Besucherin stolpert über Gabelstapler – haftet der Baumarktbetreiber?

5.5.2025 – Eine Kundin war im Verkaufsraum eines Baumarkts über einen nicht vollständig auf dem Boden aufliegenden Zinken eines abgestellten Gabelstaplers gestolpert. Für die Folgen muss der Geschäftsinhaber nicht haften, da die Gefahr für die Besucherin deutlich erkennbar war. Das entschied das Landgericht Lübeck.

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Eine Frau war bei einem Besuch eines Baumarktes über die Zinken eines abgestellten Gabelstaplers gestolpert und verletzte sich dabei. Der Stapler stand innerhalb des Verkaufsraums im Gang zwischen hohen Regalen, parallel zur Laufrichtung der Kundschaft.

Die Frau verklagte die Betreiberin des Baumarkts auf Schadensersatz und Schmerzensgeld. Sie warf der Betreiberin vor, ihre Verkehrssicherungspflichten verletzt zu haben, weil die Zinken des Gabelstaplers nicht vollständig den Boden berührt hätten.

Keine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht

Das Amtsgericht (AG) Lübeck wies die Klage mit Urteil vom 4. Mai 2023 (29 C 1331/22) ab. Es sah keine Pflichtverletzung aufseiten der Beklagten. Der Gabelstapler sei auffällig und gut sichtbar gewesen, auch für Personen, die sich von hinten näherten.

Zudem sei es unerheblich, ob die Zinken vollständig auf dem Boden lagen oder ein kleiner Spalt vorhanden war. Ein durchschnittlich aufmerksamer Kunde hätte das Hindernis erkennen und umgehen können.

Die Verunfallte war mit der Entscheidung des AG Lübeck nicht einverstanden und legte eine Berufung ein. Sie verwies darauf, dass es besonders für Kunden, die keine Erfahrung mit solchen Arbeitsgeräten hätten, gefährlich sei, wenn die Zinken eines abgestellten Gabelstaplers nicht vollständig auf dem Boden aufliegen.

Sie verwies dabei auch auf ein Regelwerk der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung e.V. (DGUV), nämlich die „DGUV Information 208-004“, in der empfohlen wird, Gabelzinken beim Abstellen des Staplers auf den Boden abzusenken.

Eine Frage der Zumutbarkeit

Doch auch die Berufung der Klägerin vor dem Landgericht (LG) Lübeck blieb ohne Erfolg. Das Gericht bestätigte mit einer Entscheidung vom 2. Mai 2024 (14 S 68/23) das Urteil der Vorinstanz und stellte fest, dass keine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht vorlag.

Das LG begründete seine Entscheidung mit der gängigen Rechtsprechung zur Verkehrssicherungspflicht. Wer Räumlichkeiten für den Publikumsverkehr öffnet, muss zwar Gefahrenquellen minimieren. Doch diese Pflicht besteht nur im Rahmen des Zumutbaren – also dort, wo Gefahren nicht ohne Weiteres erkennbar sind oder das Maß des Erwartbaren übersteigen.

Im Urteil heißt es dazu: „Die rechtlich gebotene Verkehrssicherung umfasst diejenigen Maßnahmen, die ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Mensch für notwendig und ausreichend hält, um andere vor Schäden zu bewahren, und die den Umständen nach zuzumuten sind.“

Im verhandelten Fall war der Gabelstapler nach Ansicht des Gerichts jedoch gut zu erkennen, sowohl als Gerät als auch hinsichtlich seiner typischen Merkmale wie der Gabelzinken. Auch für Personen ohne berufliche Erfahrung mit solchen Geräten sei das Grundprinzip eines Gabelstaplers bekannt. Die Gefahr zu stolpern habe sich für aufmerksame Kunden als vermeidbar dargestellt.

Wann im Einzelfall …

Das Gericht stimmte zwar der Klägerin zu, dass bei dem Abstellen eines Gabelstaplers gewisse Verkehrssicherungspflichten bestehen, wie die gängige Rechtsprechung belegt: „Wie sich auch aus der DGUV-Information zu Gabelstaplern ergibt, kann den Führer eines Gabelstaplers die Pflicht treffen, die Gabel auf den Boden herabzulassen.“

Damit soll die Gefahr eines Anstoßes im Kopf- und Kniebereich am Zinken, eines frontalen Aufpralls auf die Spitze eines Zinken oder auch eines Stolperns über die Staplergabel verhindert oder zumindest minimiert werden.

Allerdings wird im Urteil auch darauf hingewiesen, dass aus der von der Klägerin zitierten DGUV-Information – einer Empfehlung zur Unfallverhütung – keine Pflicht zum vollständigen Bodenkontakt der Gabelzinken ableitbar ist.

Aus der Merkregel der DGUV-Empfehlung, die Gabelzinken, beim Abstellen eines Gabelstaplers auf den Boden abzusenken, „lässt sich nicht die Aussage entnehmen, dass eine abgesenkte Gabel vollständigen, lückenlosen Bodenkontakt aufweisen soll“, wie das LG im Urteil verdeutlicht.

… vor einem abgestellten Gabelstapler gewarnt werden muss

Das Gericht betont, dass die notwendigen Sicherheitsmaßnahmen im Rahmen der Verkehrssicherungspflicht mit Blick auf die Umstände des Einzelfalls zu bestimmen sind:

„Erhöhte Anforderungen an die Verkehrssicherung bei einem abgestellten Gabelstapler können sich bei herabgelassener Gabel insbesondere dann ergeben, wenn der Gabelstapler als solcher nicht gut zu erkennen ist und die Gabelzinken in einen dem Publikum zugänglichen Verkehrsweg hineinragen.“

Weiter heißt es im Urteil: „Unter diesen Umständen erscheint es angezeigt, besondere Warnhinweise auf die Gabel und gegebenenfalls auch einen vollständigen Bodenkontakt der Gabel zu fordern.“ In dem verhandelten Fall war dies aufgrund der guten Sichtbarkeit des abgestellten Gabelstaplers jedoch nicht notwendig.

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Schlagwörter zu diesem Artikel
Schadenersatz · Schmerzensgeld · Verkauf · Verkehrssicherungspflicht
 
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