Vollkaskoschaden bei E-Auto: Wie ein Akku zu entschädigen ist

20.6.2025 – Nach einem Urteil des Oberlandesgerichts Hamm (Az. 20 U 99/23) muss auch eine geleaste Batterie eines Elektroautos im Falle eines Totalschadens des Wagens entschädigt werden, wenn sie im Rahmen einer bestehenden Kaskoversicherung als mitversichert gilt. Allerdings kann auch für einen zerstörten Akku ein Abzug „neu für alt“ erfolgen, sofern dies vereinbart wurde. Zudem stellte das Gericht klar, dass ein bei der Anschaffung eines Elektroautos an den Käufer ausbezahlter staatlicher Kaufanreiz wie der Umweltbonus die Entschädigungsleistung nicht minimiert.

Nur zwei Monate, nachdem ein Mann ein E-Auto mit geleaster Batterie auf sich zugelassen hatte, erlitt das Fahrzeug sowie der Akku bei einem Unfall einen wirtschaftlichen Totalschaden. Der Neupreis des Wagens belief sich auf 24.000 Euro, die Batterie, die geleast war, kostete zusätzlich 7.000 Euro.

Der Pkw-Halter forderte von der bestehenden Vollkaskoversicherung eine entsprechende Schadensleistung. Im Kaskovertrag war ausdrücklich auch der Kfz-Akku gegen jede Beschädigung, Zerstörung oder jeden Verlust durch alle Ereignisse versichert, denen er ausgesetzt ist. Vereinbart war zudem im Schadenfall ein Abzug „neu für alt bei Akkumulatoren“.

Der Kaskoversicherer erstattete zwar den vereinbarten Neuwert des Fahrzeugs abzüglich des Kfz-Restwerts und den vereinbarten Selbstbehalt. Doch anders als vom Kfz-Halter erhofft, zahlte der Versicherer nicht den Neuwert der Batterie, sondern nur 612 Euro. Deshalb verklagte der Kfz-Halter den Kfz-Versicherer.

Entschädigung für zerstörten Akku: Neupreis mit Abzug „neu für alt“

Das Landgericht (LG) Hagen (10 O 170/21) gab dem Kfz-Halter Recht und verurteilte den Kfz-Versicherer dazu, rund 6.188 Euro, also die Differenz zwischen dem Neupreis des Akkus von 7.000 Euro und den bereits bezahlten 612 Euro, für die zerstörte Batterie, an den Kfz-Halter auszuzahlen. Dagegen legte der Kfz-Versicherer Berufung ein.

Das Oberlandesgericht (OLG) Hamm bestätigte jedoch mit dem Urteil (20 U 99/23) vom 10. April 2024 im Wesentlichen die Entscheidung der Vorinstanz, reduzierte jedoch die Entschädigungshöhe. Auch das OLG kam zum Schluss, dass laut den der Kaskopolice zugrunde liegenden Versicherungsbedingungen nicht nur das Fahrzeug, sondern auch die Batterie zum Unfallzeitpunkt zum Neupreis versichert war.

Anders als vom Kfz-Halter und vom LG Hagen angenommen, kann jedoch der Kaskoversicherer den vereinbarten Abzug „neu für alt“ in Höhe von 15 Prozent nicht nur für einen reparaturbedürftigen, sondern auch für einen zerstörten Akku vornehmen.

Im verhandelten Fall reduzierte sich damit die Versicherungsleistung für die beschädigte Batterie von bisher 7.000 Euro (Neupreis) um 15 Prozent, was 1.050 Euro entspricht, auf 5.950 Euro. Davon sind die bereits vom Versicherer erstatteten 612 Euro abzuziehen. Somit musste der Kaskoversicherer noch rund 5.338 Euro an den Kfz-Halter auszahlen.

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Staatlicher Umweltbonus ist nicht mit einem Herstellerrabatt gleichzusetzen

Das OLG Hamm führte im Urteil zudem aus, inwieweit sich ein gewährter staatlicher Zuschuss beim Neukauf eines Autos auf die Entschädigungsleistung im Teil- oder Vollkaskofall auswirken kann. Im vorliegenden Fall ging es unter anderem um einen sogenannten Umweltbonus in Höhe von 2.000 Euro für den Kauf eines Elektroautos, den der Kläger beim Kauf seines Wagens erhielt. Diesen Bonus gab es von Mitte 2016 bis Ende 2019, danach wurde er erhöht und Ende 2023 vorzeitig eingestellt.

Im OLG-Urteil wurde klargestellt, dass ein Kaskoversicherer im Schadenfall – anders als bei marktüblichen Herstellerrabatten – einen bei der Anschaffung eines Elektroautos ausbezahlten staatlichen (Umwelt-)Bonus nicht von der Entschädigungsleistung abziehen darf.

„Der Bundesanteil – bei dem es sich um eine im Rahmen eines Verwaltungsverfahrens gewährte Subvention handelt […] – ist kein ‚orts- und marktüblicher Nachlass‘“, wie im Urteil ausgeführt wird.

Weiter heißt es: „Der Begriff des ‚Nachlasses‘ lässt deutlich erkennen, dass ein Abzug nur dann stattfinden soll, wenn der Inhaber der (Kauf-)Preisforderung, mithin der Händler, einen Abzug gewährt, nicht aber im Falle eines staatlichen Zuschusses. Jedenfalls darf der durchschnittliche Versicherungsnehmer den Begriff so verstehen.“

Legale Bereicherung

Das OLG betont zudem: „Zwar trifft es zu, dass der Kläger hierdurch in Höhe des Bundesanteils bereichert wird. Er erhält ohne Abzug eine entsprechende Versicherungsleistung, obwohl er sowohl bei Erwerb des Unfallfahrzeugs als auch im Falle einer (fiktiven) Ersatzbeschaffung am Unfalltag eine entsprechende Förderung erlangt hat beziehungsweise hätte erlangen können und deshalb durch die Versicherungsleistung ein Vermögensnachteil ‚entschädigt‘ wird, der effektiv nicht besteht.“

Damit wird der Kläger besser gestellt, als wäre das versicherte Fahrzeug nicht verunfallt. Doch das ist laut OLG rechtens: „Im Versicherungsvertragsrecht gibt es […] keinen allgemeinen und zwingenden, die Neupreisversicherung einschränkenden Rechtssatz im Sinne eines Bereicherungsverbots. Maßgeblich ist vielmehr allein das konkrete Leistungsversprechen des Versicherers, das hier auf eine Versicherung zum Neupreis gerichtet ist und an dem er sich festhalten lassen muss.“

Der Versicherer kann nach Angaben des OLG „seine Interessen durch die Vereinbarung von Allgemeinen Versicherungsbedingungen mit bestimmten Anrechnungsvorschriften wahren […]. Eine solche Anrechnungsvorschrift für den staatlichen Bonus enthielten die der Kaskopolice zugrunde liegenden Versicherungsbedingungen jedoch nicht.“

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Schlagwörter zu diesem Artikel
AVB · Kfz-Versicherung · Pkw
 
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