16.4.2025 – Das Bundessozialgericht hat einem früheren Profifußballer ein Verletztengeld verwehrt, obwohl er seine praktische Tätigkeit als Physiotherapeut wegen der Sportverletzung nicht mehr ausüben konnte. Obwohl nur noch im begrenzten Umfang tätig, konnte der Mann mit administrativen Tätigkeiten hohe Einkünfte erzielen.
Von 1975 bis 1988 stand der Kläger als Profifußballer unter Vertrag. Wegen eines Meniskusschadens musste er seine Karriere vorzeitig beenden. Die zuständige Berufsgenossenschaft stufte die Verletzung als Berufskrankheit nach der Berufskrankheitenverordnung (BK 2102) ein.
Damit war der ehemalige Profi offiziell als arbeitsunfähig anerkannt – und hätte Anspruch auf Verletztengeld nach § 45 SGB VII gehabt.
Verletzter Sportler startet als Physiotherapeut neu Nach dem Karriereende schlug der Kläger einen neuen Weg ein und ließ sich zum Physiotherapeuten ausbilden. Gemeinsam mit seiner Frau baute er eine eigene Praxis auf, in der mehrere Angestellte beschäftigt sind. Er selbst ist dort selbstständig tätig.
In den Jahren 2015 und 2016 konnte er aufgrund seiner früheren Sportverletzung jedoch nicht mehr aktiv als Physiotherapeut arbeiten. Unter anderem plagten ihn Knieschmerzen infolge einer Arthrose, seine Beweglichkeit war stark eingeschränkt. Ein Arzt bestätigte, dass diese Beschwerden aus der Sportverletzung resultierten.
Verwaltungs- und Leitungstätigkeiten übernahm der Kläger weiterhin – allerdings nur in eingeschränktem Umfang. Er machte deshalb geltend, dass ihm durch die gesundheitlichen Einschränkungen auch im neuen Beruf Einkommenseinbußen entstanden seien.
Zwar sei auch ohne seine aktive Mitarbeit ein Gewinn erzielt worden, argumentierte der Kläger. Dieser sei aber geringer ausgefallen, als wenn er voll mitgearbeitet hätte. Diese Differenz müsse durch das Verletztengeld ausgeglichen werden.
Laut Einkommenssteuerbescheid lagen die steuerpflichtigen Einkünfte aus Gewerbebetrieb in den betreffenden Jahren zwischen rund 140.000 und über 156.000 Euro. Das war sogar deutlich mehr als in den Jahren zuvor.
Bereits die Vorinstanzen hatten die Klage abgewiesen. So entschied das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen am 27. Oktober 2022 (L 15 U 439/19), dass der Mann seine Einkünfte voll auf das Verletztengeld anrechnen lassen müsse – womit sein Anspruch auf null falle.
Zwar hatte das Bundessozialgericht am 23. August 1973 einem Unternehmer Verletztengeld zugesprochen, weil seine Arbeitskraft über längere Zeit infolge einer Berufskrankheit ausfiel (2 RU 238/72).
In solchen Fällen könne bei einem im Betrieb voll mitarbeitenden Unternehmer von einem Einkommensverlust ausgegangen werden – selbst ohne konkreten Nachweis. Dieser könne fiktiv in Höhe des für freiwillig Versicherte geltenden Jahresarbeitsverdienstes angesetzt werden.
Im aktuellen Fall sei diese Rechtsprechung jedoch nicht anwendbar, betonte das LSG. Denn die Arbeitsunfähigkeit des Therapeuten gehe nicht auf die heutige selbstständige Tätigkeit zurück, sondern auf eine frühere unselbstständige Beschäftigung – den Profifußball.
„Verletztengeld ist kein allgemeiner Schadensersatz, was sich auch daraus ergibt, dass Verletztengeld der Höhe nach begrenzt ist.“
Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen
Darüber hinaus hob das Landessozialgericht hervor, dass das Argument nicht trägt, wonach ein arbeitsunfähiger Unternehmer auch dann Verletztengeld erhalten müsse, wenn sein Unternehmen gut laufe und es auch ohne seine Mitarbeit einen hohen Gewinn erziele.
Dies sei mit der Entgeltersatzfunktion des Verletztengeldes nicht vereinbar. „Verletztengeld dient nicht dazu, einen Versicherungsfall und eine dadurch bedingte Arbeitsunfähigkeit pauschaliert zu entschädigen, sondern einen Einkommensverlust auszugleichen“, heißt es hierzu im Urteilstext.
Wer – wie der Kläger – trotz gesundheitlicher Einschränkungen weiterhin selbstständig tätig ist und dabei sogar höhere Gewinne erzielt als im maßgeblichen Vergleichsjahr vor der Arbeitsunfähigkeit, habe keinen Anspruch auf Verletztengeld. Ein fiktiver Einkommensverlust lasse sich in solchen Fällen nicht annehmen. Denn das würde bedeuten, dass zusätzlich zum gestiegenen Gewinn noch Verletztengeld als „Bonus“ ausgezahlt würde.
„Verletztengeld ist kein allgemeiner Schadensersatz, was sich auch daraus ergibt, dass Verletztengeld nach § 47 Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VII der Höhe nach begrenzt ist und damit von vornherein nicht darauf gerichtet ist, alle finanziellen Nachteile von versicherungsfallbedingter Arbeitsunfähigkeit auszugleichen“, so führen die Richter aus.
Das Bundessozialgericht hat mit Urteil vom 25. März 2025 (B 2 U 2/23 R) die Entscheidung der Vorinstanz bestätigt. Der frühere Fußballprofi hat keinen Anspruch auf Verletztengeld. Eine ausführliche Begründung liegt derzeit noch nicht vor, bislang gibt es nur eine Pressemitteilung.
Zwar bestünde die Arbeitsunfähigkeit des Klägers aus seiner früheren Tätigkeit weiterhin fort, wie der zuständige 2. Senat betonte. Nach § 52 SGB VII muss er sein Einkommen jedoch vollständig auf das Verletztengeld anrechnen lassen – ein Anspruch auf Zahlung besteht daher nicht.
Auch Einkünfte aus leitender oder verwaltender Tätigkeit sind demnach vollständig anrechenbar. Der Kläger hatte dagegen argumentiert, nur das Einkommen aus eigener Mitarbeit – vereinfacht gesagt: seine Tätigkeit als praktizierender Physiotherapeut – dürfe berücksichtigt werden.
Das Sozialgesetzbuch sieht jedoch keine anteilige Anrechnung vor, so die Richter. Arbeitseinkommen im Sinne des Gesetzes ist der nach Einkommenssteuerrecht ermittelte Gewinn aus selbstständiger Tätigkeit – unabhängig davon, ob er durch persönliche Mitarbeit oder andere Tätigkeiten erzielt wurde.
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