Open Finance und FiDA: Wie die Ausschließlichkeit zum Profiteur offener Finanzdaten wird

28.8.2025 – Die geplante EU-Verordnung zur Financial Data Access sieht eine Öffnung von Finanzdaten vor, sofern der Kunde seine Zustimmung gibt. Ein offener Zugang zu Finanzdaten mag für den Versicherungsvertrieb zunächst bedrohlich wirken. Prof. Dr. Sascha Kwasniok (Duale Hochschule Baden-Württemberg), Johannes Neumeyer und Björn Habenschaden (beide Accenture) sind jedoch der Meinung: Der Exklusivvertrieb könnte zu den Profiteuren zählen, sofern strategische Voraussetzungen geschaffen werden.

WERBUNG
Sascha Kwasniok (Bild: Anna Logue)
Sascha Kwasniok (Bild: Anna Logue)

Die Financial-Data-Access-Regulierung (FiDA) zählt in der Finanzmarktregulierung zu den aktuell meistdiskutierten Gesetzesinitiativen der Europäischen Union. Ziel des Brüsseler Entwurfs ist es, Finanzdaten künftig auf Wunsch und mit Zustimmung der Kunden (sogenannter Consent) zwischen Finanzinstituten und Finanzinformationsdienstleistern auszutauschen.

Vorgaben zum Datenaustausch bereits für Banken

Mit der PSD2 gilt seit 2019 eine solche Vorgabe in der EU bereits für Banken, die nun auf weitere Finanzdienstleister ausgeweitet werden soll. Stimmt der Kunde zu, können Daten zu Krediten, Investmentvermögen, Altersvorsorgeansprüchen und Versicherungsverträgen von Privat- und Firmenkunden dann auf Knopfdruck und in Echtzeit zwischen den Akteuren am Finanzmarkt ausgetauscht werden.

Profitieren sollen letztlich die Kunden: Durch den offenen Datenzugang soll ein stärkerer Wettbewerb entstehen, indem neue, datengetriebene Produkte und Services angeboten werden. Denkbar ist beispielsweise eine Zusammenführung der Daten aller Versicherungs- und Bankprodukte in einer Kunden-App, die dann datenbasiert auf Deckungslücken oder günstigere Produktalternativen hinweist.

Chancen offener Finanzdaten für Exklusivvertriebe

Mögen auf den ersten Blick offene Finanzdaten für den Versicherungsvertrieb bedrohlich wirken, ergeben sich gerade im Exklusivvertrieb erhebliche Potenziale. Denn dieser kann die technologische Infrastruktur und die Serviceunterstützung der Produktgeber nutzen und gleichzeitig per Knopfdruck auf Daten zugreifen, die bislang nur dem Maklervertrieb vorbehalten waren: etwa Fremdverträge des Kunden.

Johannes Neumeyer (Bild: Alex Claney)
Johannes Neumeyer (Bild: Alex Claney)

Die strategische Vorbereitung der Ausschließlichkeitsorganisationen wird damit zu einem entscheidenden Erfolgsfaktor bei der FiDA-Implementierung.

Eine aktuelle Marktstudie von Accenture zusammen mit der Dualen Hochschule Baden-Württemberg unter mehr als 500 Exklusivvertrieben bietet hierfür eine erste Standortbestimmung. In der Studie werden Einstellungen, Erwartungen und Bedenken im Exklusivvertrieb erhoben, die konkrete Hinweise auf Stellhebel der FiDA-Readiness und strategische Implikationen für Versicherer bieten.

Heterogenes Meinungsbild in der Vermittlerschaft

Die Umfrageergebnisse zeigen, dass das Stimmungsbild zu FiDA nicht eindeutig ist. Einerseits werden vor allem im Bereich der Beratungsqualität Chancen für eine umfassende Beratung gesehen. Andererseits äußern viele Vermittler Sorgen hinsichtlich des Datenschutzes und eines potenziell aggressiven Auftretens bestimmter Vertriebswege wie etwa Online-Vergleicher.

