27.5.2025 – In einem aktuellen Verfahren vor dem Verwaltungsgericht hat ein Autofahrer durchgesetzt, dass er nicht für das Abschleppen seines Fahrzeugs aufkommen muss. Der Mann stand mit seinem Verbrenner neben einer Stromtankstelle. Somit blockierte er den Platz für die dort während des Ladevorgangs bevorrechtigten Stromer, argumentierte die Ordnungsbehörde. Jedoch machte der Kläger geltend, dass das hier noch gar nicht möglich war.
Ein Bediensteter der verklagten Hamburger Ordnungsbehörde hatte an einem Morgen gegen zehn Uhr bemerkt, dass ein Autofahrer – der spätere Kläger – seinen Verbrenner auf einem Parkplatz neben einer Ladesäule für E-Autos abgestellt hatte.
Dieser Ort war damit den Elektrofahrzeugen vorbehalten. Hierauf machten Schilder in unmittelbarer Nähe aufmerksam. Unter dem blauen Parkplatzschild mit Pfeil in Richtung der Parklücke befanden sich Zusatzzeichen mit einem Elektrostecker und dem Schriftzug „während des Ladenvorgangs“.
Ein beauftragtes Privatunternehmen schleppte das Fahrzeug ab. Kurze Zeit später holte der Besitzer seinen Wagen ab. Hierbei zahlte er insgesamt 472,10 Euro für Abschleppkosten (297,50 Euro) zuzüglich einer Amtshandlungsgebühr (70,70 Euro) und einer Verwahrgebühr (103,90 Euro).
Gegen den Gebührenbescheid erhob der Mann Widerspruch. Denn neben dem Parkplatz habe zwar eine Ladesäule für Elektrofahrzeuge gestanden. Doch diese sei an dem Tag des Abschleppens seit vier Jahren außer Betrieb gewesen.
Die Betreibergesellschaft der Ladesäule bestätigte laut dem Gericht schriftlich, dass ihre Anlage zumindest an dem streitigen Tag nicht angeschlossen war, inzwischen aber ans Netz gegangen sei. Es sei ihr aber nicht bekannt, inwiefern der damalige Betriebszustand erkennbar gewesen sei.
Das sah der Kläger anders und präsentierte Fotos der Ladesäule. Demnach kündigte ein DIN-A4-großes Schild an, dass dort in Kürze ein neuer Standort entstehe, um E-Autos mit 150 Kilowatt zu laden. Daneben hing eine mit Kabelbindern angebrachte Tüte mit Zubehörteilen.
Die verklagte Landesbehörde konnte diesen Einwand zwar nicht dementieren, hielt ihn aber für unerheblich. Das Parkverbot gelte für Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor – unabhängig davon, ob die Ladesäule funktionstüchtig sei. Dies folge klar aus den Angaben auf den Verkehrsschildern.
Es habe demnach auch keine genauso geeignete und verhältnismäßigere Alternative zum Abschleppen gegeben. Nur ein Verwarnungs- oder Bußgeld zu verhängen, hätte den ungerechtfertigt belegten Parkplatz für Elektrofahrzeuge nicht freibekommen.
Dem folgte das anschließend mit dem Fall befasste Verwaltungsgericht Hamburg in seinem Urteil vom 18. März 2025 (21 K 3886/24) nicht. „Dem Kläger steht ein Vollzugsfolgenbeseitigungsanspruch zu, da die Kosten nicht rechtmäßig erhoben wurden“, begründen die Richter das Urteil. Dies hätte auch ein vor Ort anwesender Polizeibeamter nach einer genaueren Prüfung des Falls erkennen können.
Das Gericht gibt in seiner Urteilsbegründung zudem zu bedenken, dass die Ordnungsbehörden nicht fortlaufend den Bedarf an freizuhaltenden Plätzen überprüfen könnten. Hierzu verweisen sie auf Urteile des Bundesverwaltungsgerichts zu Taxenständen und Behindertenparkplätzen.
„Diese Grundsätze sind auf die für bevorrechtigte Elektrofahrzeuge vorgesehenen Parkplätze an Ladesäulen zu übertragen“, heißt es von den Richtern. „Auch deren Funktion wird nur gewährleistet, wenn sie jederzeit von nicht parkberechtigten Fahrzeugen freigehalten werden.“
Aus der Beschränkung des Parkplatzes auf gerade ladende Stromer „folgt spiegelbildlich das Parkverbot für nicht elektrisch betriebene Fahrzeuge und für elektrisch betriebene Fahrzeuge, die keinen Ladevorgang durchführen“. Somit sei das partielle Parkverbot für Verbrenner unstreitig.
Diese Beschränkung gelte auch unabhängig davon, ob ein bevorrechtigtes Elektrofahrzeug am Parken und Laden gehindert werde. Ein dort unerlaubt abgestelltes Fahrzeug darf auch ohne konkrete Behinderung und ohne besondere Wartezeit zwangsweise entfernt werden.
Denn nur so könne das mit der Einrichtung von bevorrechtigten Parkplätzen verfolgte Ziel hinreichend effektiv umgesetzt werden. Allerdings sei bei jeder Sicherstellungsanordnung stets der bundesverfassungsrechtliche Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im Einzelfall zu prüfen.
In dem vorliegenden Fall sei allerdings auch die offensichtlich nicht bestehende Funktionsfähigkeit der Ladesäule zu berücksichtigen. Denn der Parkplatz war laut den Schildern ausdrücklich für Elektrofahrzeuge während des Ladevorganges reserviert – nicht für Stromer im Allgemeinen.
Die aber gar nicht funktionsfähige Anlage hätte somit dazu geführt, dass dort für lange Zeit eigentlich überhaupt kein Fahrzeug parken durfte. Denn Autos mit Elektroantrieb konnten ja nicht geladen werden. „Der Parkplatz wäre somit dem Verkehrsraum vollständig entzogen gewesen.“
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