25.4.2025 – Ärzte, die im Auftrag einer Behörde die zweite Leichenbeschau durchführen, sind laut einem Urteil des Landessozialgerichtes Baden-Württemberg nicht als abhängig beschäftigt einzustufen. Dagegen spricht bereits die Hoheitsmacht bei dieser Tätigkeit.
Eine Ärztin wurde von einer Gemeinde regelmäßig mit der zweiten Leichenschau betraut. Diese ist erforderlich, um den Verstorbenen für die Feuerbestattung freizugeben. Ziel ist es, zu bestätigen, dass der Tod natürlichen Ursprungs war und keine Straftat vorliegt.
Die Frau arbeitet in einer Gemeinschaftspraxis und ist nicht bei der Stadt beschäftigt. Im wöchentlichen Rhythmus mit anderen Ärzten nimmt sie die Tätigkeit jeweils montags, mittwochs und freitags wahr. Dabei wird sie in der Regel telefonisch von der Stadt beauftragt, wenn eine Leichenbeschauerin benötigt wird.
Der Rentenversicherungsträger erkannte in dieser Tätigkeit eine abhängige Beschäftigung und forderte entsprechend Rentenversicherungsbeiträge von der Ärztin und der Gemeinde. Dabei argumentierte er, dass die Arbeitszeit, der Arbeitsort und die Art der Tätigkeit vorgegeben seien.
Zudem sei die Ärztin in die Arbeitsorganisation des Grünflächenamts und der Abteilung Friedhöfe eingegliedert. Sie arbeite dabei eng mit den Friedhofsbediensteten zusammen, die für das Entkleiden und Vorbereiten der Leichen zuständig sind. Anders als bei einer selbstständigen Tätigkeit setze die Ärztin kein eigenes Kapital ein und trage kein finanzielles Risiko. Stattdessen erhalte sie ein festgelegtes Honorar von 30 Euro je Leichenschau.
Gegen die entsprechenden Beitragsforderungen wehrte sich die Gemeinde erfolgreich. Das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg bestätigte mit Urteil vom 22. Januar 2025 (L 5 BA 1266/24), dass keine abhängige Beschäftigung vorliegt. Auch das Sozialgericht Heilbronn hatte zuvor keine Beitragspflicht feststellen können.
Das LSG betonte, dass bei der Einschätzung, ob eine abhängige Beschäftigung oder eine selbstständige Tätigkeit vorliegt, das Gesamtbild der Arbeitsleistung im Einzelfall berücksichtigt werden muss. Die relevanten Argumente, die für oder gegen eine Abhängigkeit sprechen, müssen dabei sorgfältig abgewogen werden. Diese Abwägung dürfe nicht schematisch oder schablonenhaft erfolgen.
Bei einer zweiten Leichenschau handele es sich um einen Hoheitsakt, der kraft Beleihung von einer Behörde auf Dritte übertragen werde, so führt das Gericht im Urteilstext aus. Eine schlichte Beauftragung von Privatpersonen zur Erfüllung dieser öffentlichen Verwaltungsaufgabe scheidet somit aus.
In diesem Fall handelt die Ärztin nicht nur als Auftragnehmerin der Gemeinde, sondern mit eigener verwaltungsrechtlicher Kompetenz und übt eigene Hoheitsgewalt aus. Sie stellt die Urkunde im eigenen Namen aus und handelt nicht im Namen des Gesundheitsamtes oder der Ortspolizeibehörde.
Bereits dieser rechtliche Rahmen spricht nach Überzeugung des Senats somit für eine selbstständige Tätigkeit der Ärztin. Sie handelt nicht unter der Weisungsbefugnis einer Behörde, sondern in eigener Verantwortung und mit eigener Entscheidungsbefugnis.
Dies spricht gegen ein Angestelltenverhältnis, da eine abhängige Beschäftigung typischerweise mit der Weisungsgebundenheit verbunden ist.
Das Gericht verneinte zudem, dass die Ärztin in die Arbeitsabläufe der Gemeindebehörden integriert sei, wenn sie die Leichenbeschau vornimmt. Vielmehr ergeben sich der Ort (Friedhof) und der Zeitpunkt der Tätigkeit (nach dem Tod und vor der Einäscherung) sowie die Bereitstellung der Leichen durch die Mitarbeiter allein aus der Art der Tätigkeit selbst.
Zugespitzt formuliert: Bei der Leichenschau bestimmen der Todeszeitpunkt einer Person und der Ort der Durchführung – in der Regel der Friedhof – allein die Rahmenbedingungen der Tätigkeit. Diese werden nicht durch externe Vorgaben der Gemeinde festgelegt, da diese nicht darüber entscheidet, wann eine Person verstirbt.
Letztendlich fehlt es auch an der Eigenschaft eines Arbeitsentgelts, da die von der beigeladenen Ärztin verlangten Gebühren in Höhe von 30 Euro pro Leichenschau nicht als Arbeitsvergütung gelten. Diese Kosten werden zunächst von der Gemeinde verauslagt, aber später den Hinterbliebenen des Verstorbenen in Rechnung gestellt.
Damit identifiziert das LSG mindestens drei Punkte, weshalb die Ärztin als selbstständig tätig einzuordnen ist. Das Gericht nennt im Urteilstext weitere Tätigkeiten, bei denen die Personen als Beliehene auftreten und nicht lediglich als Verwaltungshelfer, da sie eigene Entscheidungsbefugnisse haben.
Dazu zählen Bezirksschornsteinfeger, öffentlich bestellte Vermessungsingenieure, Prüfingenieure für Baustatik sowie anerkannte Sachverständige nach dem Kraftfahrsachverständigengesetz. Auch diese wären entsprechend des rechtlichen Rahmens tendenziell als selbstständig einzustufen.
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