WERBUNG

Verbraucherzentrale mahnt erfolgreich ADAC Versicherungen ab

19.6.2025 – Die ADAC Versicherungen dürfen keine Werbeprospekte verschicken, bei denen im Fließtext den Kunden ein Beratungsverzicht abverlangt wird – wenn auch im Layout hervorgehoben. Dies hat das Landgericht München I in einem erstinstanzlichen Urteil bestätigt und auf die Notwendigkeit verwiesen, dass eine Verzichtserklärung separat unterzeichnet werden müsse. Der Versicherer legte Berufung ein.

Im April 2024 erhielt eine Frau ein Werbeschreiben der ADAC Versicherung AG zum Tarif „ADAC Unfallschutz Exklusiv“. Der Vertrag sollte bereits dadurch zustande kommen, dass sie den beigefügten Überweisungsträger zur Zahlung des Monatsbeitrags nutzte und die erste Rate überwies.

Auf der zweiten Seite des Schreibens war im Fließtext ein Hinweis grafisch hervorgehoben und mit einem Rahmen versehen. Darin hieß es: „Beratungsverzicht: im Rahmen dieses Abschlusses verzichte ich auf eine persönliche oder telefonische Beratung. Selbstverständlich können Sie bei Fragen weiterhin auf uns zukommen.

Wir weisen Sie aufgrund gesetzlicher Vorgaben darauf hin, dass sich ein Verzicht negativ auf Ihre Möglichkeit auswirken kann, gegen uns als Versicherer einen Schadensersatzanspruch im Hinblick auf eine Verletzung der Beratungs- und Dokumentationspflicht geltend zu machen.“

Verbraucherzentrale fordert Unterlassungserklärung

Die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg e.V. sah in dem Schreiben der ADAC Versicherung einen Verstoß gegen gesetzliche Beratungspflichten. Im Juni 2024 mahnte sie das Unternehmen ab und forderte eine strafbewehrte Unterlassungserklärung.

Dabei berief sich die Verbraucherzentrale auf das Versicherungsvertragsgesetz (VVG) und das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG):

  • § 6 Absatz 3 VVG schreibt vor, dass ein Versicherungsnehmer nur dann wirksam auf eine persönliche Beratung und die entsprechende Dokumentation verzichten kann, wenn er dies durch eine gesonderte schriftliche Erklärung tut. Zudem muss der Versicherer ausdrücklich darauf hinweisen, dass sich ein solcher Verzicht nachteilig auswirken kann – etwa im Hinblick auf mögliche Schadensersatzansprüche. Aus Sicht der Verbraucherzentrale war dies im ADAC-Schreiben nicht erfüllt: Der Beratungsverzicht war dort lediglich im Fließtext enthalten und wurde nicht gesondert erklärt.
  • § 3a UWG wiederum bestimmt, dass ein Unternehmen unlauter handelt, wenn es gegen gesetzliche Vorschriften verstößt, die dem Schutz der Verbraucher dienen – wie hier § 6 VVG. In einem solchen Fall besteht die Möglichkeit, Unterlassung zu verlangen.
WERBUNG

Mit diesen Argumenten lehnte der Versicherer eine Unterlassungserklärung ab

Die ADAC Versicherungen waren nicht bereit, eine Unterlassungserklärung abzugeben. Sie argumentierte, ein Unterlassungsanspruch bestehe nicht, da der Beratungsverzicht ausdrücklich im Anschreiben enthalten und für die Kundin klar erkennbar gewesen sei – hervorgehoben durch einen separaten Kasten im Fließtext sowie eine fett gedruckte Überschrift mit dem Titel „Beratungsverzicht“.

Außerdem argumentierte das Unternehmen, dass bei Fernabsatzverträgen – also Verträgen, die ohne persönlichen Kontakt etwa per Post abgeschlossen werden – keine gesonderte Erklärung in Schriftform erforderlich sei. Laut § 6 VVG könne der Versicherungsnehmer im Einzelfall auf eine Beratung durch schriftliche Erklärung verzichten.

Die zu unterzeichnende Formulierung muss vom übrigen Fließtext gestalterisch getrennt und vom Versicherungsnehmer separat zu unterzeichnen sein.

Landgericht München I

Landgericht München I hält Unterlassungsanspruch für begründet

Das Landgericht München I bestätigte jedoch mit einem Urteil vom 25. April 2025 (3 HK O 9060/24), dass die Verbraucherzentrale das Anschreiben zu Recht für rechtswidrig hielt, da der darin enthaltene Beratungsverzicht nicht den gesetzlichen Anforderungen entsprach.