Insgesamt zeigt sich eine hohe Unsicherheit sowie eine breite Streuung der Einschätzungen. Zusammenfassend lässt sich festhalten: Jüngere Vertreter bewerten die Potenziale offener Finanzdaten tendenziell höher, ältere Generationen äußern sich zurückhaltender.

Chancen einer verbesserten Datenverfügbarkeit

Björn Habenschaden (Bild: privat)
Björn Habenschaden (Bild: privat)

Trotz datenschutzbezogener Vorbehalte erkennen viele Vermittler die Mehrwerte einer verbesserten Datenbasis. 64 Prozent der Befragten stimmen der Aussage zu, dass FiDA ihnen Vorteile gegenüber Vermittlern anderer Versicherer verschaffen könnte. 53 Prozent erwarten eine Steigerung ihres Markterfolgs, 71 Prozent gehen von positiven Umsatzeffekten aus.

Für eine erfolgreiche Umsetzung sind greifbare Anwendungsbeispiele und überzeugende Nutzenargumente erforderlich. 77 Prozent der Befragten zeigen sich grundsätzlich bereit, die FiDA-Einwilligung (Consent) beim Kunden einzuholen. Allerdings erwartet die Mehrheit eine entsprechende Gegenleistung, sei es in Form finanzieller Vergütungen oder durch eigenen Zugriff auf die Daten.

Das Potenzial der FiDA-Daten muss daher präzise herausgearbeitet und vertriebsnah kommuniziert werden, um bestehende Vorbehalte im Vertrieb abzubauen.

Begleitung durch gezielten Change-Prozess

Um FiDA über eine reine Regulatorik-Perspektive hinaus strategisch im Vertrieb zu verankern, ist ein frühzeitiger Kommunikations- und Veränderungsprozess erforderlich. Insbesondere die Gruppe der aufgeschlossenen, ambitionierten Vertreter sollte gezielt eingebunden und zu „FiDA-Botschaftern“ entwickelt werden.

Entscheidend ist zudem, dass nicht nur die Vertriebsführung, sondern auch Governance-, Compliance- und IT-Funktionen das Zielbild aktiv mittragen.

Fazit

FiDA hat das Potenzial, die Spielregeln im Versicherungsvertrieb neu zu definieren. Vor allem Versicherer mit großen Exklusivvertrieben sollten FiDA nicht als regulatorische Bürde, sondern vielmehr als strategische Chance begreifen.

Um Wettbewerbsvorteile zu sichern, empfiehlt es sich, frühzeitig gezielt in Use Cases, Vertriebsunterstützung und Consent-Management zu investieren. Unabhängig von der finalen gesetzlichen Ausgestaltung sind die wesentlichen Stoßrichtungen bereits heute absehbar.

Entsprechend können schon jetzt laufende und neue Maßnahmen aus der Digitalisierungs- und Vertriebsstrategie mit Blick auf Anforderungen und Chancen der FiDA-Regulatorik bewertet und bei Bedarf neu priorisiert werden. So können Versicherer rechtzeitig ihre FiDA-Readiness bewerten und strategisch adressieren, um Risiken im Transformationsprozess zu erkennen und zu reduzieren.

Prof. Dr. Sascha Kwasniok, Johannes Neumeyer, Björn Habenschaden

Sascha Kwasniok ist Professor und Studiengangsleiter in der Studienrichtung BWL-Versicherung der Dualen Hochschule Baden-Württemberg (DHBW Mannheim). Johannes Neumeyer und Björn Habenschaden arbeiten bei der Unternehmensberatung Accenture GmbH. Die Studienergebnisse können kostenfrei über diesen Link bezogen werden.

Schlagwörter zu diesem Artikel
App · Außendienst · Berufsunfähigkeit · Fida · Maklervertrieb · Open Insurance · PSD2 · Regulierung · Strategie · Versicherungsvertrieb
 
WERBUNG
WERBUNG
Werben im Extrablatt

Mit einer Anzeige im Extrablatt erreichen Sie mehr als 12.500 Menschen im Versicherungsvertrieb, überwiegend ungebundene Vermittler. Über die Konditionen informieren die Mediadaten.

