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BGH: Unfallopfer erhält Ersatz für Verdienstausfall trotz Arbeitsfähigkeit

31.10.2024 – Ein Unfallgeschädigter kann Anspruch auf Ersatz eines Verdienstausfallschadens haben, wenn er berechtigterweise auf die ärztlich bescheinigte Arbeitsunfähigkeit vertraut und deshalb nicht zur Arbeit geht. Dies stellte der Bundesgerichtshof in einem Fall fest, in dem im strittigen Zeitraum objektiv keine Einschränkung der Arbeitsunfähigkeit mehr vorlag.

Ersatz für Verdienstausfall, ja oder nein? Diese Frage beschäftigte die Gerichte im Fall eines Mannes, der im Mai 2019 in einer Waschstraße arbeitete und vom Fahrzeug der Beklagten eingeklemmt wurde.

Er erlitt eine tiefe, klaffende Riss- und Quetschwunde am linken Unterschenkel. Unmittelbar nach dem Unfall war er zwei Wochen in stationärer Behandlung, im August 2019 nochmals für zwei Tage.

Die Haftung der Beklagten war dem Grunde nach unstreitig, wohl aber der Umfang. Dreh- und Angelpunkt war dabei die Dauer der Krankschreibung.

Läger krankgeschrieben als arbeitsunfähig

Laut fachärztlicher Bescheinigung war der Kläger nämlich vom Tag des Unfalls bis voraussichtlich zum 14. September 2020 arbeitsunfähig.

Das Oberlandesgericht Dresden kam dagegen zum Ergebnis, die Verletzungen rechtfertigten nur vier Monate Krankschreibung – ab dem 6. September 2019 sei der Verunfallte wieder arbeitsfähig gewesen.

Auf Krankschreibung verlassen

Diese Feststellung griff der Kläger in seiner Revision beim Bundesgerichtshof (BGH) auch gar nicht an. Dennoch forderte er für den gesamten Zeitraum der Krankschreibung, also bis zum 14. September 2020, die Differenz zwischen seinem letzten monatlichen Gehalt und dem Krankengeld.

Sein Argument: Er habe sich auf die Krankschreibung verlassen und sein Verhalten danach ausrichten dürfen. Es handle sich um einen Fehler des Arztes, den er nicht zu vertreten habe und der im Risikobereich des Schädigers liege.

Geschädigter oft auf Einschätzung des behandelnden Arztes angewiesen

Der Bundesgerichtshof  kippte in seinem Urteil (VI ZR 250/22) vom 8. Oktober 2024 die Entscheidung des OLG. Letzteres war der Ansicht war, der Kläger habe sich nicht auf die Krankschreibung verlassen können, zumal der Arzt den Geschädigten „nicht aus der Sicht eines Gutachters“, sondern als Therapeut behandle.

Der Geschädigte, so der BGH, sei bei der Entscheidung, ob er dem Arbeitgeber trotz Verletzung seine Arbeitskraft anbieten oder im Interesse seiner Gesundheit davon absehen soll, in vielen Fällen auf die Einschätzung des behandelnden Arztes angewiesen.

„In diese Situation ist er durch die vom Schädiger verursachte Gesundheitsverletzung geraten“, stellte der BGH fest und fügte hinzu, dass noch etwas zu berücksichtigen sei. Der Geschädigte müsse aus arbeits- und regelmäßig auch schadenersatzrechtlichen Gründen alles unterlassen, was seine Gesundung verzögert oder gefährdet.

„Folgte der Geschädigte der Empfehlung des behandelnden Arztes nicht und verschlimmerte sich deshalb seine Verletzung oder dauerte die Heilung länger, könnte er deshalb gegen seine Schadensminderungsobliegenheit verstoßen.“

Objektive Arbeitsunfähigkeit für Ersatzanspruch nicht zwingend nötig

Ein Anspruch auf Verdienstausfallersatz nach § 842 BGB, § 11 StVG setze also nicht zwingend voraus, dass objektiv eine verletzungsbedingte Einschränkung der Arbeitsfähigkeit vorgelegen hat.

Ein Anspruch komme vielmehr auch dann in Betracht, wenn der Geschädigte aufgrund der ärztlichen Beratung von einer solchen Einschränkung ausgehen musste und deshalb der Arbeit fernblieb.

Da das OLG keine näheren Feststellungen dazu getroffen hatte, ob der Kläger berechtigterweise auf seine Arbeitsunfähigkeit vertrauen durfte, hob der BGH dessen Urteil insoweit auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung ans OLG zurück.

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Schlagwörter zu diesem Artikel
Arbeitsunfähigkeit · Bundesgerichtshof · Gesundheitsreform · Strategie
 
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