13.9.2024 – Die Sparte ist noch immer wirtschaftlich schwer angeschlagen. Was den Versicherern außer dem Drehen an der Preisschraube an Kreativem einfällt, die Defizite zu reduzieren, wurde auf einer Fachtagung deutlich. (Bild: Schmidt-Kasparek)
Die Kfz-Versicherer haben 2024 die Prämien vor allem im Neugeschäft erhöht. Nun müssten aber auch die Preise in den Beständen deutlich steigen, wenn 2025 eine schwarze Null erreicht werden soll. Das wurde auf der K-Tagung 2024 der Meyerthole Siems Kohlruss, Gesellschaft für aktuarielle Beratung mbH (MSK) deutlich.
Am Rande der Tagung rechneten Experten für die Kraftfahrtversicherung vor, dass der gesamte Markt für 2025 die Prämien um rund 20 Prozent erhöhen müsste, um ein ausgeglichenes Ergebnis in der Autoversicherung zu erzielen. Auch für 2026 müssten die Prämien weiter angepasst werden, damit die Kfz-Versicherer dann wieder in eine Gewinnzone kommen können.
Schon 2024 waren die Prämien deutlich angehoben worden. „Ich gehe davon aus, dass die Beitragseinnahmen in 2024 um rund zehn Prozent gestiegen sind“, sagte Uwe Ludka, Vorstandsvorsitzender der Itzehoer Versicherung/Brandgilde von 1691 VVaG.
Diese Erhöhungen wären überwiegend auf höhere Prämien zurückzuführen. Auch wenn der Bestand an Fahrzeugen 2024 nach einer Prognose der Assekuranz um rund 1,1 Prozent größer wird.
Nach Einschätzung von Ludka müssten die Versicherer nun auch bestehende Verträge sanieren. Da der Manager am Markt derzeit keinen Preiskampf wahrnimmt, würden sich die Stornoquoten kaum erhöhen. Bei Prämienanpassungen haben die Kunden ein Sonderkündigungsrecht.
Ludka: „Natürlich werden einige Kunden überrascht schauen und ihren Vermittler fragen, was macht ihr da?“ Vielleicht würden auch einige Kunden prüfen, ob sie sich günstiger versichern können. Doch da es derzeit keinen „billigen Jakob“ am Markt gebe, hält Ludka es für unwahrscheinlich, dass der Mark neu sortiert wird.
Besonders im Defizit ist die Kaskoversicherung. „Nach unserer Prognose liegt die Combined Ratio in Kasko im deutschen Markt 2024 bei 119,1 Prozent“, sagte K-Spartenmanagerin Larissa Klick von der Deutschen Rückversicherung AG.
Die Kosten laufen hier den Autoversicherern davon. Denn nach einer Analyse der Expertin ist die Jahresfahrleitung auch nach Corona weiter gefallen. Sie lag 2023 im Schnitt bei 11.800 Kilometer pro Fahrzeug. Trotzdem verzeichnet die Unfallstatistik ein Plus von 4,5 Prozent.
Bei Unfällen, bei denen nur Sachschäden zu verzeichnen war, lag der Anstieg sogar bei fünf Prozent. So eine Auswertung von Daten des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V. (GDV) und des Statistischen Bundesamtes.
Der Unfallanstieg, obwohl weniger gefahren wird, ist nach Einschätzung von Klick eine Folge der hohen Technikausstattung in modernen Fahrzeugen und der Smartphone-Nutzung. Dadurch würden die Autofahrerinnen und Autofahrer verstärkt vom Verkehr abgelenkt.
Zudem würde auf deutschen Straßen viel aggressiver gefahren. Dies hätten Studien der Unfallforschung der Versicherer (UDV) und des Allianz Zentrums für Technik (AZT) ergeben.
Klick rät den Kraftfahrt-Versicherern, die Selbstbeteiligung (SB) zu erhöhen. Die übliche SB von 300 Euro in der Vollkasko wäre aufgrund der Inflation längst regelrecht aus der Zeit gefallen. Je nach Automodell wären 500 bis 1.000 Euro sinnvoll.
Bei einer Erhöhung auf 500 Euro würde der Schadenbedarf des Versicherers um 16,5 Prozent sinken; bei einer Erhöhung auf 1.000 Euro sogar um 30,5 Prozent.
Die K-Versicherer sollten ihre Kunden regelmäßig anschreiben und ihnen den Prämienvorteil bei Erhöhung der Selbstbeteiligung erläutern. Nicht alle Verbraucherinnen und Verbraucher würden das ablehnen, so die Erfahrung der Rückversicherungsexpertin.
Wir können im Schnitt die Unfallquote um 50 Prozent verringern.
Dr. Stefan Heck, Nauto
Mit künstlicher Intelligenz (KI) kann man bei Autoflotten einen Großteil schwerer Unfälle vermeiden. „Wir können im Schnitt die Unfallquote um 50 Prozent verringern“, sagte Dr. Stefan Heck, CEO und Gründer der Nauto Inc.
