus sehr in Grenzen“, wird Norman Wirth, geschäftsführender Vorstand, zitiert.
Wir sind sehr skeptisch, ob der Plan von Bundeskanzler Olaf Scholz funktionieren wird.
Michael H. Heinz, Präsident des BVK
Der Bundesverband Deutscher Versicherungskaufleute e.V. (BVK) sieht durch den Bruch der Ampel-Regierung die Reform der privaten Altersvorsorge ebenfalls in einer kritischen Lage. „Deutschland braucht jetzt angesichts großer wirtschaftlicher Herausforderungen zügig eine handlungsfähige und solide arbeitende Regierung“, fordert Präsident Michael H. Heinz.
„Wir sind daher sehr skeptisch, ob der Plan von Bundeskanzler Olaf Scholz funktionieren wird, mit einer Minderheitsregierung die noch ausstehenden Gesetzesvorhaben, wie unter anderem die Reform der geförderten privaten Altersvorsorge, bis Jahresende im Bundestag zu verabschieden“, so Heinz.
Angesichts der Forderung des CDU-Vorsitzenden und Oppositionsführers Friedrich Merz nach einer sofortigen Vertrauensfrage und Neuwahlen sei dies sogar eher unwahrscheinlich.
„Dabei ist die Reform der privaten Altersvorsorge in Anbetracht des demografischen Wandels und der bevorstehenden Verrentung der Babyboomer-Generation sowie in Verantwortung vor der jungen Generation nötiger denn je“, sagt der BVK-Präsident.
Unsicherheiten befürchtet der BVK auch hinsichtlich der Interimsbesetzung des Bundesministeriums für Finanzen vor dem Hintergrund der anstehenden Trilog-Verhandlungen zur EU-Kleinanlegerstrategie sowie der Neubesetzung der EU-Finanzkommissarin.
„Im Hinblick auf die Diskussion zu Provisionsbeschränkungen könnte diese Konstellation in den nächsten Monaten eine Zitterpartie für die Vermittlerschaft in Deutschland bedeuten“, meint Heinz. Man stehe weiter im Austausch mit der Politik, zuletzt habe man gegenüber CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann die Interessen der Vermittlerschaft vertreten.
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