Es verurteilte die ADAC Versicherung, es zu unterlassen, mit Verbrauchern Versicherungsverträge zu schließen und dabei einen Verzicht des Verbrauchers auf eine Beratung einzuholen, wenn dieser Verzicht nicht vom Verbraucher gesondert erklärt wird. Bei Zuwiderhandlung droht dem Versicherer nun ein Ordnungsgeld von bis zu 250.000 Euro.

Gesonderte Erklärung soll Bedeutung des Verzichts vor Augen führen

Zu den Entscheidungsgründen führt das Landgericht aus, dass § 6 Absatz 3 VVG als gesetzliche Vorschrift dazu bestimmt sei, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln.

Die Vorschrift diene hierbei dem Schutz des Verbrauchers. So sollen die darin enthaltenen Beratungspflichten dem „individuellen Beratungsbedarf des Versicherungsnehmers im Einzelfall Rechnung tragen“, wie das Gericht hervorhebt.

Das Erfordernis einer gesonderten Verzichtserklärung solle dem Verbraucher die Bedeutung seines Verzichts bewusst vor Augen führen. § 6 VVG sei daher so auszulegen, dass der Beratungsverzicht entweder durch eine gesonderte, das heißt nach allgemeinem Sprachgebrauch abgetrennte oder separate schriftliche Unterschrift zu erklären ist – oder bei Fernabsatzverträgen durch eine gesonderte Erklärung in Textform, die ebenfalls deutlich vom übrigen Text abgesetzt sein muss.

Die zu unterzeichnende Formulierung müsse folglich vom übrigen Fließtext gestalterisch getrennt und vom Versicherungsnehmer separat zu unterzeichnen sein, so führte die zuständige dritte Kammer des Landgerichts aus.

Kein gesondertes Dokument erforderlich

Bei der ADAC Versicherung konnte die Erklärung des Beratungsverzichts nicht durch gesonderte Unterschrift beziehungsweise durch eine gesonderte Erklärung in Textform abgegeben werden, sondern war nur grafisch innerhalb des Fließtextes hervorgehoben. Dies genüge den Anforderungen an § 6 Absatz 3 VVG nicht.

Die Kammer vertrat allerdings die Ansicht, dass die gesonderte Erklärung nicht im Rahmen eines gesonderten Dokuments abgegeben werden müsse. Für diese zum Teil in der Literatur vertretene Auffassung können nach Ansicht des Gerichts dem Gesetzeswortlaut keine belastbaren Anhaltspunkte entnommen werden.

Dass Anbieter versuchen, sich an der Beratungsverpflichtung vorbeizudrücken, ist völlig inakzeptabel.

Peter Grieble, Verbraucherzentrale Baden-Württemberg

Versicherungen „im Vorbeigehen abgeschlossen“

„Das Urteil unterstreicht, wie wichtig es ist, dass Verbraucherinnen und Verbraucher den Beratungsverzicht gesondert erklären – und sich darüber auch im Klaren sind“, kommentiert Peter Grieble, Versicherungsexperte der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg. „Dass Anbieter versuchen, sich an der Beratungsverpflichtung vorbeizudrücken, ist völlig inakzeptabel“, ergänzt er.

Grieble berichtet, dass die Verbraucherzentrale in ihrer Beratung regelmäßig mit Fällen konfrontiert werde, in denen Versicherungen „im Vorbeigehen“ und ohne echte Beratung abgeschlossen wurden – und sich später als unnötig herausstellten. Mal sei es eine Reiseversicherung, die bei der Buchung gleich mitverkauft wurde, mal eine Handyversicherung, die beim Kauf eines neuen Smartphones „aufgeschwatzt wurde“.

„Die Beratung von Verbrauchern zu ihren Absicherungswünschen – und dazu, ob der konkrete Tarif diese Wünsche auch erfüllt – ist eine grundlegende gesetzliche Aufgabe des Versicherungsvertriebs“, mahnt Grieble.

ADAC Versicherungen legen Berufung ein

Rechtskräftig ist das Urteil noch nicht. Eine Sprecherin der ADAC Versicherung AG teilte dem VersicherungsJournal mit: „Wir haben das Urteil des LG München I zur Kenntnis genommen und fristwahrend Berufung eingelegt, um die Urteilsbegründung sorgfältig prüfen und analysieren zu können.