Bei dem Telematik-System wird eine Box im Fahrzeug installiert, das per Kamera den Fahrer und die Straße beobachtet. Ist der Fahrer abgelenkt, erhält er eine leichte Warnung.
Sie wird intensiviert, wenn die Ablenkung in einer Gefahrensituation passiert, etwa wenn er kurz vor einer Kreuzung ist, ein Auffahrunfall droht oder Passanten gefährdet werden könnten.
„Der Fahrer, der in ein Handy tippt, hat in der Regel nur drei bis vier Sekunden, um auszuweichen. Daher muss die KI die Warnung vier bis fünf Sekunden vorher geben“, erläuterte Heck. Vor allem Fahrer, die viele Unfälle verursachten, könnten durch die KI massiv positiv im Verhalten beeinflusst werden.
Das KI-System sei in den USA mit über fünf Milliarden Kilometern trainiert worden. Heute würden die KI-Telematik-Systeme von Nauto, die auch in Japan im Einsatz sind, 30.000 Unfälle pro Jahr verhindern.
„Nach zwei Tagen im Einsatz sind 80 Prozent der Ablenkungen der Fahrer weg“, erläuterte Heck. Nach zwei Wochen habe der Fahrer zudem vergessen, dass es das System überhaupt gibt.
Je nach Wunsch des Flottenkunden und Fahrer werden die Aufnahmen nicht aufgezeichnet. Heck verwies zudem darauf, dass die Fahrer nicht zu viele Warnsignale erhalten dürfen, damit das System weiterhin akzeptiert wird.
Das System lohnt sich nach acht bis neun Monaten.
Dr. Stefan Heck, Nauto
Die Kosten für Kamerabox und KI-Software würden sich pro Fahrzeug auf umgerechnet rund 450 Euro belaufen. „In Deutschland lohnt sich das System für Flottenbesitzer nach acht bis neun Monaten“, schätzt der Manager.
Mit großen Flotten über 2.000 Fahrzeugen verhandelt Nauto direkt. Bei kleineren Flotten soll das System über Partner, etwa Leasingfirmen und Autoversicherer eingeführt werden. In Japan können sogar über ein Leasingunternehmen Flotten mit fünf Fahrzeugen optional mit dem System bestückt werden.
Aktuell startet das Unternehmen in den Niederlanden ein Pilotprojekt mit einem Paketversender, der auch in Deutschland aktiv ist. Hier hat es bereits Gespräche mit Uber Technologies Inc., Flix SE für Flixbus und der Allianz Versicherungs-AG gegeben. „Ich rechne damit, dass wir mit unserer Unfallverhütungs-KI in Deutschland mit ersten Flotten im Jahr 2025 starten werden“, sagte Heck.
Wir und die Huk-Coburg sind uns sicher, dass wir eine Marktdurchdringung von 20 Prozent erreichen können.
Onnen Siems, MSK, über Telematik
Auch MSK glaubt weiter an einen Erfolg von Telematik, und zwar im Privatgeschäft. „Wir und die Huk-Coburg sind uns sicher, dass wir eine Marktdurchdringung von 20 Prozent erreichen können“, sagte MSK-Geschäftsführer Onnen Siems.
MSK ist Pool-Treuhänder für das gemeinsam mit der We Enable Service GmbH, einer Tochter der Neodigital Versicherung AG, entwickelten Telematik-System.
Laut Geschäftsführer Stefan Wirtz hat das Unternehmen nun viel Erfahrung gesammelt, wie Telematik-Tarife besser an die Kunden gebracht werden können. „Es ist ganz viel Transparenz notwendig, damit die Kunden verstehen, was sie kaufen.“
Derzeit würden Telematik-Tarife im Wesentlichen nur über Aggregatoren, wie Check24, verkauft. „Klassische Versicherungsmakler haben noch immer Angst, dass ihr Kunde anruft und sich den Score erklären lassen will“, so Wirtz.
We Enable sei daher ganz aktiv unterwegs, um Versicherungsmaklern zu erklären, wie sie Telematik sicher vermitteln können. Ein Fehler wäre es, wenn die Kunden den höchsten Rabatt-Score nur schwer erreichen könnten.
Seit Juli 2024 hat We Enable über Neodigital 1.034 Telematik-Tarife verkauft. 838 seien aktiv. Das Unternehmen gibt bis zu 15 Prozent Rabatt, wenn der höchste Score erreicht wird. „Der Rabatt muss wirtschaftlich realistisch sein“, sagte Wirtz.
Aktuar Siems rechnete auf der Tagung vor, dass sich Telematik sehr wohl lohnen könnte. Für zwei Euro pro Monat und Fahrzeug bietet We Enable allen Autoversicherern den Telematik-Tarif mit kompletter Technik an.
In einer Umfrage auf der Tagung erklärten 24 Autoversicherer, dass sie in Zukunft einen Telematik-Tarif einführen wollen – neun schon bis 2027.
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