Ihr Wissen und Ihre Meinung sind gefragt

Ihre Leserbriefe können für andere Leser eine wesentliche Ergänzung zu unserer Berichterstattung sein. Bitte schreiben Sie Ihre Kommentare unter den Artikel in das dafür vorgesehene Eingabefeld.

Die Redaktion freut sich auch über Hintergrund- und Insiderinformationen, wenn sie nicht zur Veröffentlichung unter dem Namen des Informanten bestimmt ist. Wir sichern unseren Lesern absolute Vertraulichkeit zu. Schreiben Sie bitte an redaktion@versicherungsjournal.de.

Allgemeine Pressemitteilungen erbitten wir an meldungen@versicherungsjournal.de.

WERBUNG
Noch erfolgreicher Kundengespräche führen

Geraten Sie in Verkaufssituationen immer wieder an Grenzen?
Wie Sie unterschiedliche Persönlichkeitstypen zielgerichtet ansprechen, erfahren Sie im Praktikerhandbuch „Vertriebsgötter“.

Interessiert? Dann können Sie das Buch ab sofort zum vergünstigten Schnäppchenpreis unter diesem Link bestellen.

Diese Artikel könnten Sie noch interessieren
13.2.2020 – Der Beruf des Versicherungs-Vermittlers ist oft verschrien, aber unerlässlich. Seine Arbeit können digitale Anbieter nicht ersetzen, aber effektiv unterstützen, schreibt Alexander Huber, Marketing-Verantwortlicher des Versicherers One, in einem Gastbeitrag. (Bild: One) mehr ...
 
8.11.2018 – Der Hype um die Digitalisierung klingt ab. Ob die Perspektiven für Kunden und Mitarbeiter immer noch so düster gesehen werden, war Thema auf einer Fachkonferenz in Köln. Diskutierte wurden die Folgen des Mix aus Mensch und Maschine. (Bild: Lier) mehr ...
 
16.9.2013 – Das Internet und die Folgen waren Top-Thema auf einem Münchner Branchenkongress. Bei der Analyse der Auswirkungen herrschte weitgehende Einigkeit, aber bei den daraus zu ziehenden Vertriebs-Konsequenzen kristallisierten sich Unterschiede heraus. mehr ...
 
4.11.2011 – Mit den „vier F“ lassen sich Trends beschreiben, die die Assekuranz derzeit umtreiben. Inwieweit sie darauf vorbereitet ist, zeigt ein Überblick. mehr ...
 
16.10.2024 – Die Neubesetzung der Position des Leiters Makler- und Kooperationsvertrieb stelle eine weitere wichtige Personalie in einer Reihe von Neueinstellungen dar, heißt es beim Tierversicherer. Die Niedersachsen haben sich strategisch neu ausgerichtet. Wie die Veränderungen aussehen. (Bild: Uelzener) mehr ...
 
22.3.2023 – Der Versicherer hat sich eine neue Vertriebsstrategie auf die Fahnen geschrieben, die alle drei Vertriebswege betrifft. Wie die Hannoveraner auf die Frage reagieren, ob sie damit zumindest im Maklergeschäft zu spät kommen. (Bild: HDI) mehr ...
 
22.12.2021 – Immer öfter werden Mehrkosten für „grünen“ Ersatz übernommen. Helden.de stellt dazu nun in der Hausratversicherung erstmals nennenswerte Summen bereit. Mehr bieten zudem die Alte Leipziger in Wohngebäude und Alteos. Die R+V liefert ein Update in der OP-Kostenversicherung für Hunde. (Bild: Pixabay CC0) mehr ...
 
12.4.2021 – Europäische Initiativen zielen darauf, dass Kundendaten Dritten frei zugänglich gemacht werden. Manch einem mag das bedrohlich erscheinen, doch Assekuranz und Kunden können davon profitieren, so Julius Kretz (Alte Leipziger-Hallesche) und Sascha Kwasniok (DHBW Mannheim). (Bild: privat) mehr ...
WERBUNG