Nach eingehender rechtlicher Bewertung werden wir eine Entscheidung hinsichtlich der Durchführung des Rechtsmittels treffen. Wir bitten um Verständnis, dass wir uns nicht weiter zum Verfahren äußern werden“, so die Unternehmenssprecherin.

WERBUNG
 
WERBUNG
WERBUNG
Werben im Extrablatt

Mit einer Anzeige im Extrablatt erreichen Sie mehr als 12.500 Menschen im Versicherungsvertrieb, überwiegend ungebundene Vermittler. Über die Konditionen informieren die Mediadaten.

Ihr Wissen und Ihre Meinung sind gefragt

Ihre Leserbriefe können für andere Leser eine wesentliche Ergänzung zu unserer Berichterstattung sein. Bitte schreiben Sie Ihre Kommentare unter den Artikel in das dafür vorgesehene Eingabefeld.

Die Redaktion freut sich auch über Hintergrund- und Insiderinformationen, wenn sie nicht zur Veröffentlichung unter dem Namen des Informanten bestimmt ist. Wir sichern unseren Lesern absolute Vertraulichkeit zu. Schreiben Sie bitte an redaktion@versicherungsjournal.de.

Allgemeine Pressemitteilungen erbitten wir an meldungen@versicherungsjournal.de.

WERBUNG
Noch erfolgreicher Kundengespräche führen

Geraten Sie in Verkaufssituationen immer wieder an Grenzen?
Wie Sie unterschiedliche Persönlichkeitstypen zielgerichtet ansprechen, erfahren Sie im Praktikerhandbuch „Vertriebsgötter“.

Interessiert? Dann können Sie das Buch ab sofort zum vergünstigten Schnäppchenpreis unter diesem Link bestellen.

Diese Artikel könnten Sie noch interessieren
17.12.2024 – Die Verbraucherschützer erläutern in einem Heftbeitrag, wie privat Krankenversicherte auf deutliche Prämienanstiege reagieren können. Als Ansprechpartner für die Beratung zu einem Tarifwechsel werden drei Berufsgruppen vorgestellt, darunter auch Versicherungsmakler. (Bild: Stiftung Warentest) mehr ...
 
7.12.2022 – Gothaer und die Bayerische haben neue Geschäftsmodelle zum Umgang mit Fremdverträgen vorgestellt. Bei beiden lauern jedoch Hindernisse bei der Gestaltung des Verhältnisses zwischen Makler und Agent. Welche Probleme aufkommen können, berichtet Hans-Ludger Sandkühler. (Bild: Privat) mehr ...
 
22.6.2017 – Als „Quantensprung an Regulierung“ wurde die neue europäische Vermittlungsrichtlinie auf einer BWV-Tagung in Hannover bezeichnet. Was auf Unternehmen, Mitarbeiter und Vertrieb zukommt, berichten André Becker und Björn Fleck. (Bild: BWV Hannover) mehr ...
 
22.11.2016 – Das Wirtschaftsministerium hat den Referentenentwurf zur Umsetzung der Versicherungsvertriebs-Richtlinie (IDD) in deutsches Recht vorgelegt. Worauf sich Makler und Vertreter einstellen müssen – auch im Hinblick auf den neu eingeführten „Honorar-Versicherungsberater“. mehr ...
 
9.6.2016 – Die nationale Umsetzung der Versicherungsvertriebs-Richtlinie (IDD) war auch Thema auf dem VDVM Makler-Symposium. Für den Versicherungsexperten Professor Dr. Thomas Köhne wäre die Regierung gut beraten, nicht über die Vorgaben hinaus zu agieren. (Bild: Brüss) mehr ...
 
1.8.2014 – Mit ihrem Ratgeber „Altersvorsorge mit wenig Geld“ möchte die Verbraucherzentrale Geringverdienern Möglichkeiten aufzeigen, ihre Rente zu verbessern. Guter Rat sei nämlich Mangelware in der Finanzbranche. (Bild: Verbraucherzentrale) mehr ...
 
5.11.2010 – Die Rechtsprechung ist sehr erfinderisch und sehr streng, war beim Tag der Versicherungsvermittler der Industrie- und Handelskammern Arnsberg, Hagen und Siegen wieder einmal zu erfahren. mehr ...
 
3.5.2010 – Auf der VGA-Jahreshauptversammlung gab es nicht nur Branchen-Selbstkritik zu hören, sondern auch klare Aussagen der IHK München zum Thema Honorarberatung sowie zu neuerlichen Transparenz-Anforderungen an den Versicherungsvertrieb. mehr ...